Handball:Jenseits vom Staatsvertrag

Germany v Romania - International Handball Friendly

Wird bei der WM in einer Hauptrolle im deutschen Team erwartet: Linkshänder Kai Häfner aus Hannover.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Die mediale Debatte nach dem Bildrechte-Entscheid zur Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich gewinnt weiter an Brisanz.

Von Ulrich Hartmann

Bereits um Weihnachten herum wusste Björn Beinhauer, dass die Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich auch in Deutschland live zu sehen sein würde. Der Geschäftsführer der Internet-Plattform "sportdeutschland.tv" wusste bloß noch nicht wo. Um Weihnachten herum hat seine Gesellschaft eine Absage aus London erhalten. In knappen Sätzen unterrichtete die Agentur "Pitch International" die Kölner, dass man ihnen das Übertragungsrecht für den deutschen Raum nicht zuteilen könne - keine Erklärung warum, keine Erklärung, wer stattdessen den Zuschlag bekommt.

Erst zu Beginn der vergangenen Woche sickerte in der Branche das Gerücht durch, dass die Deutsche Kredit-Bank (DKB) 50 WM-Spiele auf einer eigens eingerichteten Internetseite streamen werde. "Die DKB rettet den deutschen Handball", jubelte via Medien am Donnerstag Bob Hanning. Hanning ist Vizepräsident des Deutschen Handball-Bunds und Manager des Bundesligaklubs Füchse Berlin. Die DKB ist Namenssponsor der Handball-Bundesliga und Premiumsponsor der deutschen Nationalmannschaft. Ihre überraschende Rolle als Handball-Retter nennt man einen Marketing-Scoop.

Nun herrschen Erleichterung und Empörung zugleich. Erleichterung, dass in Deutschland überhaupt Live-Bilder von deutschen WM-Spielen zu sehen sind, und Empörung, dass die Spiele des amtierenden Europameisters ausgerechnet in dessen Heimatmarkt im Internet verschwinden. Und schon beginnt in der frustrierten Branche eine verzweifelte Debatte, eine Handball-WM möge doch als relevantes Großereignis in den Paragrafen 4 des Rundfunkstaatsvertrags aufgenommen werden. In diesem ("Übertragung von Großereignissen") wird "die Ausstrahlung im Fernsehen von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung (. . .) in einem frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik Deutschland" geregelt.

Was da "von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ist, wird dezidiert aufgereiht: Olympische Sommer- und Winterspiele; Fußball-EM- und WM-Spiele mit deutscher Beteiligung sowie Eröffnungsspiel, Halbfinals und Endspiel; sowieso alle Spiele der Fußball-Nationalmannschaft; überdies Halbfinale und Endspiel im DFB-Pokal sowie die Endspiele im Fußball-Europapokal bei deutscher Beteiligung.

Es geht hier vor allem um Fußball. Vom Handball ist keine Rede. Deshalb gibt es momentan auch keine rechtliche Grundlage für obligatorische Übertragungen von einer Handball-WM. Das wirkte auch ziemlich willkürlich, wenn man bedenkt, dass die deutschen Handballer die WM 2015 eigentlich verpasst hatten und nur mit einer Wildcard teilnehmen durften.

Die Bundesligen und Sportverbände jedenfalls, deren Vermarktungsmöglichkeiten durch neue Internet-Übertragungsformen steigen, müssen sich auf solche Bedingungen noch einrichten. Der Handball-Bundesliga-Chef Uwe Schwenker sagte der Bild am Sonntag: "Es kommt darauf an, dass bei künftigen Vergaben von TV-Rechten nicht nur der schnöde Mammon im Vordergrund steht - der Verband sägt sich sonst den Ast ab, auf dem er sitzt."

Von solchen Überlegungen unbeeindruckt, absolvieren die deutschen Handballer an diesem Montag in Kassel ihren finalen WM-Test gegen Österreich (19 Uhr, live und unverschlüsselt bei Sky). Am Mittwoch reist die deutsche Mannschaft mit dem Bus wegen der Witterung einen Tag früher als geplant ins französische Städtchen Rouen, in dem am Freitagnachmittag gegen Ungarn ihr erstes WM-Spiel angepfiffen wird.

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