Handball:List ohne Lust

10 12 2016 Handball 1 Bundesliga DKB HBL Saison 2016 2017 15 Spieltag HC Erlangen HCE H

Selten glanzvoll, immer leidenschaftlich: Erlangens Nicolai Theilinger nimmt es mit den Coburgern Sebastian Weber (Mitte) und Philipp Barsties auf.

(Foto: imago/Zink)

Beim ersten Bundesliga-Derby gegen Coburg klappt bei Erlangen nicht alles - dass es zu einem 26:24 reicht, zeigt, dass der HC sich höheren Zielen widmen kann.

Von Ralf Tögel

Es gab kein Entrinnen. Die Aufzugtür war zu. Nun musste Jan Gorr auf dem Weg zur Pressekonferenz in der Nürnberger Arena auch noch das Mitleid des Kollegen über sich ergehen lassen. Gorr ist Trainer der Coburger Handballer, er hatte gerade eine knappe und unglückliche 24:26-Niederlage miterleben müssen. In einem, Vorsicht: historischen Derby. In der Bundesliga hatte es den Vergleich zwischen Erlangen und Coburg noch nie gegeben, das letzte bayerische Kräftemessen auf dieser Ebene fand vor 23 Jahren statt, ein bisschen Pathos war also durchaus angemessen. Nun stand Gorr der Kollege Robert Andersson gegenüber, Luftlinie 30 Zentimeter, und sagte: "Ihr habt gut gespielt, es hat nicht viel gefehlt. Ich glaube, ihr holt noch die nötigen Punkte." Was man halt so sagt zum Verlierer in so einem Moment. Immerhin gelang es Andersson recht gut, seine Freude im Zaum zu halten. Dem freundlichen Schweden darf man durchaus unterstellen, dass er das Lob ernst gemeint hatte. Ob es geholfen hat, den Gemütszustand des Kollegen aufzuhellen, ist aber fraglich.

Denn der HSC Coburg bleibt Vorletzter. Da außer Minden die direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt ebenfalls keine Punkte geholt haben, hat sich die Situation nicht weiter verschärft. Zwei Punkte beträgt der Rückstand, das ist keinesfalls aussichtslos. Wie schon in der Mehrzahl der bislang absolvierten 14 Partien waren die Coburger absolut konkurrenzfähig, trafen in den entscheidenden Situationen aber die falschen Entscheidungen oder machten leichte Fehler. "Ich habe so keine Lust mehr", sagte Spielmacher Adnan Harmandic direkt nach dem Schlusspfiff im Kabinengang, ihm ging die neuerliche knappe Niederlage sichtbar nahe. Ursachen konnte er auch nicht nennen: Kopfsache? Mangelnde Erfahrung auf diesem Niveau? "Was weiß ich", sagte der Bosnier genervt, "wir verlieren 90 Prozent unserer Spiele auf die gleiche Weise." Der 33-Jährige hat sicherlich genügend Erfahrung, er spielte jahrelang in der Nationalmannschaft, kam vom Erstligisten Wetzlar zu den Oberfranken. Coburgs Spielmacher war es auch, der mit seinem listigen Aktionen die Gäste im Spiel hielt, entweder setzte er Kreisläufer Sebastian Weber ein (fünf Tore), vollendete selbst (zwei) oder brachte Rückraumwerfer Romas Kirveliavicius (sechs) in Position. Allein es war umsonst, denn immer wenn sich die Gäste herangekämpft hatten, beendeten sie ihren Lauf mit leichten Fehlern oder schwachen Würfe meist selbst. Vor allem beim Stand von 18:19 versäumten es die Coburger mehrfach, den Ausgleich zu erzielen. "Vielleicht wäre das Spiel dann gekippt", merkte Trainer Gorr nicht zu Unrecht an. So blieb es bei dem alt bekannten Muster: Coburg war nah dran, vermasselte sich aber vornehmlich selbst einen besseren Ertrag.

Es war ein leidenschaftliches Derby, das 8108 Zuschauer in der restlos ausverkauften Nürnberger Arena sehen wollten. Kein handballerischer Leckerbissen zwar, aber ein spannungsgeladener Schlagabtausch vor einer prächtigen Kulisse. Im Vorfeld waren beide Vereine bemüht, die Emotionen im Zaum zu halten, dennoch hatte es ein paar Nickeligkeiten gegeben. Etwa, dass den 500 Coburger Fans untersagt worden war, gelbe Fähnchen in die Halle mitzunehmen, oder dass Erlangen Tickets aus dem Gäste-Kontingent nicht zurücknehmen wollte. Ursache ist aus Erlanger Sicht das Zweitligaspiel vor einem Jahr an selber Stelle, als ein Coburger Anhänger eine Rauchbombe in den Erlanger Block geworfen und eine Zuschauerin verletzt hatte. HSC-Vorstandssprecher Stefan Apfel wollte all dies als handelsübliches Derby-Geklapper durchgehen lassen, den Hinweis des Hallensprechers auf finanzielle Probleme allerdings gelte es "noch aufzuarbeiten". Die Coburger haben wegen einer vom Finanzamt beanstandeten Betriebsspaltung eine nicht unerhebliche sechsstellige Summe nachzuzahlen. Der Vorfall datiert laut Apfel aber aus dem Jahr 2012, die Profi-Gesellschaft ist längst umgewandelt, die Schuld wird seither mittels eines Kredits und Stundung laufend beglichen, was auch in den aktuellen Etat eingerechnet sei. Immerhin: Unter dem Strich griffen die verschärften Sicherheitsmaßnahmen, es war der erwartet hoch emotionale Vergleich der beiden bayerischen Topteams, der Mittelfranken gegen die Oberfranken, es blieb aber friedlich.

Die Erlanger erbrachten dabei erneut den Beweis, dass sie in dieser Saison höher einzuordnen sind. "Gegen einen Mitaufsteiger musst du zu Hause gewinnen", brachte es HCE-Toptorschütze Ole Rahmel (acht) auf eine einfache Formel, "sonst hältst du die Klasse nicht." Trainer Andersson war nicht entgangen, dass die Seinen kein Glanzstück abgeliefert hatten, "es hat nicht alles zu 100 Prozent geklappt", der Sieg mache ihn daher "umso stolzer". Neben Rahmel war es vor allem Routinier Martin Stranovsky, der mit sieben Treffern herausstach. Es war nicht zu übersehen, dass die Erlanger einen Schritt weiter sind als der bayrische Konkurrent, der Klassenerhalt ist zwar oberstes Ziel, doch längst feilt Geschäftsführer Rene Selke hinter den Kulissen an der nächsten Stufe. In Andreas Schröder aus Gummersbach wurde bereits ein umworbener Spieler als erster Zugang verpflichtet, die Verhandlungen mit den Akteuren im Kader, deren Verträge auslaufen, sind im Gange. Und diese sind begehrt, allen voran Rahmel: "Der HCE ist immer mein erster Ansprechpartner", merkte der Linkshänder an, weiterführende Nachfragen grinste er weg. Wie Pavel Horak, auch Stranovsky wollte nichts Definitives beitragen. Im HC Erlangen gibt es wieder eine bayerische Mannschaft, die sich nachhaltig auf dieser exponierten Bühne verankern kann. Sonst wären Spieler wie Weltmeister Michael Haaß aus Magdeburg oder Isaias Guardiola aus Veszprem nicht an die Regnitz gekommen.

Eine Entwicklung, die auch dem Konkurrenten aus Coburg gefallen würde. Der Freistaat könnte zwei Vereine von diesem Zuschnitt vertragen.

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