Handball-EM:Die an das Unmögliche glauben

Praktisch alle bekannten deutschen Handballer sind verletzt. Dennoch steht die Nationalmannschaft bei der EM im Finale. Wer sind die neuen Spieler?

Von Saskia Aleythe

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Tor: Andreas Wolff

Germany v Slovenia - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: November 2013

Im Team weil: Bundestrainer Dagur Sigurdsson ein Mann ist, der Formkurven höher wertet als Verdienste. Silvio Heinevetter, 31, gehörte eigentlich so fest ins deutsche Team wie das Harz am Handball klebt. Aber seine Schwächephasen in dieser Saison konnte Sigurdsson, der Heinevetters Vereinstrainer bei den Füchsen Berlin war, nicht schönreden: Er holte stattdessen diesen Andreas Wolff, der mit 24 Jahren deutlich mehr Karriere vor als hinter sich hat. Er spielt auch bei der HSG Wetzlar so groß auf, dass er im Sommer zum großen THW Kiel, dem FC Bayern des Handballs, wechseln darf. Wolff schafft es trotz ruhigem Gemüt, dass die Angreifer vor ihm Respekt haben. Und beißt gerne in den Pullover, wenn er sich über eigene Patzer ärgert. Ehrgeiz sei Dank.

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Tor: Carsten Lichtlein

Germany v Russia - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: November 2001

Im Team, weil: Niemand so sehr Profisportler ist wie Carsten Lichtlein. Feiert bald 15-jähriges Dienstjubiläum im Nationaltrikot, hat davon viele Turniere als dritter Torwart auf der Bank, hinter der Bank oder daheim verbracht. Gab nie einen Mucks der Beschwerde von sich, feuerte stattdessen die Kollegen unermüdlich an und hielt die Bälle, wenn er die Chance dazu bekam. So auch in Polen: Der 35-Jährige ist der Top-Joker der EM. Kommt er zu Strafwürfen ins Tor, steht die Chance auf einen gehaltenen Ball bei 50 Prozent.

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Rückraum: Martin Strobel

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Quelle: AFP

In der Nationalmannschaft seit: April 2007

Im Team weil: Seine Erfahrung als Spielgestalter immens wichtig ist. Ist nach dem Ausfall von Steffen Weinhold und Christian Dissinger gefragter als zuvor und bestens gewappnet: Strobel kennt sich mit Krisen aus. Kämpft mit seinem Heimklub Balingen-Weilstätten schließlich beständig um den Klassenerhalt. Nutzte das Halbfinale gegen Norwegen für ein paar feine Aktionen.

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Rückraum: Julius Kühn

Germany v Switzerland - Handball International Friendly

Quelle: Deniz Calagan/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: September 2014

Im Team weil: Er nach dem Ausfall von Christian Dissinger nachnominiert wurde. Ist mit 1,98 Metern nur vier Zentimeter kleiner als der Kieler, aber mit 22 Jahren genau wie Dissinger noch ganz am Anfang seiner Karriere. Landete bei der U19-WM 2011 in den Top Ten der besten Torschützen. Weiß also, wie Tore werfen grundsätzlich funktioniert. Nutzte seine frischen Beine im Halbfinale gegen Norwegen gewinnbringend und traf auch noch fünf Mal.

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Rückraum: Kai Häfner

Germany v Iceland - International Handball Friendly

Quelle: Stuart Franklin/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: April 2010

Im Team weil: Nach Michael Müller vor der EM nun auch Steffen Weinhold während der EM ausgefallen ist, was Häfner die Nachnominierung von Sigurdsson einbrachte. Erst am Montag ist er zu der Mannschaft gestoßen. Der 26-Jährige kommt auf 23 Länderspiele innerhalb von sechs Jahren: Seine Position ist zugegebenermaßen ziemlich überlaufen. Aber in dieser Saison ist Häfner in Top-Form: 112 Tore hat er für Hannover-Burgdorf schon geschossen. Mehr als jeder andere aus Sigurdssons Team. Erzielte gegen Norwegen das Siegtor in der Verlängerung.

