Handball:Als verlasse Lewandowski die Bayern

Füchse Berlin - SC Magdeburg

Petar Nenadic (mi.): Spielentscheidender Faktor der Berliner

(Foto: dpa)
  • Petar Nenadic hat am Dienstag sein letztes Spiel für die Füchse Berlin bestritten - nach der EM im Januar wechselt er zum ungarischen Serienmeister Veszprem.
  • Für Berlin war Nenadic ein wichtiger Spieler, gerade jetzt, da sich die Meisterschaftschancen der Füchse erstmals im realistischen Bereich bewegen.
  • Mit Veszprem hat der Serbe die Chance, Champions League zu spielen. Die Berliner wussten schon länger, dass sie ihn wohl nicht halten können.

Von Ralf Tögel

Velimir Petkovic geht ein paar Schritte zum Ende der Bank und streicht Petar Nenadic übers Haar. Fast zärtlich, wie ein Vater dem Sohn. Es ist das Zeichen, dass er noch mal ran muss, arbeiten. Nenadic streift sein Handtuch von den Schultern und trabt aufs Spielfeld. Der Serbe ist Handballer von Beruf, ein sehr guter Handballer. Freiwurf, Nenadic bekommt den Ball, ein Blick, ein Schlagwurf, Tor. Jeder wusste, dass der Spielgestalter der Füchse Berlin werfen wird. Nur: Es war nicht zu verhindern. Nenadic ist der Mann im Berliner Team für die wichtigen Treffer.

Oft genug fällt auf, dass der Serbe quasi im Alleingang Partien für die Füchse noch einmal herumreißt. Jüngst hatte er die bis zu diesem Wochenende auf Rang zwei in der Tabelle vorgestoßenen Berliner zum 27:23-Sieg beim wiedererstarkten HC Erlangen geführt. Am Dienstag rettete Nenadic mit neun Toren - darunter zwei Siebenmetern kurz vor Ende - das 23:23 (11:16) gegen den SC Magdeburg, der fast durchgehend in dieser Partie geführt hatte.

"Lieber einen zufriedenen Nenadic bis Januar als einen unzufriedenen bis Saisonende."

No-Look-Pässe über den Kopf zum Kreisspieler, Würfe, mit denen niemand rechnet, aus unmöglichen Positionen, in wichtigen Momenten, das Repertoire des 31-Jährigen ist beeindruckend. Wenn eine Mannschaft einen Regisseur hat, der seine Nebenleute einsetzt, Chancen kreiert, Spielzüge einleitet, die gegnerische Abwehr überrascht, das Tempo diktiert, hat sie Glück. Wenn dieser Spielgestalter auch noch torgefährlich ist, wird er zum entscheidenden Faktor.

Nenadic ist nicht nur mit einem guten Auge gesegnet, er hat diesen glasharten Wurf, den er aus dem Sprung, verzögert, aus dem Lauf oder aus dem Stand abfeuern kann. In der Saison 2015/16 war der Serbe Torschützenkönig in der Bundesliga, die als die beste Liga der Welt gilt. Mehr muss man nicht wissen, um seine Rolle im Team der Füchse zu beschreiben. Als er vor knapp zwei Wochen im Spiel gegen den Meister aus Mannheim, die Rhein-Neckar Löwen, gesperrt war, verlor Berlin klar mit 23:37.

Jetzt ist EM-Pause, fast das gesamte Füchse-Team wird sich in alle Winde zerstreuen und zu den Nationalteams reisen. Nenadic ist in der serbischen Auswahl gesetzt. Aber er wird nicht zurückkehren nach Berlin. Er wird nach der Europameisterschaft nach Veszprem reisen, er wechselt zum ungarischen Serienmeister. Man darf sich das in etwa so vorstellen, als ob der FC Bayern Robert Lewandowski in der Winterpause veräußern würde, vielleicht müsste man sogar noch Thiago Alcántara drauf packen.

Wie kann ein Klub einen derart wichtigen Spieler ziehen lassen? Gerade jetzt, da sich die Meisterschaftschancen der Füchse erstmals im realistischen Bereich bewegen? Denn die Liga ist ausgeglichen wie lange nicht, Kiel hat bereits elf Minuspunkte, und die Mannschaften auf den Verfolgerplätzen zwei bis sieben liegen nur wenige Zähler auseinander. Auch die Füchse haben beste Chancen auf einen Top-Rang.

