Handball-Erstligist TV Großwallstadt:Alarmglocken in der obersten Etage

Handball-Erstligist TV Großwallstadt: Gefordert wie noch nie: Joakim Larsson (vorne) und der TV Großwallstadt.

Gefordert wie noch nie: Joakim Larsson (vorne) und der TV Großwallstadt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der TV Großwallstadt gehört zu den Gründungsmitgliedern der Handball-Bundesliga. Nun ist der einzige bayerische Vertreter auf dem letzten Tabellenplatz angelangt. Das Kellerduell gegen Gummersbach ist die letzte Chance, eine missratene Saison noch in bessere Bahnen zu lenken.

Von Carsten Eberts

Tabellenletzter war Sverre Jakobsson, 36, noch nie. Nicht auf Island, nicht mit dem Nationalteam, auch mit keinem seiner Klubs in Deutschland. Jakobsson will den Gedanken am liebsten weit weg schieben. "Wir dürfen uns mit dem Blick auf die Tabelle nicht kaputt machen", sagt der Kapitän des TV Großwallstadt.

Bayerns einziger Handball-Bundesligist ist am Wochenende auf den letzten Platz abgerutscht. Auch die letzten Optimisten wissen jetzt, dass der Abstieg ein denkbares Szenario ist. Es wäre der erste Abstieg in der Vereinsgeschichte.

Weg ist Großwallstadt noch nicht, zuvor kommen wichtige Partien auf die Mainfranken zu. Die wichtigste ist wohl die am Dienstagabend gegen den VfL Gummersbach (20.15 Uhr, Frankenstolz-Arena). Weit über hundert Mal spielten die beiden Gründungsmitglieder der eingleisigen Bundesliga gegeneinander. Lange ging es um Meisterschaften, später war ehrfürchtig vom "Duell der Altmeister" die Rede. 2013 stecken beide im Abstiegskampf. Einen von beiden dürfte es erwischen. Es sieht eher nach Großwallstadt aus.

"Dieses Spiel ist schon unsere letzte Chance", glaubt deshalb Jakobsson. Der Isländer ist seit 2009 beim TVG, wurde zum Mannschaftskapitän ernannt. Er hat den Niedergang des Klubs in den vergangenen Jahren miterlebt. Jakobsson sagt: "Wir können keine Termine mehr verschieben. Die Punkte müssen jetzt her. Nix anderes."

Es sind nur vier Zähler, die den TVG vom ersten Nichtabstiegsplatz trennen. Das klingt machbar. Das Momentum spricht trotzdem nicht gerade für Großwallstadt: Kümmerliche zwei Punkte holte der Klub in der Rückrunde, seit fünf Spielen wartet die Mannschaft von Trainer Peter David auf einen Sieg. Indes beginnt die Konkurrenz zu punkten: Tusem Essen war schon weit abgeschlagen und galt als sicherer Absteiger. Zuletzt holte der Klub mit neuem Trainer überraschend drei Siege in vier Partien. Und überholte damit den TVG.

Kurt Klühspies sorgt sich

Auch Großwallstadt hatte es in der Winterpause mit frischem Personal versucht, mit weniger Erfolg. Der glücklose Trainer David durfte zwar bleiben, ihm wurde jedoch in Sportdirektor Peter Meisinger eine altehrwürdige Figur des Vereins an die Seite gestellt. Mit Meisinger als Trainer wurde der TVG 1990 zum bislang letzten Mal deutscher Meister, der 58-Jährige sollte das Team mit seiner Erfahrung aufrütteln.

Zu Meisingers Comeback gab es zwei Punkte gegen Wetzlar, seitdem geht der TVG leer aus. "Wir haben enorme Schwankungen", kritisiert Meisinger vor dem Spiel gegen Gummersbach, "wir haben gute Phasen, brechen dann aber immer wieder ein." Auch für Meisinger ist die Zeit der Ausreden vorüber: "Die Alarmglocken schrillen in der obersten Etage."

An einem normalen Tag sollte Gummersbach für Großwallstadt schlagbar sein, doch das Hinspiel war eine traurige Geschichte: Der TVG lag mit einem Tor zurück, hatte den letzten Angriff, brachte den Ball aber nicht im Tor unter. Wie so oft in dieser Saison. Überhaupt liegt das Problem im Angriff: Die Defensive um Abwehrchef Jakobsson steht passabel, hat weit weniger Treffer zugelassen (702) als alle anderen Abstiegskandidaten. Vorne jedoch präsentiert sich die aktuelle Angreifergeneration viel zu selten bundesligatauglich.

In der vorigen Woche saß die Vereinslegende Kurt Klühspies in der BR-Sendung Blickpunkt Sport. Auch Klühspies hat den TVG noch nie in einer solchen Verfassung erlebt. "Es hat sich in den letzten zwei Jahren abgezeichnet, dass wir uns im unteren Drittel festsetzen", analysierte der Weltmeister von 1978: "Dann fehlte uns das Geld, um zwei, drei Spieler zu holen, mit denen wir die Klasse sicher halten."

Als der Klub zuletzt 1993 am Abgrund stand, sprang Klühspies noch einmal ein. Als der damals 41-Jährige mit auflief, wurden bei manchem Mitspieler verborgene Kräfte frei. Großwallstadt gewann das entscheidende Spiel gegen Flensburg, Klühspies warf ein Tor, der TVG hielt die Klasse. Diesmal kann Kurt Klühspies nicht mehr helfen. Er wurde neulich 61 Jahre alt.

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