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Rückraum: Steffen Fäth

EHF European Men's Handball Championship 2016

Quelle: Maciej Kulczynski/dpa

In der Nationalmannschaft seit: April 2010

Im Team weil: Der zweimalige Welthandballer Ivano Balic über ihn sagt: "Steffen gehört die Zukunft im deutschen Rückraum." In Wetzlar spielten die beiden zwei Jahre zusammen, längst hat Fäth auch Trainer Sigurdsson überzeugt: Im Sommer wechselt er zu seinem Klub nach Berlin. Profitiert vom Ausfall von Paul Drux, dem auch die Zukunft im deutschen Rückraum gehört. Weiß das zu nutzen, spielt eine ganz starke EM: Mal als Spielgestalter im zentralen Rückraum, mal als Torschütze weiter links.

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Rückraum: Finn Lemke

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Quelle: Janek Skarzynski/AFP

In der Nationalmannschaft seit: Januar 2014

Im Team weil: Er die Hallendecke mit den Händen berühren könnte. Gut, so extrem ist es nicht, aber mit seinen 2,10 Meter ist er zusammen mit dem Kroaten Marko Kopljar der größte Spieler bei dieser EM - und ein ziemlicher Turm in der Abwehr. Hat größten Anteil daran, dass Gegner der deutschen Abwehr keine Lust mehr aufs Angreifen haben. Bundestrainer Sigurdsson sagt: "Finn ist einer der Schlüsselspieler für unseren Erfolg."

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Rückraum: Fabian Wiede

Germany v Hungary - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: April 2013

Im Team weil: Er das Selbstbewusstsein eines Arjen Robben mitbringt. Sprach als einer der ersten vom Halbfinal-Einzug als großes Ziel bei dieser EM. Hatte hinter Steffen Weinhold eigentlich nur Aushilfs-Status, durch den Ausfall des Kielers ist der 21-Jährige nun besonders gefragt. Wurde gegen Ungarn bester Torschütze mit sechs Treffern. Hätte den Russen in den letzten Sekunden durch einen leichtfertigen Fehler aber beinahe ein Remis geschenkt. Machte mit einem starken Auftritt gegen Dänemark alles wieder gut.

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Rückraum: Simon Ernst

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Quelle: AFP

In der Nationalmannschaft seit: April 2014

Im Team weil: Selbst Heiner Brand ihn schon als großes Rückraumtalent adelte. Der 21-Jährige vom VfL Gummersbach durchlief alle Junioren-Auswahlteams des DHB und wurde bei der U18-EM 2012 zum besten Spielermacher des Turniers gewählt - natürlich mit dem Titel. Auch bei der U20-EM 2014 war Ernst Teil des Allstar Teams. Spezialfähigkeiten zeigt er in der Abwehr, ist in Sigurdssons System aber bisher oft der Mann mit dem gelben Leibchen: Kommt oft als zusätzlicher Feldspieler in die Partie, um komplexere Spielzüge zu ermöglichen.

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Rückraum: Niclas Pieczkowski

Germany v Hungary - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: April 2015

Im Team weil: Bundestrainer Sigurdsson ein Analyst der ersten Stunde ist. Pieczkowski spielt zwar in der Liga für TuS Nettelstedt-Lübbecke und hat in dieser Saison noch keinen Sieg feiern können - seine Fähigkeiten schmälert das allerdings nicht. Pieczkowski ist groß und abwehrstark, das mag der Bundestrainer. Und: Im April 2015 zeigte der 26-Jährige im EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien eine ganz starke Partie mit sechs Toren.

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Kreis: Hendrik Pekeler

Germany v Russia - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: März 2012

Im Team weil: Er zum Glück wieder gesund ist. Erlitt zu Saisonbeginn einen Knorpelschaden im Knie, ersetzt nun Patrick Wiencek, der wegen eines Kreuzbandrisses absagen musste. Pekeler hat seine Party-Phase zu Beginn der Karriere überwunden, mit 24 zählt er zu den großen Hoffnungen im Team. Er ist der kongeniale Partner von Lemke in der deutschen Abwehr. Schindet sich, egal welcher Koloss gerade auf ihn zufliegt.

