Handball-Bundestrainer:Handball-Trainer Prokop - junger Stratege wie Nagelsmann

Christian Prokop

Bald Bundestrainer? Leipzigs Coach Christian Prokop

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Dagur Sigurðsson hört auf - wäre es ein Wagnis, den Posten des Bundestrainers nun einem eher unerfahrenen Coach anzuvertrauen?

Von Carsten Scheele

Christian Prokop ist noch weitgehend unbekannt, doch er weiß nun, wie das ist, wenn das Interesse von Tag zu Tag anschwillt. Seit der Trainer des Handball-Erstligisten SC DHfK Leipzig als Kandidat für den Bundestrainerposten gilt, hat der Rummel merklich zugenommen. Prokop hat sogar über sich lesen müssen, dass er dem Deutschen Handballbund (DHB) schweren Herzens abgesagt habe, was gar nicht stimmte. So bereinigte Prokop einige Unklarheiten, als er am Mittwochabend erklärte, er würde "das Amt gerne annehmen". Das aber schaffte gleich wieder neue Unklarheiten. Denn annehmen - das klang so, als habe er den Job bereits sicher. Aber das ist gar nicht so.

Der Posten des Handball-Bundestrainers ist nicht irgendein Posten hierzulande. Die Handball-Nationalmannschaft ist fast so eine Institution wie Joachim Löws Fußball-Auswahl. Dreimal waren die deutschen Handballer Weltmeister (1938, 1978, 2007). Im vergangenen Jahr wurden sie - angeleitet vom Isländer Dagur Sigurðsson, den es Ende Januar als Nationaltrainer nach Japan zieht - in Polen Europameister; 2020 sollen sie um den Olympiasieg spielen. So eine Institution überlässt man nicht einfach irgendwem.

Ursprünglich hatte der Handballbund drei Kandidaten im Auge. Aber weil der Däne Ulrik Wilbek lieber Bürgermeister seiner Heimatstadt Viborg werden will, gibt es neben Prokop nun nur noch einen: Markus Baur, ein Mitglied des Weltmeisterteams von 2007. Auch er hat zugesagt.

Der Handballbund steht damit vor einer Richtungsentscheidung: Er kann auf Erfahrung bauen. Oder frischen Wind entfachen. Baur ist 45 - und damit einige Jahre älter als Prokop. Baur weiß, wie der Verband tickt, Prokop eher nicht. Über sechs Länderspiele für den B-Kader kam er als Spieler nicht hinaus. Eine schwere Knieverletzung stoppte seinen Aufstieg. Bei einer hastigen Bewegung platzte eine Knorpelschuppe ab. Um das lädierte Knie zu entlasten, schulte Prokop vom Rechts- zum Linkshänder um; ein äußerst ungewöhnlicher Schritt. In der Bundesliga fand er danach allerdings keinen Anschluss mehr.

Mit 25 Jahren erwarb Prokop die Trainerlizenz. Daneben sicherte er sich beruflich ab, indem er das Referendariat ablegte, womit er jederzeit als Grund-, Haupt- oder Realschullehrer arbeiten könnte. Nachdem er einige Regional- und Zweitligisten angeleitet hatte, kam Prokop über Essen nach Leipzig. Dort hat er sich den Ruf eines Strategen erarbeitet, der auch mit überschaubaren Mitteln viel erreicht. In der vergangenen Saison führte Prokop den Aufsteiger auf Rang elf, woraufhin er zum "Trainer des Jahres" gekürt wurde. In dieser Saison spielt Leipzig noch weiter oben mit. Prokop ist damit so etwas wie der Hoffenheimer Trainer Julian Nagelsmann für den Fußball: jung in Verantwortung gekommen, erst kritisch beäugt, nun aber als Hoffnungsträger hoch gehandelt. Nicht ohne Grund ist Prokop der Favorit für den Bundestrainerjob.

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