Handball:Tabu-Thema

SG Flensburg-Handewitt - THW Kiel

Kein Alter: Mit 39 Jahren ist Flensburgs Torwart Mattias Andersson (2.v.l.) zum besten Torwart der Liga avanciert.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Vor dem Spitzenspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen wird erstmals über die Form von Mattias Andersson diskutiert. Doch der 39 Jahre alte Torwart, der Beste der Liga, soll zum Titelgaranten für Flensburg werden.

Von Jörg Marwedel, Flensburg/Hamburg

Als die SG Flensburg-Handewitt 2004 zum bisher einzigen Mal deutscher Handball-Meister wurde, war Mattias Andersson, 39, schon drei Jahre lang in der Bundesliga - als zweiter Torwart des THW Kiel. Inzwischen spielt der Schwede seit sechs Jahren für den schleswig-holsteinischen Nachbarn aus Flensburg. Und inzwischen spielt er eine Hauptrolle. Wenn Andersson am Sonntag im vorentscheidenden Spiel gegen den mit einem Punkt führenden Tabellenführer und Titelverteidiger Rhein Neckar Löwen (Anwurf 15 Uhr, live bei Sport1) jene Form abruft, die ihn in den vergangenen Spielzeiten zum besten Keeper der Bundesliga machte, könnte Flensburg zum zweiten Mal Meister werden. Dass Andersson seine Form abruft, das ist in diesen Tagen allerdings nicht selbstverständlich.

Normalerweise kann sich die SG auf ihren Schlussmann verlassen, der zudem im Dänen Kevin Möller noch einen guten Stellvertreter hat. Auch in dieser Saison führt Andersson mit 37,54 Prozent gehaltener Bälle wieder die Rangliste der Bundesliga-Keeper an. Auch deshalb hat der bald 40-Jährige seinen Vertrag noch einmal um ein Jahr bis 2018 verlängert. Doch seit er im Winter entschied, eine weitere Saison dranzuhängen, gab es ein paar negative Ausreißer. Etwa beim Viertelfinal-Aus in der Champions League gegen Vardar Skopje oder im DHB-Pokalfinale gegen den THW Kiel, das die Flensburger auch deshalb mit 23:29 verloren, weil Andersson schwächelte und von seinem THW-Gegenüber Niklas Landin klar ausgestochen wurde.

Kritik an Andersson? Sein Trainer vertraut ihm

Erstmals wurde darüber diskutiert, ob der alte Mann, der in stundenlangen Video-Analysen fast alle Wurfszenarien der wichtigsten Torschützen Europas und Deutschlands studiert hat, wohl doch in die Jahre gekommen sei. Doch er selbst hält dies für ein Tabu-Thema, er reagiert äußerst missmutig auf Kritik. Und sein Trainer Ljubomir Vranjes hat ihm eine Art Freifahrtschein ausgestellt. Ein Torwart brauche absolutes Vertrauen, sagt Vranjes, der 2000 zusammen mit Andersson als Spieler Europameister mit Schweden wurde. Zudem, sagt er, würden Außenstehende den Plan, den er mit seinen Torhütern verfolge, überhaupt nicht kennen. Sicher ist nur, dass Andersson so gern auf der Ersatzbank sitzt wie einst in Kiel der Weltmeister Thierry Omeyer, der ihn damals zur Nummer zwei degradierte - also am liebsten überhaupt nicht.

Das wichtigste, sagt Andersson, das er in sieben Jahren beim THW entwickelt habe, sei der vom damaligen Trainer Zvonimir Serdarusic vermittelte Siegeswille - eine Charaktereigenschaft, ohne die man in Kiel nicht bestehen konnte. Anderssons Siegeswille reichte in Flensburg, um immerhin 2012 den Europapokal der Pokalsieger, 2014 die Champions League und 2015 den DHB-Pokal zu gewinnen. Dazu kamen drei zweite Plätze in der Bundesliga. 2018, wenn er denn dann wirklich aufhört, wie er nun dem Mannheimer Morgen in einem Interview verriet, wird ein Umbruch in Flensburg anstehen: Auch Ersatzmann Kevin Möller wird den Klub dann verlassen, zum FC Barcelona.

Eine kleine Parallele gibt es übrigens bei den Rhein Neckar Löwen: auch dort bewacht in Andreas Palicka ein früherer Ersatz-Torwart des THW Kiel den Kasten zusammen mit seinem schwedischen Landsmann Mikael Apelgren. Palicka, gerade von einem Muskelfaserriss im Oberschenkel genesen, kam beim jüngsten 30:21-Erfolg gegen den TBV Stuttgart erstmals wieder für zehn Minuten auf die Platte. "Seine Rückkehr macht mir große Freude", sagt Löwen-Teammanager Oliver Roggisch. Ein überragender Schlussmann kann am Sonntag über den neuen deutschen Meister entscheiden.

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