Handball:Der Märchenonkel muss lernen

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Im Griff: Erlangens Pavel Horak (li.) und Berlins Christoph Reissky. (Foto: Annegret Hilse/imago)

Erlangens Handballern wird in der Bundesliga viel Respekt entgegengebracht - weil sie mit Ruhe eine interessante Mannschaft geschaffen haben.

Von Ralf Tögel

In diesem Moment könnte Pavel Horak als Märchenonkel durchgehen. Mit seinem mächtigen Rauschebart, dem netten Lächeln, der ruhigen, sonoren Stimme. Pavel Horak ist aber professioneller Handballspieler, als solcher darf er nicht immer so nett sein. Besonders wenn er spielt. Dann packen seine großen Pranken zu, wirft sich der knapp zwei Meter große und 112 Kilogramm schwere Hüne in die gegnerischen Angriffe. Horaks Spezialität ist das Abwehrspiel, er ist ein wichtiger Pfeiler in der Mannschafts-Tektonik des Bundesliga-Aufsteigers HC Erlangen. Gegen die Füchse Berlin gab es am Defensivspiel seiner Mannschaft nicht viel auszusetzen, 24 Tore ließ Erlangen zu, gegen eine Topmannschaft dieser so starken Liga. Dummerweise ist das Abwehrspiel auch eine Spezialität der Berliner, die ließen nur 21 Treffer zu - und gewannen.

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In den Worten des netten Herrn Horak klang das so: "Vom Gefühl her haben wir ganz gut mitgehalten, aber wir haben unsere Chancen nicht verwertet, das war der Unterschied." Es war die dritte Niederlage in Serie, gegen einen Gegner, gegen den der HCE allerdings nicht zwingend punkten muss. Berlin hat erst einmal verloren und ist Tabellendritter; kürzlich hat die Mannschaft das Finale der Klub-WM gegen Paris St. Germain gewonnen. Paris, das kann man an dieser Stelle sagen, ist eine Art Ansammlung an aktuellen oder ehemaligen Welthandballern. Berlin hat also schlichtweg mehr Qualität im Kader als Erlangen, die Niederlage ist kein Rückschlag für die Mittelfranken, findet auch Erlangens Trainer Robert Andersson: "Ich habe sehr viel Positives gesehen." Die Abwehr nennt er zuerst: "Wir sind eng gestanden, hatten früh Körperkontakt und schnelle Beine." Einsatz und Wille gefielen dem Schweden auch: "Die Spieler haben immer am Plan festgehalten." Weniger gefallen hat ihm das Umschaltspiel, das zu schnellen, einfachen Toren führen soll - wenn der Plan aufgeht.

Und natürlich die Chancenverwertung. Andersson ist ein umgänglicher Mensch, einer der öffentlich nie auf seine Spieler draufhauen mag, immer höflich, beherrscht. Vielleicht, weil er das Geschäft so gut kennt. Der 46-Jährige war zweimal Europameister, gewann zweimal Olympia-Silber, spielte viele Jahre in der Bundesliga, er sagt: "Petr Stochl war auch sehr gut." Stochl ist Berlins Torhüter, an diesem Abend sogar besser als Nationalkeeper Silvio Heinevetter, eine kleine tschechische Legende zwar, aber Andersson hätte auch sagen können, dass seine Spieler es selbst verbockt hatten. Macht er nicht, auch weil er die Situation genau einschätzen kann. Als die Erlanger mit 8:4 Punkten plötzlich weit oben im Ranking zu finden waren, erinnerte er daran, dass es um den Klassenverbleib gehe. Nun ist der HCE Elfter, mit 8:10 Zählern, hat mit der 23:32-Heimpleite gegen Wetzlar vor Wochenfrist erstmals enttäuscht. Der nette Herr Andersson sagt lächelnd: "Das kommt aus den Medien, wir können das schon einordnen." In Berlin, am Donnerstagabend zu Hause im Pokal-Achtelfinale gegen Meister Rhein-Neckar Löwen, am Samstag kommt Kiel: "Das sind Spiele, in denen wir lernen. Wir müssen uns weiterentwickeln und das gegen andere Gegner umsetzen", sagt Andersson.

Das klingt nach einem bodenständigen Plan, auch deshalb wird den Erlangern in der Liga viel Respekt gezollt. Die haben mit Ruhe ein Umfeld und eine interessante Mannschaft gebaut, beides verspricht einiges. Ein Team mit Routiniers wie Horak, Weltmeister Michael Haaß oder Martin Stranovsky, der aus Barcelona kam. Und mit aufstrebenden Talenten wie Nikolai Link oder Nicolai Theilinger, beide von Bundestrainer Dagur Sigurdsson für die bevorstehenden EM-Qualifikationsspiele in den erweiterten Kader der Nationalmannschaft berufen. Das größte Kompliment bekamen die Erlanger von Füchse-Manager und DHB-Vizepräsident Bob Hanning: "Erlangen erinnert mich an uns, nach unserem Aufstieg." Man weiß, wohin das geführt hat.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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