Handball-WM in Frankreich:Die verrücktesten Torhüter kommen aus Deutschland

Rio 2016 - Handball

Der Beste der Welt? Deutschlands Torwart Andreas Wolff (links) bei den Olympischen Spielen in Rio.

(Foto: dpa)

Aber wer sind die Favoriten? Und warum sind die Spiele nicht im deutschen TV zu sehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Handball-WM.

Von Carsten Scheele

Am Mittwoch beginnt die Handball-WM in Frankreich - bis zum 29. Januar wird unter 24 Nationalteams der neue Weltmeister ermittelt. Mit dabei ist auch die deutsche Auswahl, die nach dem EM-Gewinn 2016 wieder Titelambitionen hegt und am Freitag gegen Ungarn (17.45 Uhr, Liveticker auf SZ.de) ins Turnier einsteigt. Doch wer sind die übrigen Favoriten? Warum hört der deutsche Bundestrainer nach der WM auf? Und was steckt hinter dem bizarren Streit um die TV-Rechte? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum ist das deutsche Team so gut?

Das Team, das im Januar überraschend Europameister geworden ist, gehört auch bei der WM zum engeren Favoritenkreis - ohne allerdings den traditionellen Kriterien einer Spitzenmannschaft zu genügen. So verfügt das DHB-Team weder über den einen Ausnahmespieler, der die Mannschaft führt und mitzieht, noch über den wurfgewaltigsten oder strategisch begabtesten Spieler des gesamten Turniers. Das deutsche Team ist immer noch verdammt jung (fünf Spieler sind Jahrgang 1993 oder jünger), überzeugt im Kollektiv, hat allerdings - wie schon bei der EM - mit etlichen Verletzungssorgen zu kämpfen. Diesmal fehlen Steffen Weinhold, Fabian Wiede (beide verletzt), Christian Dissinger, Hendrik Pekeler, Martin Strobel (pausieren alle), Christian Lichtlein (auf Abruf). Falls die Not noch größer wird, stünde sogar Holger Glandorf, 33, Weltmeister von 2007, bereit, der im letzten Testspiel (33:16) gegen Österreich mitspielte. Doch egal, wer auf dem Feld steht - der Plan des Trainers wird bedingungslos umgesetzt. Ja, wenn überhaupt, dann ist Dagur Sigurðsson der Star dieses Teams.

Warum braucht der DHB nach der WM einen neuen Bundestrainer?

Weil Dagur Sigurðsson aufhört und nach Japan wechselt. Kein Witz, in einem Land, das im Welthandball keine Rolle spielt, wird der Europameistertrainer künftig versuchen, ein schlagkräftiges Team aufzubauen. Ein Grund ist auch, dass Sigurðsson mit seiner Familie auf Island wohnen kann und nur für Spiele und Trainingsmaßnahmen nach Japan fliegen muss. Wer ihn beim deutschen Verband ersetzt, ist unklar, der DHB hat sich zwischen den verbliebenen Kandidaten, Leipzigs Christian Prokop und Stuttgarts Markus Baur, noch nicht entschieden. Wahrscheinlich ist zunächst eine Interimslösung, wonach der neue Bundestrainer erst im Sommer seine Arbeit aufnimmt. Klar ist: Die Mannschaft will Sigurðsson mit dem zweiten Titel verabschieden.

Wer ist der spannendste deutsche Spieler?

Keeper Andreas Wolff. Handballtorhüter sind stets etwas sonderbar - schließlich lassen sie sich freiwillig Bälle mit mehr als 100 Stundenkilometern um die Ohren werfen. Das trifft auch auf den deutschen Keeper zu: Wolff, 25, wird seit der EM als Frontman des deutschen Handballs wahrgenommen, was zum einen an seiner Statur, seinem Rauschebart und seiner furchtlosen Art des Torwartspiels liegt. Aber auch daran, dass er nach dem EM-Gewinn nahezu jeden TV-Termin wahrnahm und sogar bei "Schlag den Star" mitmachte, wo er prompt gewann. Ob er einmal der beste Torwart der Welt wird? Schon möglich. Auf jeden Fall bildet er zusammen mit Silvio Heinevetter, 32, das beste und verrückteste Torhütergespann dieser WM.

Wie stark ist der Gastgeber einzuschätzen?

Bei der vergangenen WM in Katar wurde der Gastgeber mit einer kuriosen Weltauswahl voller eingebürgerter Spieler zuletzt Zweiter. Nun heißt der Gastgeber Frankreich, und der braucht keine Einbürgerungen, um ein Spitzenteam an den Start zu bringen. Klar, das Team ist in die Jahre gekommen. Eckpfeiler sind immer noch Mittelmann Nikola Karabatic, Daniel Narcisse oder Luc Abalo, die weit über 30 Jahre alt sind und bereits bei der WM 2007 (Halbfinal-Aus gegen Deutschland) mitspielten. Frankreich ist Titelverteidiger und Olympia-Zweiter, die WM dürfte im Land ein großes Thema werden, jedenfalls größer als die heimische Liga, die an der Spitze doch eher langweilig geworden ist, seit eine katarische Investorengruppe viel Geld in das Topteam Paris Saint-Germain HB pumpt. Auch Uwe Gensheimer, der deutsche Linksaußen, spielt mittlerweile hier, das Team peilt den dritten Meistertitel in Serie an. Wenige Tage vor WM-Beginn wurden etwa drei Viertel aller WM-Tickets verkauft - ein guter Zwischenstand, so die Organisatoren.

Weitere Favoriten und TV-Dilemma

Wer sind die Favoriten?

Natürlich Gastgeber Frankreich, das finden auch die Buchmacher. Dazu die großen europäischen Teams: Dänemark (mit Mikkel Hansen), Spanien, Kroatien, Deutschland. Eine WM ist in der Breite traditionell weniger hochklassig besetzt als eine EM, bei der es keine krassen Außenseiter mehr gibt. Anders bei Weltmeisterschaften: Auch diesmal sind Teams wie Bahrain, Japan oder Angola dabei, die sportlich keine Chance auf den Titel haben. Schwer vorstellbar auch, dass es Mannschaften wie Saudi-Arabien oder Chile ins Achtelfinale schaffen.

In welchem Modus wird gespielt?

Gelost wurden vier Sechsergruppen, Deutschland trifft in Gruppe C auf Kroatien, Weißrussland, Ungarn, Chile und Saudi-Arabien. Favoriten auf den Gruppensieg sind Deutschland und Kroatien, Ungarn hat Außenseiterchancen. Die besten vier Teams pro Gruppe kommen weiter, danach geht es über das Achtel-, Viertel- und Halbfinale bis zum Endspiel.

Wo ist die WM im Fernsehen zu sehen?

Gar nicht, zumindest nicht in Deutschland. Grund ist die bizarre Rechtevergabe des Weltverbands IHF an den katarischen Sender "beIN Sports", der von ausländischen Sendern verlangt, ihr Signal nur verschlüsselt zu senden, damit es nur im jeweiligen Heimatland empfangbar ist. Aus diesem Grund sind ARD und ZDF raus, auch Sky oder Eurosport haben abgewinkt. Als absolute Notlösung überträgt nun der Hauptsponsor der Handball-Bundesliga die Spiele live auf seiner Internetseite, ohne Interviews und teilweise mit englischem Kommentar. Ein Armutszeugnis für die Sportart in Deutschland, den Handball-Weltverband, aber auch für den DHB, der lange tatenlos zugesehen hat.

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