Ein Teil des Geldes wurde schon neu investiert

Bob Hanning, Teammanager und Erfinder der Füchse, hat eine einfache Antwort: "Lieber einen zufriedenen Nenadic bis Januar im Team als einen unzufriedenen bis zum Saisonende." Außerdem zahlen die Ungarn dem Vernehmen nach 500 000 Euro. Hanning hat sich vor seiner Entscheidung mit den Führungsspielern besprochen, Torhüter Silvio Heinevetter, Paul Drux und Fabian Wiede, "alle waren meiner Ansicht", erzählt er.

Ein Teil des Geldes wurde in den halblinken Rückraumwerfer Stipe Mandalinic investiert, der kroatische Nationalspieler kam sofort und nicht erst wie geplant zur nächsten Saison für den nach Mannheim abwandernden Steffen Fäth. Die Lücke von Nenadic soll der 23 Jahre junge Nationalspieler Simon Ernst füllen, er kommt aus Gummersbach. Ein schwacher Trost für Hanning, der den Kampf um den Edel-Spielmacher nicht gewinnen konnte, zu groß war der Wunsch des Spielers. "Er ist ja schon vor der Saison auf mich zugekommen", sagt Hanning.

Nenadic sagt, dass er so eine Chance nur einmal bekomme: "Veszprem, Barcelona und Kiel sind die drei besten Klubs der Welt, da überlegst du nicht lange." Er sei jetzt 31, will noch fünf, sechs Jahre auf höchsten Niveau spielen - und die Champions League gewinnen. Mit Veszprem ist das möglich, der ungarische Serienmeister ist eine dieser Weltauswahlen mit üppigem Etat, die speziell für den Sieg in der Königsklasse zusammengestellt sind. Der Kroate Mirko Alilovic im Tor, der serbische Schütze Momir Ilic, die ungarische Legende Laszlo Nagy: Jede Position ist mindestens doppelt mit einem Weltklassespieler besetzt.

Trainer Velimir Petkovic ist entsetzt über den Verlust seines Führungsspielers

Nenadic kennt sie alle. Der Serbe ist weit herumgekommen, spielte für Roter Stern Belgrad, Barcelona, Pick Szeged in Ungarn, Holstebro in Norwegen oder Wisla Plock in Polen. Nie lange, er gilt als schwieriger Charakter. Hanning bestätigt das, in Berlin aber spielte er dreieinhalb Jahre. "Ich glaube, hier ist er angekommen", sagt der Manager. "Er ist eigentlich liebenswert, vielleicht hat er sich nie richtig geschätzt oder aufgehoben gefühlt." Nenadic selbst schwärmt geradezu von der deutschen Kapitale: "Ich könnte mir vorstellen, hier nach meiner Karriere zu leben." Er habe sich bei den Füchsen zu dem Spieler entwickelt, den nun die weltbesten Klubs umwerben, auch weil er "von drei Trainern profitiert habe". Erst spielte er unter dem Isländer Dagur Sigurdsson, der mit Deutschland Europameister wurde, dann kam dessen Landsmann Erlingur Richardsson und nun eben Velimir Petkovic, gebürtiger Bosnier, er hat schon mit dem Vater von Nenadic zusammen gespielt.

Der Trainer freilich ist entsetzt über den Verlust seines Führungsspielers, er erklärt das so: "Man hat gesehen, wie Kiel gespielt hat, als Duvnjak verletzt war. Oder nehmen sie den Rhein-Neckar Löwen Andy Schmid weg." Er hätte Nenadic natürlich bis Saisonende behalten wollen, nun muss er versuchen, "einen Weg zu finden, wie wir weiter auf diesem Level spielen".

Wie das gelingen soll? Da will sich der Füchse-Trainer nicht in die Karten schauen lassen und überhaupt: "Über die Meisterschaft haben wir nie gesprochen." Er hat jetzt auch keine Zeit mehr, er muss gehen, Petar verabschieden.

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