So wie sich Dagur Sigurdsson am Montag davongeschlichen hat nach dem abrupten WM-Aus der deutschen Handballer im Achtelfinale gegen Katar (20:21), weitgehend unbeachtet im Morgengrauen durch die Tür eines Pariser Hotels, so wollen sie ihn ja doch nicht gehen lassen beim Deutschen Handballbund (DHB). Der nach Japan wechselnde Bundestrainer soll für seine Aufbauarbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren gebührend gewürdigt und verabschiedet werden, und der Plan ist, das beim traditionellen All-Star-Spiel zwischen deutschem Nationalteam und einer internationalen Auswahl von Bundesliga-Profis zu tun. Das findet am 3. Februar in Leipzig statt, bei der Gelegenheit und an diesem Ort könnte man doch auch gleich seinen Nachfolger präsentieren. Oder nicht?
Weltmeister Glandorf gibt seinen endgültigen Rücktritt bekannt
Alle paar Tage ist jüngst die Verpflichtung des Leipziger Trainers Christian Prokop als fix gemeldet worden, zuletzt an diesem Dienstag von der Sport Bild. Und stets haben der Klub des 38-Jährigen, der Bundesligist SC DHfK, sowie die DHB-Verantwortlichen das dementiert. So auch diesmal. "Wir haben uns alle geeinigt, keine Wasserstandsmeldungen abzugeben", sagte Leipzigs Geschäftsführer Karsten Günther der Agentur dpa, ließ aber durchblicken, dass verhandelt wird: "Wir sind weiter in Gesprächen, es ist alles noch offen."
Nur wenige Wochen, bevor Sigurdsson im Herbst seinen Abschied vom DHB ankündigte, hatte Christian Prokop seinen Vertrag beim SC DHfK Leipzig bis 2021 verlängert - ohne Ausstiegsklausel, das macht die Verhandlungen über eine Freigabe nun kompliziert. Die Leipziger wollen ihren Coach höchst ungern gehen lassen, von Ablöseforderungen in Höhe von einer halben Million Euro war die Rede, was natürlich ebenfalls umgehend dementiert wurde. Nun entwarf die Sport Bild ein neues Szenario, das der ehemalige Nationalspieler Stefan Kretzschmar in seiner Funktion als Leipziger Aufsichtsrat zumindest als "vorstellbar" bezeichnete.
Demnach soll Prokop zum 1. April Bundestrainer werden, seine Bundesliga-Mannschaft aber noch bis zum Saisonende im Juni betreuen; anschließend übernehme der aktuelle Frauen-Bundestrainer Michael Biegler in Leipzig, bis zum Ende der in Deutschland stattfindenden Frauen-WM im Dezember ebenfalls in einer Doppelfunktion. Für den Fall, dass dieses Tauschgeschäft nicht zustande käme, hat der DHB noch Markus Baur in der Hinterhand, den Spielmacher der Weltmeister-Mannschaft von 2007 und aktuellen Coach des Bundesligisten TVB Stuttgart.
Der für den Leistungssport zuständige DHB-Vizepräsident Bob Hanning hatte während der WM in Frankreich gesagt, er wolle sich in dieser Frage nicht unter Zeitdruck setzen lassen, ungeachtet der im Mai und Juni anstehenden EM-Qualifikationsspiele gegen Slowenien, Portugal und die Schweiz: "Zum 1. Juli werden wir einen Bundestrainer haben", hatte er während der Vorrunde in Rouen versprochen. Am Montagabend sagte er dem TV-Sender "Sky Sport News HD", dass es "nicht mehr ganz so lange dauern" wird.
Unabhängig davon, wer neuer Bundestrainer wird, hat Holger Glandorf seinen endgültigen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekräftigt. Der 33 Jahre alte Linkshänder, Weltmeister 2007, hatte zweieinhalb Jahre nach seinem ersten Rücktritt ein Kurz-Comeback gegeben, weil die Halbrechten Steffen Weinhold und Fabian Wiede wegen Verletzungen für die WM ausgefallen waren und Sigurdsson auf dieser Position nur noch Kai Häfner zur Verfügung gestanden hätte. Der Tageszeitung Flensborg Avis sagte der Profi von Bundesliga-Tabellenführer SG Flensburg nach seinem 170. Länderspiel: "Jetzt ist das Kapitel Nationalmannschaft abgeschlossen. Ich werde unter einem neuen Trainer nicht mehr spielen."