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Kreis: Jannik Kohlbacher

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Quelle: AFP

In der Nationalmannschaft seit: November 2015

Im Team weil: Er als Rohdiamant am Kreis gilt. Wurde 2012 mit der deutschen U18 Europameister, hat gerade mal zwei Monate vor dieser EM sein Debüt bei den Großen gegeben. Muss sich mit Einsatzzeiten noch gedulden, nutzt aber jede Minute: Erzielte gegen Schweden in der Schlussphase in Unterzahl ein wichtiges Tor. Hat zudem die Statur eines Footballers, was so mancher Gegner schon schmerzlich erfahren hat. Und natürlich: Er hat die Haare schön. Kohlbacher hebt den Glamourfaktor im deutschen Team fast schon auf das Niveau eines Mikkel Hansen.

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Kreis: Erik Schmidt

EHF European Men's Handball Championship 2016

Quelle: Maciej Kulczynski/dpa

In der Nationalmannschaft seit: September 2014

Im Team weil: Er auch so ein Brocken in der Abwehr ist. Seine 2,04 Meter helfen ihm dabei, aber auch die nötige Aggressivität, mit der er zusammen mit Pekeler und Lemke den deutschen Abwehrblock derzeit berühmt macht. Auch Schmidt spielt in Polen sein erstes Turnier mit größeren Einsatzzeiten, die sich der 23-Jährige durch eine starke Saison bei Hannover-Burgdorf verdient hat.

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Außen: Johannes Sellin

Germany v Iceland - International Handball Friendly

Quelle: Stuart Franklin/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: März 2012

Im Team weil: Sigurdsson nach dem Ausfall von Patrick Groetzki (Wadenbeinbruch) einen starken Mann auf Rechtsaußen sehr gut gebrauchen konnte. Sellin empfahl sich ganz offensichtlich: Bei seinem Verein in Melsungen führt er die Torschützenliste an. Bei dieser EM teilte Sellin das Leid aller deutschen Außen: Wurde erst in den späteren Spielen aktiver ins Geschehen eingebunden. Schoss gegen Ungarn auch aus dem Rückraum ein Tor. Sieht man von Außenspielern nicht oft.

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Außen: Rune Dahmke

EHF European Men's Handball Championship 2016

Quelle: Maciej Kulczynski/dpa

In der Nationalmannschaft seit: November 2015

Im Team weil: Er seit 2008 beim THW Kiel spielt. Mit 22 Jahren. Das sagt schon fast alles, was man über ein großes Talent wissen muss. Und er kennt die Situation in der Nationalmannschaft schon aus Kiel: Wurde da innerhalb kürzester Zeit zur festen Größe auf Linksaußen und kompensierte eine Langzeitverletzung von Dominik Klein. Kompensiert nun den Ausfall von Gensheimer bei der EM in Polen - und zwar ziemlich bravurös. Seine Trickwürfe vom letzten Zipfel des Spielfeldes haben höchsten Unterhaltungswert. Und: Ohne Dahmkes Treffer in den Schlussekunden der regulären Spielzeit gegen Norwegen hätte es keine Verlängerung für Deutschland gegeben. Und auch kein Finale.

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Außen: Tobias Reichmann

Germany v Hungary - Men's EHF European Championship 2016

Quelle: Adam Nurkiewicz/Getty Images

In der Nationalmannschaft seit: April 2012

Im Team weil: Er der coolste Typ am Sieben-Meter-Punkt ist. Ganze 26 von 27 Strafstößen hat dieser Reichmann bei dieser EM schon verwandelt, der 27-Jährige ist also nahe an der Perfektion. Spielt beim polnischen Meister in Kielce. Profitiert auch von dem Ausfall von Uwe Gensheimer: Der eigentliche Kapitän der Deutschen war schließlich bisher als Sieben-Meter-Schütze gesetzt und hat nun erhebliche Konkurrenz bekommen. Im Finale geht es für Reichmann auch um den Gewinn der Torschützenkrone: Mit 43 Treffern insgesamt liegt er nur knapp hinter Spaniens Valero Rivera mit 47 Toren.

© SZ.de/ska/schm
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