Handball:Alles deutet auf Sigurðssons Abschied

Handball EM-Qualifikation Deutschland - Portugal

Dagur Sigurðsson: Selten lange an einem Ort

(Foto: dpa)

Bleibt er? Geht er? Handball-Bundestrainer Dagur Sigurðsson schweigt zu seiner Zukunft, doch DHB-Vizepräsident Bob Hanning hat kaum Hoffnung auf seinen Verbleib. Aus guten Gründen.

Von Michael Wilkening, Zürich

Bob Hanning ist der starke Mann im deutschen Handball, und der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) wusste natürlich um die Bedeutung des knappen Sieges. Zweifellos wird sich die deutsche Mannschaft für die EM im Januar 2018 in Kroatien qualifizieren, daran hätte auch eine Niederlage im zweiten Spiel der Qualifikation in der Schweiz nichts geändert. Bedeutsam war der 23:22-Erfolg am Samstag bei den Eidgenossen dennoch - weil er verhinderte, dass sich die Debatte um die Zukunft von Dagur Sigurðsson intensivierte.

"Wenn wir das Spiel verlieren, weiß ich, welche Geschichten kommen", hatte Hanning vor der Partie des Europameisters beim Außenseiter klargestellt. Weil Sigurðsson darüber nachdenkt, seinen bis 2020 laufenden Vertrag per Sonderklausel zum Sommer nächsten Jahres zu kündigen, wäre eine überraschende Niederlage mit der unklaren Situation des Trainers in Zusammenhang gebracht worden. Die Deutschen konnten in der Schlussphase die drohende Schmach aber verhindern und wurden für einen nachlässigen Auftritt in der ersten Spielhälfte nicht bestraft. Es gab also keine Diskussion um Sigurðsson. Mit ihm gibt es die ohnehin nicht, denn der Bundestrainer schweigt seit Tagen beharrlich, wenn es um seine Lebenspläne geht.

Nach dem zweiten Pflichtsieg nach dem 35:24 gegen Portugal am zurückliegenden Mittwoch trennten sich die Nationalspieler noch in Zürich wieder. Bis zum nächsten Wiedersehen Ende Dezember zur direkten Vorbereitung auf die WM im Januar in Frankreich wird es eine Entscheidung gegeben haben - und wer Hanning zuhörte, ahnt, wie sie ausfallen wird.

"Wenn man ihn beobachtet, spürt man bei Dagur den Hang zur Veränderung", sagte Hanning, der den nach außen zurückhaltenden Isländer gut kennt. Hanning holte Sigurðsson in seiner Funktion als Manager der Berliner Füchse vor sieben Jahren als Trainer in die Hauptstadt und war ausschlaggebend für dessen Berufung zum Bundestrainer im Sommer 2014. Hanning glaubt, dass der gemeinsame Weg in ein paar Monaten endet.

Die Liste der Kandidaten umfasste einst 15 Namen. Aktuell schmilzt sie

"Beim Blick auf die Vergangenheit sieht man, dass Dagur es nirgendwo so lange ausgehalten hat wie bei uns in Deutschland", erklärte Hanning. Der Isländer benötigt den Wandel, um neue Lebensenergie zu erhalten. Nicht nur als Handball-Trainer war Sigurðsson erfolgreich, auch als Unternehmer in seiner Heimat bewies er Geschick. Die unerwartet schnellen Erfolge mit dem EM-Titel im Januar sowie dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio haben viel Kraft gekostet und dem vielseitigen Sigurðsson das Gefühl vermittelt, eine Veränderung zur Fortentwicklung zu benötigen.

Also ist der DHB-Vizepräsident schon jetzt damit beschäftigt, die Zeit nach Sigurðsson zu planen. Auch ohne eine endgültige Gewissheit, die es - laut Absprache - bis Ende des Monats geben wird. "Ich würde sehr gerne mit Dagur weiterarbeiten, aber jeder Wechsel bietet auch Chancen", sagt Hanning. Die Zukunft schimmert, mit oder ohne den langjährigen Gefährten, rosig für die Nationalmannschaft. Hannings Botschaft: Das Vorhaben, nach einer erfolgreichen Heim-WM 2019 im Sommer 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio Gold zu gewinnen, sei nicht gefährdet.

Der DHB-Vize hat längst eine Liste möglicher Nachfolger erstellt: "Da standen mal 15 Namen drauf, die ich nach und nach verkleinert habe." Am Ende sollen drei Alternativen übrig bleiben. Hanning wird Gespräche mit den Verbandskollegen sowie Vertretern der Liga führen, sich die Argumente anhören, am Ende aber in Eigenverantwortung einen neuen Bundestrainer auswählen. So wie er es bei der Einsetzung von Sigurðsson auch getan hat.

Negative Auswirkungen durch die Demission des Trainers für die anstehende WM sind für Hanning ausgeschlossen. "Die Mannschaft und die Führung sind in sich einig", sagte der DHB-Vize. Daran würden auch Niederlagen nichts ändern. "Wir fahren auf dem richtigen Gleis und werden weiter erfolgreich sein", verspricht Hanning.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: