Handball-Bundestrainer Michael Biegler:Der harte Hund begeistert die "Ladies"

Handball: Deutschland - Schweden

Trotz seiner entschiedenen Anweisungen bei den Spielerinnen sehr beliebt: der deutsche Bundestrainer Michael Biegler.

(Foto: dpa)

Die deutschen Handball-Frauen galten oft als schwierig, vor dem EM-Start sind sie glücklich wie lange nicht mehr. Der Grund: Ihr neuer Trainer Michael Biegler.

Von Ulrich Hartmann

Es ist jetzt ein Jahr her, dass die Handballerin Svenja Huber freiwillig auf eine Weltmeisterschaft verzichtet hat. "Es wäre meine erste WM gewesen, das sagt wohl alles." Huber, 31, Studentin der Soziologie und Rechtsaußen bei Borussia Dortmund, spielt mit ganzem Herzen Handball und für Deutschland, aber Ende November 2015, in der Vorbereitung auf die WM in Dänemark, ist ihr die Stimmung im Nationalteam derart auf den Magen geschlagen, dass sie dem damaligen Bundestrainer Jakob Vestergaard abgesagt hat.

"Mir haben Respekt und Ehrlichkeit gefehlt", sagt sie heute, da sie zurückgekehrt ist in die nationale Auswahl. Sie ist angetan vom neuen Bundestrainer Michael Biegler. Ab Sonntag spielt sie bei der Europameisterschaft in Schweden für Deutschland, und in einem Jahr will sie ein umso aufregenderes WM-Debüt nachholen: bei der Heim-WM in Deutschland.

Biegler ringt sich ein kleines Lächeln ab

"Jetzt, da sich atmosphärisch so viel geändert hat, merke ich umso deutlicher, wie sehr mir gewisse Dinge vor einem Jahr gefehlt haben", sagt Huber. "Im jetzigen Klima kann man super arbeiten", sagt auch die Kapitänin Anna Loerper. "Es gab früher Lehrgänge, da habe ich jede Stunde gezählt - aber heute freuen sich alle, wenn es zum Nationalteam geht", sagt Rückraumspielerin Kerstin Wohlbold. Der so Gelobte ringt sich ob der kollektiven Begeisterung des allerersten von ihm trainierten Frauenteams immerhin ein kleines Lächeln ab in seinem oft zerknirscht anmutenden Blick.

Biegler, 55, hat in seiner Trainerkarriere neun deutsche Profiklubs trainiert, danach die polnische Nationalmannschaft (2015 WM-Bronze in Katar) und zuletzt den HSV Hamburg, ehe dieser zu Beginn des Jahres den Betrieb einstellte. Danach saß Biegler oft daheim und trank Kaffee mit Blick auf den Main. So erzählt er es jedenfalls, wenn er erklären will, warum er im April das Angebot vom Deutschen Handball-Bund annahm, erstmals ein Frauenteam zu trainieren und dann auch noch jene scheinbar schwierige deutsche Auswahl, die in den vergangenen Jahren weder unter Rainer Osmann, Heine Jensen und Vestergaard ein durchgängig gutes Turnier gespielt hätte. Biegler wählte diese Mannschaft zu seiner Herausforderung, arbeitete seit April bei verschiedenen Lehrgängen netto gerade mal einen Monat direkt mit den Spielerinnen und spricht trotzdem längst liebevoll von den "Ladies", wenn er über seine Athleten spricht. Die Sympathien beruhen also auf Gegenseitigkeit.

"Meistens ist er ganz anders"

Biegler hat seit seinem Amtsantritt umfassend recherchiert. Er hat sich Aufnahmen der deutschen Spiele aus den vergangenen Jahren angesehen, er besucht seine Nationalspielerinnen ziemlich oft bei deren Bundesligaspielen und interessiert sich auch für ihre Parallel-Leben, denn kaum eine der Sportlerinnen spielt nur Handball. "Im Gegensatz zur Männer-Bundesliga, in der die Arbeit der Vereine stringent ist, haben wir bei den Frauen eine heterogene Situation", sagt Biegler. Die Vereine sind auf sehr unterschiedlichem Niveau, und die Spielerinnen nochmals. Biegler arbeitet mithin nicht nur als Taktiker, sondern fühlt sich auch als Motivator gefordert: "Ich muss die Ladies begeistern - wenn sie abgehetzt zwischen zwei Vorlesungen eine Trainingseinheit absolvieren, dann darf die kein Wischi-Waschi sein."

Die Effektivität der bisherigen Zusammenarbeit stellten die Frauen am vergangenen Wochenende unter Beweis, als sie dem starken EM-Gastgeber Schweden in zwei Testspielen zwei Unentschieden abrangen. Zwischenzeitliche Leistungshöhen aber waren nie das Problem dieser Equipe, die bei den großen Turnieren entweder in den wichtigen Spielen versagte oder im Turnierverlauf die Kraft verlor. Der mangelnden Konstanz versucht Biegler systematisch innerhalb von vier Parametern Herr zu werden: "Rückzug, Deckung, Gegenzug und Angriffsspiel" lauten die einzelnen Komponenten, denen er sich im Training widmet und die sich in Schweden zu einem großen Ganzen zusammenfügen sollen. "Ihr Spiel", sagt er, "muss strukturierter werden mit weniger überhasteten Abschlüssen und weniger Fehlern im Rückzug."

Gegen die Niederlande, Frankreich und Polen müssen die deutschen Frauen von diesem Sonntag an im Zwei-Tages-Rhythmus bestehen, um als eines der besten drei Gruppenteams in die Zwischenrunde einzuziehen. Allzu hehre EM-Ziele verfolgt Biegler mit Weitblick auf das "eigentliche Projekt WM 2017" nicht, "schlimm wäre eigentlich nur, wenn bei der EM in Schweden alles im Sand verliefe, was wir uns bis jetzt erarbeitet haben". Für den Fall, dass dies doch passieren solle, nehme er schon jetzt alle Schuld auf sich, sagt er gütig.

"Man hat ja den Eindruck, dass er ein richtig harter Hund ist", sagt Svenja Huber lächelnd, "aber meistens ist er ganz anders." Biegler lebe der Mannschaft jene Begeisterung vor, die auch unter den Spielerinnen immer größer werde. Der Verbands-Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld hat im vergangenen April offenbar gar nicht unbedingt erwartet, dass die Zusammenarbeit zwischen dem oft knurrig wirkenden Biegler und den jungen Frauen so schnell so gut werden würde. "Die Spielerinnen", sagt er mit glänzenden Augen, "sind mit einer Begeisterung dabei, die mich fast umhaut."

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