Handball-WM: Fazit:Frisurenwunder mit Makel

Auch der schönste Handball reicht den Dänen nicht, um Weltmeister zu werden. Bundestrainer Heiner Brand kann sich nur selbst entlassen und die Profis haben Probleme mit einer Kinderregel. Eine WM-Bilanz in Bildern.

Carsten Eberts

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Handball-WM Frankreich - Dänemark 37:35 n.V.

Quelle: dpa

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Auch der schönste Handball reichte den Dänen nicht, um Weltmeister zu werden. Heiner Brand kann sich nur selbst entlassen und die Profis haben Probleme mit einer Kinderregel. Eine WM-Bilanz in Bildern.

Der Weltmeister braucht keinen Umbruch

Wie haben sich deutsche Handballfans die Zukunft ausgemalt. Sicher, die EM-Pleite von Österreich war nicht schön, aber wenigstens ein Rückschlag, der zu etwas gut sein sollte. Die deutsche Mannschaft hatte schließlich einen Umbruch vollzogen - ältere Spieler aussortiert, neue integriert. Das sollte sich rechnen, spätestens in ein paar Jahren, wenn andere Nationen wie Frankreich ihre Verjüngungskur ansetzen.

Das Problem daran: Diese scheint nicht nötig. Frankreich wurde in Schweden natürlich erneut Weltmeister, spielte konstant auf brutalem Höchstniveau, integrierte ganz nebenbei junge Leute. Wie die Rückraumspieler Xavier Barachet und William Accambray (beide 22), die selbst im dramatischen Finale gegen Dänemark (37:35 n.V.) viele Spielminuten bekamen. Dazu Nikola Karabatic, der wohl beste Spieler der WM, der auch erst 26 Jahre alt ist. Da scheint die Frage berechtigt: Wer soll die Franzosen in absehbarer Zeit überhaupt schlagen?

Denmark vs Sweden

Quelle: dpa

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Der Heim-Vorteil wirkt

Die großen Zeiten vorbei, viele durchschnittliche Spieler, ein mürrisches Trainerduo: Niemand hatte vor der WM die gastgebenden Schweden (im Bild Robert Arrhenius) auf der Rechnung. Sicher, man traute ihnen die eine oder andere Überraschung zu, aber eine Medaille? Mitnichten. Nun scheint es, als würde gerade im Handball - dieser herrlich emotionalen, körperbetonten Sportart - der Heimvorteil noch ein wenig besser wirken als anderswo: 2007 in Deutschland holte das deutsche Team den Titel, obwohl andere Favorit waren. 2009 erreichte Kroatien gar das Finale, verlor erst dort gegen Frankreich.

Und die Schweden? Sie verloren zwar in der Vorrunde gegen Argentinien, steigerten ihre Leistung jedoch fulminant, schlugen die starken Serben und Kroaten, erreichten zur großen Überraschung das Halbfinale. Mit Spielern wie Dalibor Doder, der in Deutschlands zweiter Liga für GWD Minden aktiv ist. Im Halbfinale war Frankreich zwar zu stark (26:29), auch das Spiel um Platz drei gegen Spanien ging knapp verloren (23:24). Schweden feierte jedoch seine Handballer - weil sie zwei Wochen lang über sich hinausgewachsen waren.

Denmark's Hansen attempts to score next to France's Dinart during their final match at the Men's Handball World Championship in Malmo

Quelle: REUTERS

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Dänemark spielt den schönsten Handball

Auf ihrem Trikot prangt der Schriftzug einer Weichgummimarke - doch so streng wollen wir nicht sein. Schließlich ist es so ziemlich der einzige Makel, der bei dieser WM an den Dänen auszumachen war. Das kleine Land im Norden hat es fertiggebracht, den schönsten Handball der WM zu spielen: rasant, leichtfüßig, mühelos, mit wunderbaren Spielzügen und einer enormen Nervenstärke. Mit Jesper Nøddesbo vom FC Barcelona, einem der besten Kreisläufer der Welt, mit Rechtsaußen Hans Lindberg vom HSV Hamburg und natürlich mit Mikkel Hansen, Torschützenkönig und Frisurenwunder dieser WM (links im Bild).

Ein weiterer Makel schlich sich dann doch noch ein: Frankreich war im Finale zu stark. Dänemark zwang den Weltmeister zwar noch in die Verlängerung, hatte dort jedoch keine Chance. Mitunter mit purer Gewalt hatten die französischen Maschinen die spielfreudigen Dänen zermürbt - und damit auch das Duell zweier Handballschulen für sich entschieden.

HANDBALL-WORLD-2011-MEN-GER-NOR

Quelle: AFP

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Zwei gute Torhüter reichen nicht

Handball-Torhüter können Spiele entscheiden. Wenn sie wahnsinnige Reaktionen zeigen, mit den Händen, Füßen oder dem Kopf, wenn sie die ganze Mannschaft mit ihren Paraden nach vorne pushen. Deutschland hatte bei diesem Turnier zwei Spieler, die genau das taten: verrückte Würfe der Gegner halten, den Vorderleuten zeigen wie es geht, beste Kritiken abstauben.

