Handball-Coach Sigurdsson:Was andere anstrengt, gibt ihm Kraft

Handball Allstar Game

Kein bisschen müde: Dagur Sigurdsson

(Foto: dpa)
  • Bis Ende Januar war der Isländer noch mit den deutschen Handballern bei der WM in Katar, nun trainiert Dagur Sigurdsson wieder die Füchse Berlin. Nach einer bisher schwachen Saison hofft er auf bessere Leistungen.
  • Trotz der Doppelbelastung wirkt Sigurdsson erstaunlich entspannt.
  • Ab Sommer wird er sich dann komplett auf seine Rolle als Nationaltrainer konzentieren.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Der Isländer Dagur Sigurdsson kam bereits 1996 nach Deutschland, um Handball zu spielen. Doch das ändert - zum Glück für seine Zuhörer - nichts daran, dass er noch immer mit sympathischer isländischer Klangfarbe spricht. Als der Handball-Trainer am Freitag mit seiner Mannschaft, den Füchsen Berlin, nach Porto zum EHF-Cup flog, sagte er: "Wir müssen die Flugmaschine mit Leuten füllen."

Sigurdsson, 41, ist noch bis zum Sommer Trainer in Berlin, dann konzentriert er sich ganz auf seinen Job als deutscher Nationaltrainer, den er bei der Weltmeisterschaft im Januar mit dem Einzug in die Olympia-Qualifikation überzeugend begonnen hat. Vor ihm liegen anstrengende Monate der Doppelbelastung. Und wichtige mit seinem Verein. Es geht um sein Erbe nach fünf Jahren als Trainer.

Es gibt ein paar gute Gründe, wegen derer er angespannt sein könnte, einsilbig - aber das ist nicht der Fall. Sigurdsson sagt in diesen Tagen nicht nur lustige Sachen, er ist auch sonst ziemlich gut gelaunt. Am Mittwochabend, nach dem ersten Bundesligaspiel der Füchse in diesem Jahr, einem überzeugenden 32:23 gegen GWD Minden, unterbrach ein klingelndes Handy seine Analyse. Sigurdsson ist am Rande der Handballplatte impulsiv, doch nun schaute er nicht böse, oder schimpfte gar, nein: Er tanzte auf seinem Stuhl, wippte mit dem Kopf zur Melodie. Und über die nächsten Wochen sagt er: "Ich freue mich."

Fernab der Zielvorstellungen

Die Füchse haben ja bislang eine schwache Saison gespielt, fernab ihrer Zielvorstellungen, waren nur Zehnter zur Winterpause. Sie hätten diese Spielzeit auch schon abhaken können und zur gewissenhaften Vorbereitung auf die nächste nutzen können, für die bereits Zu- und Abgänge feststehen, und natürlich ein neuer Trainer, der Isländer Erlingur Richardsson.

Manager Bob Hanning hat darüber in den vergangenen Wochen viel nachgedacht, er ist dann zu einem anderen Schluss gekommen. Er hat das Final-Four des EHF-Cups in die Max-Schmeling-Halle geholt, ein hohes finanzielles Risiko, das sich nur auszahlt, sollten die Füchse mitspielen. Und er hat in Evgeni Pevnov einen Kreisläufer verpflichtet, der Berlin im Sommer wieder verlassen wird. Die Botschaft ist eindeutig: Es geht jetzt erst mal um kurzfristigen Erfolg.

Sigurdssons Erbe

Hanning, 47, ist ein Mann mit vielen Ideen, er trifft auch mal überraschende Entscheidungen. Über alles könne man reden, sagt er. Es wäre auch möglich gewesen, sagt er, dass Richardsson schon zur Rückrunde übernommen hätte. Denn die anstehende Aufgabe ist ja für Sigurdsson keine leichte, und Hanning ist durchaus etwas daran gelegen, seinem Trainer, den er als Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes zum Nationaltrainer machte, einen schönen Abschied zu bereiten. Doch nun wird es alles andere als eine entspannte Abschiedstournee für den Isländer.

Ausschlaggebend, sagte Hanning, wäre ein Gespräch mit Sigurdsson gewesen, nach dem letzten deutschen Spiel bei der WM in Katar, an einem Samstag. "Wann willst du wieder auf der Platte stehen?", habe er Sigurdsson gefragt. Dessen Antwort: "Am Montag."

Sigurdsson hat in fünf Jahren in Berlin mit vergleichsweise geringem Etat eine der besten deutschen Mannschaften aufgebaut, er hat Hannings Wunsch, junge Spieler an die Bundesliga heranzuführen, in die Tat umgesetzt. Nationalspieler Paul Drux, 20, ist dafür das beste Beispiel.

Im Sommer wird der Kurs fortgeführt, ein weiterer Spieler aus der eigenen Handballschule soll integriert werden, die drei Neuzugänge sind jung, die Abgänge älter: Petar Nenadic, 28, Konstantin Igropulo, 29, Iker Romero, 34. Doch bis zum Sommer sind genau diese Spieler gefordert. Nenadic warf gegen Minden zehn Tore, er habe endlich mal das gemacht, "wofür wir ihn bezahlen", sagte Hanning schroff. Der russische Nationalspieler Igropulo war gar nicht in der Halle, angeblich verletzt - Hanning bezweifelte das öffentlich. In diesem Kontext war auch Sigurdssons lustiger Satz von der "Flugmaschine", die es zu füllen gelte, zu verstehen: Der Berliner Kader ist dünn. Als sich am Mittwoch Fabian Wiede verletzte, musste Rechtshänder Drux auf der ungewohnten Position im rechten Rückraum aushelfen.

Sigurdsson könnte all das beunruhigen, bis Ende März haben die Füchse zwölf Spiele, in denen sich die Saison entscheiden wird, und auch, was er im Sommer zurücklassen wird. Der Isländer wird als Nationalcoach in Berlin wohnen bleiben, und wenn ihn die Leute auf der Straße erkennen, sollen sie sich nicht an eine verschenkte Rückrunde erinnern. Die Ziele sind klar: mindestens Platz sieben in der Liga, Final Four in EHF- und DHB-Pokal.

Es wirkt, als sei Sigurdsson selbst etwas überrascht von seinem Tatendrang. "Ich hätte gedacht, dass ich etwas müde wäre", sagt er, müde von der WM. Doch die Erfolgserlebnisse von Katar hatten dann eine ganz andere Wirkung auf ihn, eine ziemlich positive für die Füchse Berlin. "Ich bin sehr fit zurückgekommen", sagt Sigurdsson: "Ich habe Energie getankt."

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