Handball:Die Träume leben

THW Kiel · SG Flensburg-Handewitt

Mit dicken Backen zum Erfolg: Flensburgs Holger Glandorf traf fünf Mal gegen Kiel.

(Foto: Benjamin Nolte/dpa)

Flensburg hat nach dem Coup in Kiel Titelchancen. Nur noch einen Punkt liegt das Team hinter Mannheim. SG-Coach Vranjes, der im April nach dem Punktverlust in Magdeburg die Hoffnung schon aufgab, sagt nun: "Die Löwen könnten nervös werden."

Von Jörg Marwedel, Kiel

Wenn die Rhein-Neckar Löwen am kommenden Sonntag bei der HSG Wetzlar antreten, will der eine oder andere Flensburger Handball-Profi nicht am Fernseher sitzen. Rechtsaußen Lasse Svan etwa möchte nach dem eigenen Heimspiel am Samstag gegen den Vorletzten ThSV Eisenach lieber Golf spielen und der SG-Trainer Ljubomir Vranjes vielleicht mit seinen Kindern toben. Der Tabellenzweite von der dänischen Grenze will die Spannung nicht zu sehr an sich heranlassen, die er selbst am Pfingstsonntag mit einem 28:26 (12:14) im ewigen Schleswig-Holstein-Derby beim Rekordmeister THW Kiel noch einmal forciert hat.

Nur noch einen Punkt liegen die Flensburger hinter den Mannheimern. Und Vranjes, der im April nach dem Punktverlust in Magdeburg die Titelträume schon begraben hatte, sagt nun: "Die Löwen könnten nervös werden." Die Kurpfälzer hätten ja im Kopf, wie sie schon zweimal kurz vor der Ziellinie die Meisterschaft verspielt haben - 2014 hätten ihnen läppische zwei Tore mehr gereicht, um den THW Kiel vom Sockel zu stoßen.

Es haben sich an Pfingsten einige erstaunliche Verbrüderungen gebildet. Die Löwen waren im Duell der Nordlichter für die Kieler. "Erstmals", wie THW-Manager Thorsten Storm feststellte, der auch schon in Mannheim und Flensburg tätig war - weil der THW mit einem Sieg die Flensburger auf Abstand zu den Löwen gehalten hätte. Die SG-Spieler wiederum wünschten den Kielern nach der Partie alles Gute beim Champions-League-Final-Four Ende Mai, was THW-Linksaußen Dominik Klein zu der Aussage verleitete, man gönne dem Nachbarn die Meisterschaft. Das ist wegen der enormen Rivalität so erstaunlich, als habe im Profi-Fußball ein Dortmunder den Schalkern endlich wohlwollend den ersten Meistertitel nach 58 Jahren genehmigt.

Es war ein verdienter Flensburger Sieg. Die 5:1-Abwehr war "der Schlüssel", wie Vranjes sagte. Der kleine Feldherr, der an der Linie stets in erstaunlicher Ruhe betrachtet, was die Spieler von seinen Ideen auf dem Feld umsetzen, war mit Ausnahme der letzten zehn Minuten vor der Pause außerordentlich zufrieden. In dieser Phase ist man das einzige Mal mit zwei Toren in Rückstand geraten. Vranjes wollte den wichtigsten Kieler, Domagoj Duvnjak, quasi in eine Art Manndeckung nehmen. Zwar konnte er auf diese Weise den Weltklassespieler nicht komplett aus dem Spiel nehmen (Duvjnak gelangen immer noch sechs Tore), ihm aber doch viel von seiner Gefährlichkeit nehmen. Schon bei den Löwen (25:22-Sieg) und zuletzt auswärts bei der MT Melsungen (32:25) hatte diese Taktik wunderbar funktioniert.

Überhaupt spiele die Mannschaft "den besten Handball, seit ich hier Trainer bin", sagt der akribische Schwede mit serbischen Wurzeln. Das ist immerhin seit 2010. Sechsmal trafen die Flensburger in dieser Saison schon auf Kiel (Supercup, Champions League, DHB-Pokal, Bundesliga), viermal gewannen sie. "Das sagt schon irgendetwas", sagt Kapitän Tobias Karlsson. Besonders der 34:27-Sieg beim THW im DHB-Pokal habe dem Team gezeigt, "dass wir überall gewinnen können", verdeutlicht Lasse Svan. Das war im Dezember der erste Triumph in der Kieler Arena nach sieben Jahren.

Selbst neun Zwei-Minuten-Strafen warfen die Flensburger am Sonntag nicht aus der Bahn, obwohl sie, so Karlsson, "das Gefühl hatten, die komplette zweite Halbzeit in Unterzahl zu spielen". Aber immer wieder trafen Thomas Mogensen (6), Kentin Mahé (6, davon fünf Siebenmeter) und Holger Glandorf (5) die Gastgeber an empfindlicher Stelle, während der inzwischen 38-jährige Keeper Mattias Andersson noch stärker hielt als der ebenfalls gute Niklas Landin im THW-Tor. Sollten die Flensburger den Zweikampf mit den Löwen trotzdem verlieren, wissen sie ziemlich genau, weshalb sie den Titel nicht gewonnen haben. "Es liegt am September", sagt Regisseur Thomas Mogensen. Damals verlor man binnen elf Tagen fünf Punkte, also mehr als die Hälfte der neun Minuszähler. Man unterlag gegen Melsungen daheim und drei Tage später in Wetzlar, gegen Berlin reichte es anschließend nur zu einem Remis. Damals wurde viel über Vranjes diskutiert. Doch der sagte nur, es brauche eben Zeit, die Neuen ins Spiel einzubauen. Inzwischen sind von den Neuen besonders Mahé und der gerade operierte Rasmus Lauge zu wichtigen Pfeilern geworden.

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