Das reichte jedoch nicht. Die deutsche Mannschaft spielte häufig so konfus, in Angriff und Abwehr, dass selbst Johannes Bitter (oben im Bild) und Silvio Heinevetter das Unheil nur noch begrenzen konnte. Was wäre wohl passiert, hätten sich die deutschen Schlussmänner dem Niveau ihrer Mitspieler angepasst? Handball-Torhüter können schließlich alles - außer Spiele im Angriff entscheiden.

Handball-WM: Deutschland - Norwegen

Quelle: dapd

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Deutschland hat keine Führungsspieler

"Führungsspieler" war das vielleicht meistverwendete Wort dieser WM, gleich nach "Hand" und "Ball". Der Grund: Deutschland hatte keine, zumindest keine richtigen. Vorbei die Zeiten, als sich das deutsche Team an die starken Schultern von Markus Baur, Christian Schwarzer oder Daniel Stephan anlehnen konnte.

Diesmal vermochte keiner, das verunsicherte Team zu führen - nicht Pascal Hens (im Bild), schon gar nicht Michael Kraus. Ein Grund dafür: In der Bundesliga müssen sie solche Aufgaben nicht erfüllen, dort tun dies die starken Spieler aus anderen Nationen. Bundestrainer Heiner Brand kritisiert diesen Umstand seit Jahren, ohne jedoch echtes Gehör für seine Klage zu finden. Hens und Kraus etwa spielen beim HSV Hamburg - gemeinsam mit Guillaume Gille, dem spielprägenden Franzosen. Ein Baurschwarzerstephan wächst eben nicht alle Jahre heran.

Handball-WM: Deutschland - Argentinien

Quelle: dapd

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Brand kann sich nur selbst entlassen

Normalerweise sind die Mechanismen gleich: Die Mannschaft spielt schlecht, sie wird kritisiert - am Ende muss der Trainer gehen. Insofern war bei der deutschen Mannschaft Seltsames zu beobachten. Das Team spielte schlecht, zeitweise sogar sehr schlecht, erreichte mit Platz elf ein historisch mieses WM-Ergebnis. Und Trainer Brand? Spieler und Funktionäre fürchteten lediglich, Brand könnte von selbst hinschmeißen. Seinen Rücktritt forderte jedoch niemand.

Das Fehlen einer echten Opposition ist eine handballerische Besonderheit. Kaum vorstellbar beispielsweise im Fußball. Brand ist seit 1997 Bundestrainer, hat den deutschen Handball seitdem geprägt. Alle Kandidaten, die ihn möglicherweise einmal beerben könnten, sind langjährige Vertrauensmänner, die alles in der Welt tun würden - außer offen gegen Brand zu opponieren. Das gilt etwa für Markus Baur, seinen langjährigen Mittelmann, oder DHB-Jugendtrainer Christian Schwarzer. Der sagte in Schweden: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heiner hinwirft. Ich kenne ihn als Kämpfer, so will er nicht abtreten. Daher mache ich mir keine Gedanken." Brand kann sich im Grunde nur selbst entlassen. Seine Entscheidung steht diesbezüglich noch aus.

Handball Strafe Kroatien

Quelle: imago sportfotodienst

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Auswechseln - wie die kleinen Kinder

Sie gilt als einfachste von allen: die Auswechselregel. Ein Spieler darf erst das Feld betreten, wenn sein Teamkollege den Platz verlassen hat. Ansonsten folgt eine Zweiminutenstrafe (wie im Bild), das bringen bereits Nachwuchstrainer ihren D-Jugendlichen bei. Eine Kinderregel, einfach zu befolgen, klar formuliert. Im Handball, wo das Spiel schnell und das Feld klein ist, ist das nötig.

Nicht so bei dieser WM. Gleich mehrere Spieler wurden im Turnierverlauf dabei ertappt, wie sie das Spielfeld zu früh betraten - und reihenweise wieder vom Platz geschickt. Das passierte dem Deutschen Lars Kaufmann gegen Spanien, was besonders ärgerlich war, da diese Tölpelei seine dritte Zeitstrafe war (Kaufmann sah folglich Rot). Aber auch Sebastian Preis gegen Argentinien, einem weiteren deutschen Spieler gegen Ungarn. Auch die Spanier erwischte es im Spiel um Platz drei. Das passiert in dieser Häufigkeit nicht mal einer betrunkenen Kreisligamannschaft am Sonntagmorgen.

Germany v Argentina - Men's Handball World Championship

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Die Kleinen wachsen langsam

Ganz kurz schaute die Handballwelt auf. Da schlug Argentinien (links im Bild Augustin Vidal), das im Handball eher kleine Land aus Südamerika, in der Vorrunde die ruhmreichen Schweden. Nicht knapp, sondern hochverdient. Da dachten alle, der Zeitpunkt sei gekommen: Aus Kleinen werden Große.

Vor allem den Argentiniern, die ausländische Trainer ins Land holten, um sich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, traute man diesen Schritt zu. Nicht zur Weltmacht, jedoch zumindest zur respektablen Größe, die um die Medaillen mitspielen kann. Dass Argentinien noch nicht so weit ist, zeigte das Team ab der Hauptrunde: drei Spiele, drei teilweise deftige Niederlagen, am Ende sogar gegen Deutschland (35:40 n. V.). Das hatte bei dieser WM tatsächlich etwas zu bedeuten.

© sueddeutsche.de/ebc/hum
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