Handball:Böse, stabile Jungs

Handball: Spagat im Stehen: Torwart Andreas Wolff besitzt bekanntlich viele Fähigkeiten - Polens Karol Bielecki kann sich in dieser Szene ein Bild von diesen machen.

Spagat im Stehen: Torwart Andreas Wolff besitzt bekanntlich viele Fähigkeiten - Polens Karol Bielecki kann sich in dieser Szene ein Bild von diesen machen.

(Foto: Franck Fife/AFP)

Das deutsche Team zeigt, dass es sich auf hohem Niveau festgesetzt hat - nun steht die Bewährungsprobe gegen Brasilien an.

Von Maik Rosner

Aus Bob Hanning sprach später eine unverkennbare Zuversicht, auch wenn seine Worte eher kritisch klangen. Weitreichende Prognosen vermied der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Handball-Bundes (DHB) zwar, und doch gingen seine Einlassungen schon deutlich über das dritte Gruppenspiel des olympischen Turniers an diesem Donnerstag (21.40 Uhr MESZ) gegen Gastgeber Brasilien hinaus. "Wir müssen in der Abwehr noch deutlich zulegen", sagte Hanning streng, "wir haben Potenzial, aber das werden wir auch brauchen, wenn wir weit kommen wollen."

Weit kommen, das ist der Anspruch der deutschen Nationalmannschaft, und nach dem 32:29 (16:14) gegen Polen im zweiten Gruppenspiel am Dienstag fand es Hanning offenbar an der Zeit, diesen Anspruch noch einmal klar zu formulieren. Das Minimalziel Viertelfinale war vor der Reise nach Rio benannt worden, doch natürlich hoffen sie auch beim DHB auf mehr. Das gilt nun umso mehr, und die Mannschaft scheint bereit zu sein, den eingeschlagenen Weg fortsetzen zu können.

Bereits gegen die Schweden im ersten Gruppenspiel war ein identisches 32:29 (18:15) gelungen. Nun, im zweiten Auftritt, erkannte Hanning erstmals jene "konzentrierte Lockerheit", die nötig sein wird, um auch gegen die ganz großen Kontrahenten bestehen zu können. Ein Fortschritt also, der ihn zuversichtlich stimmte. "Frankreich steht klar über allen", sagte er über seine bisherigen Turniereindrücke von der Konkurrenz, "alle anderen sind relativ stabil auf dem gleichen Niveau." Auch die deutsche Mannschaft, was keine Selbstverständlichkeit ist nach dem so großen wie überraschenden Erfolg im Januar, als der EM-Titel gewonnen werden konnte.

Vielleicht muss noch einmal daran erinnert werden, dass die deutsche Handball-Nationalmannschaft nach dem WM-Titel 2007 ziemlich dürre Jahre erlebte. Der Abschied des langjährigen Bundestrainers Heiner Brand erfolgte Mitte 2011 und damit ziemlich spät, der Versuch mit Martin Heuberger misslang. Der aktuelle Bundestrainer Dagur Sigurdsson übernahm im August 2014 und gab der Mannschaft das Gefühl, sich der Weltspitze wieder annähern zu können. Als Vorbild dienten die Basketballer der Detroit Pistons, die trotz eines Mangels an Talent mit Kampfgeist und Zusammenhalt 1989 und 1990 Meister in der NBA wurden. Mittlerweile werden auch die deutschen Nationalspieler "Bad Boys" genannt, und als solche gewannen sie mit ähnlichen Qualitäten wie die Pistons vor sieben Monaten das EM-Turnier in Polen.

Bisher hat die Mannschaft in Rio bestätigt, dass dies kein glücklicher Ausreißer nach oben war. Stabil wirkt Sigurdssons Team, obwohl es von der Konkurrenz nun anders wahrgenommen wird und die Vorbereitung eher durchwachsen geraten war. Und obwohl der isländische Trainer einige Neuerungen vorgenommen hat. Im 14er-Kader stehen neun Europameister, keiner in der Mannschaft verfügt über Olympiaerfahrung. Umso beachtlicher, dass gegen die kampfstarken Schweden und den WM-Dritten Polen zwei verdiente und weitgehend überzeugende Siege erreicht werden konnten. Die Mannschaft, so scheint es, hat sich auf sehr hohem Niveau festgesetzt. "Entscheidend waren der Teamspirit und die kämpferische Leistung", erinnerte Sigurdsson seine "bösen Jungs" nach dem Spiel gegen Polen an die Basis des nachhaltigen Aufschwungs.

Bob Hanning findet es gut fürs Turnier, dass Brasilien "oben mitspielt"

Wozu es reichen wird bei Olympia, wird von den weiteren Gruppenspielen abhängen, die über die Abschlussplatzierung in der Gruppe B entscheiden und damit über den Viertelfinalgegner aus der stärker eingestuften Gruppe A. Nach Brasilien warten auf den aktuellen Tabellenführer Deutschland noch der bisher zweimal siegreiche Gruppenzweite Slowenien und der Dritte Ägypten. Doch zunächst steht die Bewährungsprobe gegen Brasilien an. "Man hat in den ersten Partien gesehen, dass sie sehr kraftvoll agieren. Das wird schwer gegen Brasilien, gerade als Gastgeber", sagte Hendrik Pekeler. Das ahnt auch Hanning, und doch konnte man aus seiner Einschätzung fast schon wieder Zuversicht heraushören, obwohl er diese gar nicht formulierte. Er sagte: "Brasilien spielt oben mit. Das ist gut fürs Turnier." Bei dem auch die Europameister gezeigt haben, dass mit ihnen gerechnet werden darf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: