Handball:Sogar Torhüter Wolff trifft

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Gegen Schweden sogar Torschütze: Torhüter Andreas Wolff (Foto: AFP)

Zum Auftakt lösen die deutschen Handball-Europameister beim 32:29 gegen Schweden eine höchst knifflige Aufgabe. Die Goldmedaille scheint kein abwegiges Ziel zu sein.

Von Maik Rosner

Dagur Sigurðsson breitete die Arme aus, ganz so, als wolle er sich den letzten Angriffen der Schweden selbst entgegenstellen. Doch tatsächlich deutete der Bundestrainer der deutschen Handballer seinen Spielern nur an, die Ruhe zu bewahren. Wenige Sekunden waren noch zu spielen, und als kurz danach der 32:29 (18:15) des Europameisters im ersten Olympia-Gruppenspiel feststand, ballte Sigurðsson die Faust. Eine Geste der Erleichterung nach einem strapaziösen Auftaktspiel, das schlecht begonnen hatte, dann aber weitgehend souverän gewonnen wurde. Die Ausgangslage fürs Erreichen des Viertelfinals ist nun bestens.

"Es war gut, so ins Turnier reinzukommen", sagte Bob Hanning, der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Handballbundes (DHB). Allerdings sei unverkennbar gewesen, "dass noch nicht alles funktioniert. Wir müssen uns erst einmal finden, so haben wir noch nicht zusammengespielt". Sigurðsson sprach bloß von einer "sehr großen Erleichterung".

Mit einer beträchtlichen Fallhöhe waren die deutschen Handballer ins olympische Turnier gestartet. Der unerwartete Gewinn des EM-Titels im Januar hatte nicht nur ihre Reputation erhöht, sondern auch weitaus größere Erwartungen geweckt. Die Konkurrenz beförderte die DHB-Auswahl, die 2012 in London gar nicht qualifiziert war, in den Favoritenkreis, auch die Öffentlichkeit hofft nach dem Coup vom Januar auf einen weiteren Erfolg, bestenfalls in Form einer Goldmedaille.

Bei der Nationalmannschaft ahnen sie, dass es schwierig wird. Zumal, wie Bundestrainer Sigurðsson aus eigener Erfahrung weiß, man als Spieler bei Olympia leicht vom Wesentlichen abgelenkt werden kann: Mit Island war er in Athen 2004 nur auf Platz neun gelandet. Als Beispiel kann er seit Sonntag auch auf die hoch gehandelten Kroaten verweisen, die ihr Auftaktspiel gegen Katar kurz vorm deutschen Auftritt überraschend klar 23:30 (8:15) verloren.

Das erste Gruppenspiel gegen die hoch eingeschätzten Schweden war also in vielerlei Hinsicht eine gute Standortbestimmung. Und zu Beginn sah es so aus, als gehe es so weiter wie zuletzt in der recht durchwachsenen Vorbereitung. Rasch lag die deutsche Mannschaft 1:4 zurück, weil sie bei den Angriffen der Schweden keinen Zugriff bekam und mehrere eher leichte Gegentore kassierte.

Die Schweden hatten allerdings das Pech, dass ihr Lauf jäh unterbrochen wurde, als sich das Talent Lukas Nilsson vom THW Kiel verletzte. Nach der längeren Unterbrechung war die deutsche Mannschaft plötzlich da. Nun klappte das Zusammenspiel besser, die Abschlüsse gerieten präziser, die Defensive stand stabil. Hinzu kamen spektakuläre Paraden von Torwart Andreas Wolff, der mit seinen erstaunlichen Reflexen bereits einen wesentlichen Anteil am EM-Titel hatte. Bald traf Kapitän Uwe Gensheimer von Paris Saint-Germain zur ersten deutschen Führung (6:5).

Konstant agierte die deutsche Mannschaft nun, die anfängliche Unordnung wich einer guten Abstimmung und einer überlegen Spielweise. Auf bis zu drei Tore wuchs der Vorsprung (14:11), mit einem 18:15 ging es in die Halbzeitpause. Julius Kühn vom VfL Gummersbach hatte sich dabei zum überragenden Akteur aufgeschwungen. Sechs Tore bei sechs Würfen standen zur Halbzeit in seiner Statistik. "Überragend", lobte Hanning den kraftvollen Rückraumspieler.

Vor allem zu Beginn hatte Sigurðsson häufig Gebrauch gemacht von einer Neuerung im Regelwerk, wonach ein siebter Feldspieler fliegend für den Torwart eingewechselt werden kann. Später, nach der Führung, setzte der Bundestrainer diese offensive Variante seltener ein und beließ Wolff im Tor. Dieser hatte die neue Strategie jedoch bereits für seine Privat-Statistik genutzt - ins leere Schweden-Gehäuse erzielte Wolff aus der Distanz sein erst zweites Länderspieltor zum 13:11. Die übrigen 31 deutschen Treffer verteilten sich auf acht Spieler: Kühn (8), Reichmann (6), Gensheimer (5/2), Wiede (4), Drux (3), Pekeler (2), Wiencek (2) und Lemke.

Schweden glich noch mal zum 25:25 aus

In der zweiten Halbzeit hielt die deutsche Gruppe die Schweden zunächst auf Distanz. Kühn erhöhte zwischenzeitlich auf 20:16. Dennoch erinnerte das Spiel bald danach an jenen Nervenkitzel, den die beiden Mannschaften dem EM-Publikum im Vorrundenspiel vor sieben Monaten beim 27:26 für Deutschland geboten hatten. Die Schweden glichen gar noch zweimal aus, zum 23:23 und zum 25:25. Doch weil sich die Schweden auch einfache Ballverluste leisteten, zog die deutsche Mannschaft jeweils rasch und meist nach von Rechtsaußen Tobias Reichmann verwandelten Gegenstößen wieder davon.

Am Dienstag folgt das zweite Gruppenspiel gegen Polen, dann geht es gegen Brasilien, Slowenien und Ägypten. Platz vier genügt fürs Viertelfinale - der Auftaktsieg in der kniffligen Partie wird helfen.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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