Handball-Tabellenführer THW Kiel:Startrekord mit 20:0 Punkten

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Steuert die Handball-Bundesliga auf eine langweilige Saison zu? Auch die Füchse Berlin schaffen es nicht, den Tabellenführer THW Kiel zu bezwingen. Der baut damit seinen imposanten Startrekord aus - die Kieler beschäftigen sich sogar mit der Frage, ob es überhaupt einen Gegner gibt, der sie bezwingen könnte.

Carsten Eberts

Fast wäre der neue Startrekord doch noch verhindert worden. Sekunden vor Schluss hatte Füchse-Torhüter Silvio Heinevetter gegen Filip Jicha pariert, nur ein Tor betrug der Rückstand der Füchse Berlin zu diesem Zeitpunkt auf den THW Kiel. Also schleuderte Heinevetter den Ball nach vorne, jedoch ungenau auf seinen Teamkollegen Sven-Sören Christophersen. Der erreichte das Spielgerät zwar, rutschte mit ihm jedoch ins Aus. Kiel bekam den Ball zugesprochen, das Spiel war vorbei - und der Startrekord ausgebaut.

Überragend in Berlin: der Kieler Daniel Narcisse. (Foto: dpa)

Die ersten zehn Saisonspiele hat der Rekordmeister aus Kiel damit gewonnen - 20:0 Punkte nach einem Drittel der Saison sind eine höchst eindrucksvolle Bilanz. "Es war ein hochverdienter Sieg", erklärte Trainer Alfred Gislason, "ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft und bin stolz auf sie."

Der Auswärtssieg in Berlin geriet am Ende knapp mit 33:32 (17:17) jedoch unnötig knapp: Zwölf Minuten vor Schluss betrug der Vorsprung des THW bereits fünf Tore, ehe die Füchse noch mal herankamen. "Wir haben eine Menge verschossen", erklärte Gislason, "wir hätten drei bis vier Tore mehr verdient gehabt."

Für die Handball-Bundesliga bedeutet der Kieler Erfolg die endgültige Gewissheit, wer in diesem Jahr der erste Meisterschaftsanwärter ist. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt beträgt der Vorsprung des THW auf Meister HSV Hamburg vier Punkte, sogar fünf Punkte auf die Füchse. Das mag im Fußball ein aufholbarer Vorsprung sein - im Handball jedoch, wo die Topteams im Verlauf einer Saison viel weniger Punkte lassen, ist es fast eine Vorentscheidung.

Hinzu kommt, dass es um die direkte Konkurrenz nicht sonderlich gut bestellt ist. Den HSV Hamburg, im vergangenen Jahr noch erstmals Meister, plagen große Verletzungssorgen. Die Rhein-Neckar Löwen befinden sich wieder mal im Umbruch und dürften wieder nicht die nötige Konstanz aufbringen, um ganz oben mitzuspielen. Bleibt Berlin, das seinen Aufstieg zur europäischen Spitzenmannschaft zwar eindeutig fortsetzt - doch auch die Füchse schafften es am Sonntagabend nicht, die Kieler aufzuhalten. So läuft alles auf den THW hinaus.

Was Kiel in diesem Jahr so stark macht, war bereits zum Saisonstart beim Supercup in Hamburg zu sehen. Die Mannschaft agiert im Vergleich zur Vorsaison nahezu verletzungsfrei, hat mit Filip Jicha und Aaron Palmarsson zwei alles überragende Offensivakteure in seinen Reihen. Zudem profitiert Kiel extrem von zwei Rückkehrern: Der Schwede Kim Andersson und der Franzose Daniel Narcisse, die in der vergangenen Spielzeit lange ausfielen, verleihen dem Spiel des THW eindeutig Stabilität.

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In Berlin war Narcisse der offensiv überragende Mann, am Ende hatte er neun Tore erzielt. "Wenn ich einen Spieler herausheben muss, dann Daniel Narcisse", sagte Trainer Gislason: "Er hat sowohl im Angriff als auch in der Abwehr überragend gespielt." Gislason zog sogar einen historischen Vergleich: "Damals im Champions-League-Endspiel gegen Barcelona hatte er in der zweiten Halbzeit so gut gespielt." Diesmal, so Gislason, gelang Narcisse diese Leistung über 60 Minuten.

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Auch Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson verneigte sich vor der Leistung des lange verletzten Franzosen. "Im Grunde haben wir Narcisse nie im Griff gehabt", sagte der Isländer: "Wir mussten unser Abwehrsystem wechseln, und das hat uns Probleme bereitet."

Die Kieler sehen bei sich sogar noch Verbessungspotential. Nicht nur Trainer Gislason, der die zeitweise schwache Wurfquote seiner Mannschaft bemängelte. Auch Nationalspieler Dominik Klein kritisierte: "Wir sind noch nicht in der Lage, 60 Minuten auf einem konstant hohen Niveau zu spielen. Aber die Phasen werden immer länger, heute waren es schon so um die 45." Wie stark sollen die Kieler erst sein, wenn sie mit sich selbst zufrieden sind?

Natürlich kommen auf den THW Kiel in dieser Saison noch knifflige Aufgaben zu - nicht nur in der Champions League, die Kiel endlich wieder gewinnen will, sondern auch in der Liga. Mitte Dezember reist Meister Hamburg nach Kiel, der sich bis dahin womöglich personell ein wenig erholt hat. Auch Berlin dürfte bis zum Rückspiel noch gefestigter daher kommen. Dass dieser THW Kiel jedoch wie in der vergangenen Saison unerwartet schwächelt und gegen kleinere Teams wie Gummersbach oder Großwallstadt Punkte lässt - man kann es sich nicht vorstellen.

Ein ziemlich kühnes Gedankenspiel ist deshalb nicht ausgeschlossen: Dass der THW tatsächlich Meister werden könnte, ohne ein Spiel zu verlieren. Auch Dominik Klein äußerte sich nicht abgeneigt. Eine Saison ohne Niederlage? "Ich sage nicht nein", erklärte Klein: "Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das ist unsere Aufgabe." Auch ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein gehörte schon immer zu den großen Stärken des THW Kiel.

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