Handball:Wieder mal mit dem letzten Aufgebot

Handball HBL 16/17 - THW Kiel vs. SC Magdeburg

Da humpelt er dahin: Der am rechten Bein verletzte Steffen Weinhold (2. von links) wird von einem Betreuer und zwei Kollegen zur Bank gebracht.

(Foto: Fishing4)

Bundestrainer Dagur Sigurdsson muss auch für die WM in Frankreich auf etliche Stammkräfte verzichten.

Von Joachim Mölter

Wenn die Zahl von verletzten, maladen, müden oder sonst wie angeschlagenen deutschen Handball-Nationalspielern ein beängstigendes Ausmaß erreicht hat, weiß man, dass eine internationale Meisterschaft unmittelbar bevorsteht. Der jüngsten Botschaft vom Syndesmosebandriss im rechten Sprunggelenk von Steffen Weinhold, den er sich am Sonntag im Bundesligaspiel seines THW Kiel gegen den SC Magdeburg (28:24) zugezogen hat und der ihm eine Pause von drei Monaten beschert, folgte an diesem Montag also fast zwangsläufig die Bekanntgabe des vorläufigen Aufgebots für die in einem Monat beginnende Weltmeisterschaft in Frankreich (11. bis 29. Januar 2017).

Obwohl der 30 Jahre alte Weinhold nun bereits das fünfte Mitglied der Europameister-Mannschaft vom Januar 2016 ist, der nicht beim globalen Championat dabei sein kann oder mag, ist es dem Bundestrainer Dagur Sigurdsson erneut gelungen, einen Kreis von insgesamt 28 Kandidaten zu benennen, aus dem er dann bis zum Turnierbeginn 16 WM-Teilnehmer aussuchen kann oder muss, je nachdem, wie man es sehen mag. Der 43 Jahre alte Sigurdsson mag so etwas grundsätzlich positiv sehen. "Wir haben schon häufig mit Verletzungen leben müssen", sagt er, "wir wissen, dass der Kader breit und stark ist. Wichtig ist eine gute Vorbereitung." Der Isländer hat ja vor allen drei bisherigen Turnieren, die er beim Deutschen Handballbund (DHB) verantwortet hat (WM 2015, EM und Olympia 2016), mit Verletzungsmiseren zu tun gehabt, und er hat jedesmal das Beste daraus gemacht.

Vor dem EM-Gewinn in Polen Anfang des Jahres schienen ihm beispielsweise die Rechtsaußen auszugehen, angefangen mit Kapitän Uwe Gensheimer; diesmal sind es eher Rückraumspieler, die fehlen. Der verletzungsanfällige Christian Dissinger (Kiel) hatte schon im Sommer angekündigt, seinem Körper mal Zeit zur Erholung geben zu wollen, der langjährige Regisseur Martin Strobel (Balingen) sowie Kreisläufer Hendrik Pekeler (Rhein-Neckar Löwen) baten aus ähnlichen Gründen prophylaktisch um eine Pause. Tatsächlich verletzt, und zwar an der Schulter, ist der Berliner Rückraumspieler Fabian Wiede, Linkshänder wie Weinhold. Sigurdsson bleibt trotz allem gelassen. "Ich habe immer versucht, einfach trocken die nächste Aufgabe zu machen. Und so bleibt es auch", sagt er vor seinem letzten Turnier in DHB-Diensten, nach dem er als Nationaltrainer zum nächsten Olympia-Gastgeber Japan wechselt.

Für die rechte Rückraumseite berief Sigurdsson nun neben den bereits bei WM 2015 bzw. EM 2016 erprobten Jens Schöngarth (Göppingen) und Kai Häfner (Hannover) den Neuling Nicolai Theilinger, 24, vom Bundesliga-Aufsteiger HC Erlangen in seinen erweiterten Kader sowie überraschend auch einen Weltmeister von 2007, nämlich Holger Glandorf (Flensburg). Der 33-Jährige war vor zwei Jahren bereits aus dem Nationalteam zurückgetreten. "Pekeler und Glandorf sind als Reserve für den Notfall eingeplant, beide haben sich dazu bereit erklärt. Das zeigt Charakter", erklärt der Bundestrainer.

"Das wird sicher eine sehr, sehr schwierige WM", glaubt Bob Hanning, der für den Leistungssport zuständige Vizepräsident des DHB, der einen ähnlichen Coup wie in Polen im Grunde ausschließt: "Aber vielleicht kann man sich mit der ein oder anderen cleveren Variante des Coaches in das Turnier spielen."

In der Vorrundengruppe C in Rouen trifft das DHB-Team auf Ungarn, Kroatien, Weißrussland, Chile und Saudi-Arabien. Die jeweils vier besten Teams aus den vier Sechsergruppen qualifizieren sich für die K.o.-Runde. Dagur Sigurdsson wird sein WM-Aufgebot vom 28. bis 30. Dezember zu einem Kurzlehrgang in Kamen zusammenziehen. Am 3. Januar 2017 folgt in Krefeld ein Test gegen den viermaligen Weltmeister Rumänien, am 9. Januar in Kassel gegen Österreich dann die Generalprobe für die WM.

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