Handball: Bestechungsaffäre:Neue Vorwürfe aus Spanien

Die "Affäre Kiel" zieht größere Kreise: Der Trainer des Champions-League-Halbfinal-Gegners von 2007 erhebt schwere Anschuldigungen.

Javier Cáceres und Christian Zaschke

Vor drei Wochen noch wäre die Partie des HSV Hamburg gegen den THW Kiel als Beispiel dafür gepriesen worden, wie dramatisch der Handball sein kann. Durch einen in letzter Sekunde verwandelten Siebenmeter gewannen die Kieler 34:33 (15:15), es war eine turbulente Schlussphase vor mehr als 13000 lärmenden Zuschauern, und dennoch war der sportliche Aspekt dieses Spiels wenige Minuten nach dem Schlusspfiff Nebensache.

Handball: Bestechungsaffäre: Nach dem Champions-League-Spiel gegen Portland 2007 lagen sich die Kieler in den Armen.

Nach dem Champions-League-Spiel gegen Portland 2007 lagen sich die Kieler in den Armen.

(Foto: Foto: Getty)

Der deutsche Handball ist in seine größte Krise geraten, zu den Bestechungsvorwürfen gegen den THW kommt nun noch, dass beim bekanntesten deutschen Schiedsrichterpaar Frank Lemme und Bernd Ullrich vor knapp drei Jahren 50.000 Dollar am Moskauer Flughafen gefunden wurden. Dass es in der offiziellen Pressekonferenz nach der Partie hieß, die Trainer würden nur Fragen zum sportlichen Geschehen beantworten, wirkte unter diesen Umständen grotesk.

HSV-Präsident Andreas Rudolph gab dann eine kurze Erklärung ab, die im wesentlichen besagt, dass er hoffe, alles könne bald umfassend geklärt werden. Mehr wollte er nicht sagen, er verwies darauf, dass er der Staatsanwaltschaft Kiel eine schriftliche Aussage haben zukommen lassen und sich dort mittlerweile auch eineinhalb Stunden mündlich geäußert habe. Befragt wurde er unter anderem dazu, dass THW-Manager Uwe Schwenker auf Rudolphs Finca auf Mallorca zugegeben haben soll, beim Champions-League-Sieg 2007 bestochen zu haben.

Mittlerweile ziehen die Vorwürfe gegen Kiel größere Kreise. Laut dem Magazin Spiegel soll der damalige THW-Trainer Noka Serdarusic zu Vertretern der Mannheimer Rhein-Neckar Löwen gesagt haben, dass auch das Halbfinale gegen Portland San Antonio verschoben gewesen sei. Der damalige San-Antonio-Trainer und heutige italienische Nationalcoach Francisco Javier Equisoain sagte der SZ: "Das war ganz sicher so." Equisoains Verdacht bezieht sich auf das Hinspiel, das von den Ukrainern Valentin Vakula und Aleksandr Liudovyk gepfiffen wurde: "Es war skandalös. Ich bin total überzeugt, dass die gekauft waren."

Er sei noch im Verlauf des Spiels, außer sich vor Rage, auf den Platz gelaufen. "Ich habe mir die Finger einer Hand aneinander gerieben und sie mir dann in die Tasche gesteckt, um ihnen durch die Geste zu signalisieren, dass sie sich hatten kaufen lassen. Die Schiedsrichter zeigten mir weder die gelbe noch die rote Karte, noch nahmen sie den Vorfall in den Spielbericht auf. Jeder ehrliche Referee hätte das Spiel unterbrochen. Die kamen nicht mal auf mich zu", sagte Equisoain.

Zudem sei es zu einem heftigen Wortgefecht zwischen dem slowakischen Spielbeobachter des europäischen Verbandes EHF und den Schiedsrichtern gekommen: "Er war regelrecht beschämt." Es habe fragwürdige Hinausstellungen und zweifelhafte Siebenmeterentscheidungen gegeben, "all die Dinge, die auffallen und dich aus dem Konzept bringen".

Ciudad Real erwägt Klage

Zu einem Protest sei es nicht gekommen, Beweise habe man für die vermutete Schieberei nicht, auch Kiel sei nicht angesprochen worden. "Proteste bringen eh nichts. Und lassen Sie uns doch ernst bleiben - mit Schiedsrichtern aus dem Osten war das mit Sicherheit nicht das erste Mal. Und das war auch nicht die einzige Mannschaft, verstehen Sie?", sagte Equisoain. Das Rückspiel hält er nicht für verschoben; es wurde von Franzosen geleitet. Der THW Kiel hat alle Manipulationsvorwürfe mehrmals vehement bestritten. Die EHF war am Sonntag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

In dem Spiegel-Bericht hieß es auch, der THW habe versucht, beim Champions-League-Final-Rückspiel 2008 gegen Ciudad Real zu bestechen. Dass die Schiedsrichter das Geld nicht genommen hätten, habe Serdarusic schließen lassen: Der Gegner war schneller. Nach der Lektüre des Artikels befinde sich BM Ciudad Real in einem Zustand der "totalen Empörung", sagte der Generaldirektor, Luis Miguel López, am Sonntag zur SZ: "Wir können und werden nicht hinnehmen, dass unser Name in dieser Affäre beschmutzt wird." Es sei ein Anwaltsbüro in Deutschland kontaktiert worden, das prüfe, ob es ratsam sei, Rechtsmittel einzulegen. "Wir werden sicher nicht stillhalten", sagte López.

Auch dem Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen soll Schwenker Bestechung gestanden haben, im Beisein des THW-Gesellschafters Hubertus Grote. Der wollte die Vorwürfe am Samstag in Hamburg nicht zurückweisen, sondern verwies darauf, dass jetzt die Staatsanwaltschaft ermittele. "Das ist doch das beste, was uns passieren kann", sagte er.

Weniger defensiv verhält sich ein weiterer THW-Gesellschafter: Georg Wegner hat nach Angaben eines Vereinssprechers "Strafantrag wegen Verleumdung gegen Personen und Presseorgane gestellt, die gegen den THW Vorwürfe wegen angeblicher Spielmanipulationen durch Schiedsrichter-Bestechungen erhoben haben".

Statt Lemme/Ullrich pfiffen am Samstag in Hamburg Lars Geipel und Marcus Helbig. Nach dem Spiel wurde ihre Kabine von zwei Sicherheitsleuten bewacht, ein Novum. Die Stimmung im deutschen Handball hat sich verändert, sie ist von Misstrauen geprägt. Am besten hat das ungewollt HSV-Geschäftsführer Peter Krebs erfasst, als er die Kieler im Hallenheft als "Zebranos" bezeichnete - eine Mischung aus dem Spitznamen des Klubs, Zebras, und der TV-Serie "Sopranos" - in der es um eine Mafia-Familie geht.

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