Handball-WM der Frauen:Ab jetzt kein Videobeweis mehr!

Handball-WM der Frauen: Ungarns Szollosi-Zacsik (r.) beim Wurf im Spiel gegen Tunesien: Ob ein Ball im Tor war, wird zukünftig nicht mehr vom Videoschiedsrichter entschieden.

Ungarns Szollosi-Zacsik (r.) beim Wurf im Spiel gegen Tunesien: Ob ein Ball im Tor war, wird zukünftig nicht mehr vom Videoschiedsrichter entschieden.

(Foto: Dresling Jens/AP)

Wieder einmal zeigt sich, wie schwer sich der Sport mit der Umsetzung der Torlinientechnik tut. Bei der Weltmeisterschaft der Frauen in Dänemark wird spontan eine Regel geändert.

Von Ulrich Hartmann

Die südkoreanische Handballerin Hyun-Ji Yoo hat einen recht strammen Wurf. Im Weltmeisterschaftsspiel gegen Frankreich führte dies beim Stande von 6:6 dazu, dass der von ihr geworfene Ball von der Unterkante der Latte auf die Torlinie und wieder hoch sprang, die Latte ein zweites Mal touchierte und nochmals auf die Linie fiel. Tor oder nicht, das wussten die isländischen Schiedsrichter Anton Gylfi Palsson und Jonas Eliasson kaum zu entscheiden. Darum behalfen sie sich bei der Handball-WM der Frauen in Dänemark mit einer Neuerung: Sie riefen den Videoschiedsrichter an. Das hatte ungeahnte Folgen. Nach dem Spiel wurde das Schiedsrichter-Duo von der WM ausgeschlossen und der Videobeweis für den Rest des Turniers abgeschafft.

Handballer nutzen keine Torlinientechnik. Ihr sogenanntes Video-Prüf-System personifiziert ein Offizieller, der sich auf einem Monitor am Spielfeldrand die fragliche Szene noch einmal genau ansieht. So war es problemlos bereits bei der Männer-WM in Katar gemacht worden. Als jetzt im Frauenspiel zwischen Südkorea und Frankreich der dänische Offizielle Bjarne Munk Jensen die kritische Szene am Bildschirm begutachtete, soll ihm nach Angaben des Weltverbands IHF nur der zweite Abpraller von der Latte vorgespielt worden sein. Nach diesem war der Ball auf der Torlinie gelandet. Der Treffer wurde nicht gegeben. Allerdings ergaben spätere Begutachtungen der vollständigen Szene, dass der Ball nach dem ersten Abpraller von der Latte hinter der Torlinie gelandet war. Der Treffer hätte zählen müssen. Das Spiel endete 22:22; das Ergebnis wurde gemäß Reglement nicht korrigiert. Schiedsrichter und Videoschiedsrichter wurden dafür aus dem Wettbewerb genommen.

Fünf neue Regeln sollten eigentlich eingeführt werden

Nahezu alle Spielsportverbände sind auf der Suche nach mehr Gerechtigkeit. Linientechnologie beim Tennis und beim Fußball, Videobeweis beim Hockey - alles hat bislang gut funktioniert. Beim Handball aber tun sie sich mit Veränderungen schwer. Nicht nur im Falle dieses individuellen Versagens bei der Videoüberwachung, sondern auch mit anderen Neuerungen. Fünf weitere neue Regeln über den Videobeweis hinaus hatte der Weltverband bei der Frauen-WM eigentlich einführen wollen, aber alle fünf bereits kurz vor WM-Beginn wieder annulliert. Die Furcht vor zu viel Verwirrung ausgerechnet bei einer WM, die auch über Olympia-Qualifikationen entscheidet, war zu groß.

Mithin lässt sich die Praktikabilität folgender Neuregeln erst nach deren Einführung im Juli 2017 ausprobieren: Erstens: Ein siebter, im Bedarfsfall den Torwart ersetzender Feldspieler muss nicht ein andersfarbiges Trikot tragen, darf dann aber auch nicht mehr den eigenen Kreis betreten. Zweitens: Muss ein Spieler auf dem Feld behandelt werden, darf er die nächsten drei Angriffe seiner Mannschaft nicht mitspielen - dadurch sollen vorgetäuschte Verletzungen zur Spielverzögerung reduziert werden. Drittens: Sobald die Schiedsrichter das Zeichen für Zeitspiel geben, darf die angreifende Mannschaft noch maximal sechs Pässe spielen. Viertens: Begeht ein Abwehrspieler in den letzten 30 Sekunden eine grobe Regelwidrigkeit oder blockiert einen Anwurf oder Freiwurf, erhält er eine rote Karte und die angreifende Mannschaft Siebenmeter - diese Regel wird in der Männer- und Frauen-Bundesliga seit Saisonbeginn bereits umgesetzt. Fünftens: Um nach einer roten Karte zu signalisieren, dass ein Zusatzbericht folgt, der eine Sperre nach sich ziehen kann, zeigen die Schiedsrichter nach der roten noch eine blaue Karte.

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