Handball:Am leeren Tor vorbei

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"Die Stimmung passt bei uns": Kim Ekdahl Du Rietz wirft sich für die Rhein-Neckar Löwen ins Getümmel und hilft mit beim Auswärtssieg im Spitzenspiel. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Flensburg gibt nach dem 21:23 gegen den Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen die Meisterschaft schon fast auf.

Von JÖRG MARWEDEL, Flensburg

Die Zuschauer der SG Flensburg-Handewitt hatten der Mannschaft vor der Partie gegen Tabellenführer und Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen mit einem Plakat einen klaren Auftrag gegeben: "Löwenjagd - in Afrika verboten, in Flensburg nicht." Doch dann erlegten die Handballer aus Schleswig-Holstein keinen einzigen Löwen, am Ende gewannen die in Mannheim ansässigen Löwen verdient 23:21 (13:11). Die zweite Meisterschaft binnen zwei Jahren ist "ganz nah", wie Rückraumspieler Kim Ekdahl du Rietz feststellte. Die Löwen haben jetzt drei Punkte Vorsprung vor Flensburg, sollte am kommenden Mittwoch daheim auch der THW Kiel bezwungen werden, lässt sich ihr neuerlicher Triumph kaum noch verhindern.

Dass die Flensburger nach dem harten Kampf der beiden besten Teams im Grunde aufgegeben haben, offenbarte SG-Trainer Ljubomir Vranjes, als er vor NDR-Fernsehkameras erklären sollte, wie es in ihm aussah. Er brach das Gespräch ab, weil ihn die Enttäuschung über diese Niederlage, die "besonders weh tut" überkam. Er hatte den Traum, den zweiten deutschen Meistertitel nach 2004 an die Förde zu bringen, bevor er nach sieben Jahren als Trainer in Flensburg zu Veszprem nach Ungarn weiterzieht.

Doch schon früh war zu sehen, dass die Flensburger deutlich nervöser waren als die Gäste. In der ersten Halbzeit hielt SG-Keeper Mattias Andersson nur wenige Bälle, während die Mannheimer bald das Gefühl hatten, "dass bei uns die Stimmung passt", wie Ekdahl du Rietz sagte. Kapitän Andy Schmid hatte einen ähnlichen Eindruck. Man habe "erwachsen" gespielt, jeder habe seinen Job gemacht. Das galt nicht nur für ihn selber, der das Spiel wieder gekonnt dirigierte. Es galt auch für Alexander Petersson (fünf Treffer), Rechtsaußen Patrick Groetzki (vier) sowie Ekdahl du Rietz, der in den letzten zwanzig Minuten die Empfindung hatte, dass es einer "der großen Kämpfe meines Lebens" war.

Vieles sei in Ordnung gewesen, fand SG-Manager Dierk Schmäschke: "Die Abwehr, der Torwart, das Publikum." Nur an zwei Dingen hatte er etwas auszusetzen: am zu heißen Wetter und am eigenen Angriff. Nach dem längerfristigen Ausfall von Holger Glandorf (Daumenbruch) spielte als einziger Linkshänder Johan Jakobsson. Manche wunderten sich über seine schwache Leistung. Erst nach der Partie veriet Schmäschke den Grund: Jakobsson spielte - in Abstimmung mit den Ärzten - mit gebrochener Hand.

Wie Jakobsson kämpften sich die Flensburger in und durch das Match. Nach der Pause blieben die Löwen gleich neun Minuten ohne Tor, weil Andersson plötzlich seine Form wiederfand und endlich so gut hielt wie man es von ihm gewohnt ist. Dann hatte Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen eine rettende Idee: Von der 45. bis zur 59. Minute schickte er sieben Feldspieler auf die Platte, aus dem 15:15 wurde wieder mehrmals ein Zwei-Tore-Vorsprung. Dennoch gab die SG nicht auf. In der 57. Minute verfehlte ausgerechnet Kentin Mahé - einer der wenigen, denen sonst die Nerven keinen Streich spielten - das leere Tor und damit das 22:22. In diesem Moment, vermutete auch Jacobsen, kippte das Spiel endgültig zu Gunsten seiner Mannschaft.

Damit blieben die Löwen in der 13. Partie nacheinander unbesiegt; die zwei Niederlagen gegen die Flensburger (17:21 im Hinspiel, 23:33 im Halbfinale des DHB-Pokals) waren damit nicht unbedingt vergessen, aber dieser Sieg in dieser Phase der Saison war wohl der wichtigste, zumal es die erste Heimniederlage für die Gastgeber war. Wobei: Die Spiele am Mittwoch gegen Kiel und danach auswärts in Wetzlar und am letzten Spieltag daheim gegen Melsungen müssen natürlich noch gespielt und gewonnen werden. Aber das Restprogramm der Flensburger ist auch nicht viel einfacher: am Mittwoch beim alten und neuen EHF-Pokalsieger Frisch Auf Göppingen, dann in Balingen und zum Schluss in der Flens-Arena gegen Wetzlar.

Nur einmal war kurz nach dem Ende der Partie so etwas wie ein Meisterschrei aus der Kabine zu hören. Aber, sagte Teammanger Oliver Roggisch: "Über die Meisterschaft reden wir heute und in den nächsten Tagen noch nicht. Die Mannschaft ist schon wieder runtergekommen und konzentriert sich auf Kiel."

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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