Handball-WM:"Das ist krachend danebengegangen"

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Die Deutsche Xenia Smits wirft auf das dänische Tor. (Foto: ZB)
  • Dei deutschen Handballerinnen verlieren gegen Dänemark das Achtelfinale der Heim-WM.
  • Nun beginnt die Aufarbeitung. Der Verband hadert mit den Fehlern der Vergangenheit.
  • Die Mission, das Team innerhalb kurzer Zeit fit für die Weltspitze zu machen, ist gescheitert.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Wolfgang Sommerfeld ist ein höflicher Mensch. Wann immer der Sportdirektor des Deutschen Handballbundes (DHB) bei der Weltmeisterschaft zu Gesprächen bereitstand, eröffnete er die Runde mit einem "herzlichen grüß Gott", doch am Montagmorgen nach dem Turnier-Aus der deutschen Frauen war auch Sommerfeld geschafft. Er verzichtete auf die Begrüßung und kam schnell zum Wesentlichen. Das Ziel, eine erfolgreiche WM zu gestalten, sagte Sommerfeld also: "Das ist krachend danebengegangen."

So ein Turnier im eigenen Land kann eine Werbung für den Sport sein, nach dem 17:21 im Achtelfinale gegen Dänemark war es das für die deutschen Frauen auch, nur nicht im positiven Sinne. Das Halbfinale hatte sich der DHB als Ziel vorgenommen, am Sonntagabend sah man das Team von Michael Biegler an den Ambitionen zerbrechen. "Schon gegen Holland haben wir sportlich hinterhergehangen", sagte Biegler und verwies auf das letzte Gruppenspiel, das ebenso in einer Demütigung geendet war wie die Partie gegen Dänemark, "ich habe gehofft, da sind wir schon weiter. Das ernüchtert einen". Kapitänin Anna Loerper wusste genau um den Effekt des Ausscheidens. "Die ganz große Bühne haben wir nun verpasst", sagte sie. Wenn ab Freitag die Finalrunde in Hamburg läuft, die schon längst ausverkauft ist, wird Deutschland nur Zuschauer im eigenen Land sein.

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Es war eine Gesellschaft der Niedergeschlagenen, die sich am Tag nach dem Scheitern im Teamhotel versammelt hatte und Abschied voneinander nahm. "Wir hatten keine angenehme Nacht und haben kaum Schlaf", berichtete Loerper, "nach so einem Spiel ist dein Kopf einfach leer." Die Däninnen sind Bronze-Gewinner von 2013 und doch keine Übermannschaft im Frauenhandball, "da hat uns keiner gegenüber gestanden, den wir nicht auch hätten schlagen können. Das macht die Sache noch ärgerlicher", sagte Biegler. Doch teils unbegreifliche Fehler im Angriff machten einen Spielaufbau für die Deutschen unmöglich, wie schon gegen die Niederlande. Eine richtige Erklärung dafür hatte niemand im Team. Dass der mentale Druck zu hoch gewesen sein könnte, vor 5000 bis 6000 Menschen aufzulaufen statt vor 1000 wie sonst in der Bundesliga, wollte niemand als Grund gelten lassen. "Dafür ist der Teamgeist zu stark bei uns", sagte Rückraumspielerin Xenia Smits. Nur Teamgeist allein wirft aber keine Tore. Was sich trotz diverser Ausfälle und Verletzungssorgen offenbarte: Der Abstand zur Weltspitze ist enorm. Womit man bei DHB-Präsident Andreas Michelmann angelangt, der grundsätzlich wurde, mit Verweis auf seine Amtsvorgänger: "Die Mannschaft konnte in den 20 Monaten nicht komplett ausgleichen, was wir in den 15 Jahren zuvor verbockt haben." Es war ein Eingeständnis riesiger Versäumnisse in der Vergangenheit.

Wer diese WM in Deutschland verfolgte, kam an einer Umschreibung nicht vorbei: 20 Monate arbeitete Biegler mit dem Team zusammen, nicht fast zwei Jahre, das klingt viel zu lang, 20 Monate, wie man sonst nur das Alter von Kleinkindern beschreibt. Ob er das Amt übernehmen soll, hatte er sich lange überlegt, zwar ist der 56-Jährige fast 30 Jahre Trainer, aber die Station beim DHB war seine erste im Frauenbereich. Und der Auftrag, einen Medaillenkandidaten aus den deutschen Frauen bis zu dieser WM zu formen, war schon damals ein hochgestecktes Ziel. 2007 hatte man zuletzt Bronze bei einer WM geholt. Biegler fing an, mit Sommerfeld durch die Liga zu tingeln, redete mit Klubverantwortlichen seiner Nationalspielerinnen, warb für ein besseres Athletiktraining und die Freistellung der Spielerinnen für Länderspiele. "Da haben wir auch Zeit verloren, um die Sachen umzusetzen", ärgerte sich Biegler nun, so manche Skepsis muss man in den Vereinen erst überwinden, "vieles konnte man in dieser Zeit nur anstoßen".

Eine Eliteförderung, wie es sie bei den Männern schon gibt, entstand erst in dieser Zeit, auch das Planen von dualen Karrieren, das Spielerinnen eher mal eine Freistellung von der Uni oder dem Arbeitgeber ermöglicht, viele haben Teilzeitjobs neben dem Handballerinnenleben. "Nicht hinter jeder Handlung, die man wählt, stehen automatisch Medaillen", sagte DHB-Vorstand Axel Kromer, dem bewusst wurde, dass die Flickarbeiten von Biegler und Sommerfeld kaum dazu dienen konnte, in gerade mal 20 Monaten Nicht-Profis in die Weltspitze zu führen. Die Hoffnung ist nun, dass die geschaffenen Strukturen erhalten bleiben und bessere Voraussetzungen für jüngere Spielerinnen schaffen. Dass in der 19-jährigen Emily Bölk ausgerechnet eine Spielerin als großes Talent gilt, die mit 14 eine Handballakademie in Dänemark besuchte, spricht eher für die Modelle, die im Ausland schon existieren.

Das Gesicht der Mannschaft wird sich in den nächsten Jahren komplett verändern, Biegler übernimmt schon in zwei Wochen beim SC DHfK Leipzig, Sommerfeld scheidet Mitte 2018 aus. Nadja Mansson und Torhüterin Clara Woltering verkündeten bereits ihr Karriereende, mit Kerstin Wohlbold, 33, Katja Kramarczyk, 33, Isabell Klein, 33, und Jenny Karolius, 31, könnten weitere Abschiede anstehen. Loerper hielt sich das offen, sprach aber aus, was für viele von dieser WM bleibt: "Das ist natürlich traurig, auf diese Weise die Karriere zu beenden."

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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