Handball-EM:Deutsche Handballer drehen packendes Spiel

Handball-EM: Matchwinner: Deutschlands Torhüter Andreas Wolff.

Matchwinner: Deutschlands Torhüter Andreas Wolff.

(Foto: Kanek Skarzynski/AFP)

Dank des überragenden Torhüters Andreas Wolff siegt die deutsche Handball-Nationalmannschaft im zweiten EM-Gruppenspiel gegen Schweden 27:26. Dabei lag sie vor der Pause noch mit vier Toren hinten.

Von Joachim Mölter, Breslau

Eine Szene, die viel aussagt über die Unerfahrenheit der deutschen Handball-Nationalmannschaft, die gerade bei der EM in Polen antritt: In ihrem Vorrundenspiel gegen Schweden hatte sie nach zähem Beginn gerade zum 10:10 ausgeglichen (18. Minute), war dann aber wegen einer Zeitstrafe in Unterzahl geraten. An der Seitenlinie zog sich der Rückraumspieler Niclas Pieczkowski für den nächsten Angriff ein gelbes Leibchen über, um als Feldspieler den Platz des Torwarts einzunehmen. Aber Pieczkowski rannte dann schon aufs Feld, ehe Andreas Wolff es verlassen hatte - das gab gleich die nächste Zwei-Minuten-Strafe und mündete in einen 10:14-Rückstand.

Es spricht allerdings für Potenzial und Willensstärke der jungen Auswahl von Bundestrainer Dagur Sigurðsson, dass sie nicht einbrach, sich nicht aufgab, sich nicht hängenließ - sondern das Geschehen noch wendete. Mit einem Zwischenspurt glich sie aus (18:18/36.), mit einem 5:0-Lauf setzte sie sich ab (24:20/45.). Die Führung verteidigte die Mannschaft des Deutschen Handballbundes (DHB) trotz einer weiteren doppelten Unterzahl samt roter Karte für den Rückraumspieler Christian Dissinger in der Schlussphase, in der Jahrhunderthalle von Wrocław, dem ehemaligen Breslau, gewann sie 27:26 (13:17).

Torwart Andreas Wolff war dabei der große Rückhalt mit 13 Paraden bei 31 Würfen, im Angriff sorgten die Flügelspieler Tobias Reichmann (neun) und Rune Dahmke (vier) sowie Kapitän Steffen Weinhold (fünf) in der Mitte für die meisten Tore.

Im abschließenden Gruppenspiel reicht jetzt ein Unentschieden

"Das war ein heißes Spiel. Riesenkompliment an die Jungs. Sie haben großartig gekämpft und Mut gezeigt", sagte Bundestrainer Dagur Sigurðsson und der überragende Torhüter Wolff ergänzte: "Was man in solchen Spielen braucht, sind Emotionen. Ich habe versucht, Signale von hinten zu senden. Die Freude ist jetzt riesengroß." Um in die Hauptrunde der besten Zwölf zu kommen, reicht den deutschen Handballern im abschließenden Gruppenspiel gegen Slowenien am Mittwoch (17.15 Uhr/ZDF) nun sogar ein Unentschieden. Spanien (3:1 Punkte) hat die nächste Runde bereits erreicht, trotz des 24:24 gegen Slowenien (1:3). Deutschland und Schweden haben jeweils 2:2 Zähler.

Was sie gegen den Rekord-Europameister erwarten würde, hatten die deutschen Handballer gewusst: eine kompakte, körperbetonte Abwehr mit einem überragenden Torwart dahinter, dem für die SG Flensburg haltenden Mattias Andersson; dazu ein schnelles Spiel nach vorne. Auf genau diese Mittel hatte die Auswahl von Dagur Sigurðsson vor einem Jahr bei der Weltmeisterschaft in Katar gebaut und damit einen respektablen siebten Platz erreicht.

Siebenmeter-Schütze Reichmann bleibt sicher

Aber im Vergleich zu 2015 hat sich die Spielanlage der Deutschen grund- legend geändert: Die eingespielte Flügelzange mit den Rhein-Neckar Löwen Uwe Gensheimer auf links und Patrik Groetzki auf rechts fehlt verletzungsbedingt, der eine wegen Achillessehnenbeschwerden, der andere wegen eines Wadenbeinbruchs.

Dadurch stockt das gefürchtete Gegenstoß-Spiel des DHB-Teams, wie im Auftaktspiel gegen Spanien (29:32) zu sehen war: Da kamen die Pässe in die Spitze häufig so ungenau, dass ein Spanier dazwischen gehen und den Ball abfangen konnte. Zu allem Übel gibt es auch nicht mehr so viele Gelegenheiten zu Kontern wie noch vor einem Jahr, denn dafür braucht man eine starke Abwehr, welche die schnellen Gegenangriffe einleitet. Und die Defensive steht nicht mehr so stabil wie bei der WM, weil ja auch der Abwehrorganisator Patrick Wiencek vom THW Kiel bei der EM nicht mit von der Partie ist; er kuriert einen Kreuzbandriss aus.

Weinhold wirft sich gegen die schwedischen Schränke

Wiencek wird zweifelsohne vermisst, aber am Montagabend gegen Schweden stabilisierte dessen WM-Nebenmann Hendrik Pekeler den Abwehrblock. "Entscheidend wird sein, wer mehr leichte Tore schießt. Gegen die Sechs-null-Abwehr der Schweden reibst du dich normalerweise auf", sagte der Kreisläufer vorher.

In der Tat mussten die deutschen Rückraumspieler schwer ackern, um zu Toren zu kommen; immerhin holten sie genug Siebenmeter heraus, die Reichmann bis auf eine Ausnahme sicher verwandelte. Und in der zweiten Halbzeit ging dann auch der zunächst unauffällige Kapitän Weinhold mit gutem Beispiel voran und warf sich immer wieder gegen die schwedischen Schränke. In seinem Gefolge gelang den jungen deutschen Handballern schließlich der Durchbruch bei diesem Turnier.

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