Hamilton-Sieg in Silverstone:Ein Ständchen für die Boxencrew

Lewis Hamilton, Formel 1, Silverstone, Nico Rosberg

Obenauf: Lewis Hamilton nach seinem Sieg in Silverstone

(Foto: AFP)

"Enge-land, Enge-land!" Lewis Hamilton profitiert von Getriebeproblemen an Nico Rosbergs Mercedes und zelebriert seinen Sieg mit einer Gesangseinlage. Zudem moderiert der Brite seine Fortschritte im Titelkampf mit markigen Worten. Kimi Räikkönen übersteht einen schweren Unfall.

Von René Hofmann

Im neunten Saisonrennen hat es nun auch Nico Rosberg erwischt. Der 29-Jährige Deutsche war bis zum Großbritannien-Grand-Prix an diesem Sonntag ein Muster an Zuverlässigkeit. 1. - 2. - 2. - 2. - 2. - 1. - 2. - 1. - das war seine Ergebnisliste bis zum Auftritt in Silverstone gewesen. Und auch in Mittelengland sah es gut aus für Rosberg. Bis zu Runde 30 von 52.

Rosberg führte vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton, als sein Mercedes plötzlich an Vortrieb verlor und die Rivalen an Rosberg vorbeizischten, als habe der sich mit einer Seifenkiste auf die Rennstrecke verirrt. Überholt zu werden gefällt keinem Rennfahrer. Vor allem bei einem Gegner aber dürfte es Rosberg extrem geschmerzt haben, ihm nachschauen zu müssen: Als der Wagen mit der Startnummer 44 vorbeiging - Lewis Hamilton.

Der Brite war der große Profiteur von Rosbergs Ausfall. Der Sieg bei seinem Heimrennen fiel ihm so kampflos zu. Zweiter wurde Williams-Fahrer Valtteri Bottas, Dritter Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo. Auf den besten Verfolgerplätzen landeten Jenson Button (4./McLaren), Sebastian Vettel (5./Red Bull) und Fernando Alonso (6./Ferrari).

Ein äußerst buntes Ergebnis, das Hamilton mit einem kleinen Ständchen am Funk beging. Er sang: "Enge-land, Enge-land!" Mit dem fünften Triumph in diesem Jahr verkürzte er den Rückstand in der WM-Wertung auf Rosberg signifikant. Vor dem Großen Preis von Deutschland in zwei Wochen auf dem Hockenheimring trennen die beiden nun lediglich noch vier Punkte.

Räikkönen erlebt einen schweren Unfall

Hamilton gegen Rosberg, Rosberg gegen Hamilton. Das Gegeneinander der beiden prägt die Saison schon lange. In Silverstone wurde dabei eine neue Variante des inzwischen gewohnten Spiels gegeben. Nach den Enttäuschungen in Monte Carlo (Platz zwei hinter Rosberg), Kanada (Ausfall wegen Überhitzen der Bremsen) und Österreich (Platz zwei hinter Rosberg) war Hamilton mit markigen Worten ins Wochenende gestartet.

Er denke an Muhammad Ali und dessen Rope-a-dope-Taktik 1974 beim Sieg im "Rumble in the Jungle" gegen George Foreman hatte er die Welt und Rosberg über die Kolumne wissen lassen, die er für die BBC pflegt: "Er hing in den Seilen und überließ Foreman die Oberhand, bis er beschloss, dass es an der Zeit war, es umzudrehen."

Räikkönens beeindruckende Trümmerspur

Die erste Gelegenheit, sich einen Vorteil zu sichern, ließ Hamilton dann aber prompt verstreichen: Am Samstag - in der von Wetterkapriolen geprägten Qualifikation - brach er den letzten Versuch ab, eine schnelle Runde zu drehen, weil er dachte, das Wetter ließe eine Verbesserung nicht mehr zu.

Rosberg entschied sich anders, gab auf dem finalen Umlauf noch einmal beherzt Gas, sicherte sich so die Pole Position und ließ die Welt und den als Qualifikations-Sechsten enttäuschten Teamkollegen wissen: Er habe an den Basketball-Heroen Michael Jordan und dessen Motto gedacht - "Du verfehlst 100 Prozent der Würfe, die du nicht nimmst." Ali gegen Jordan: Wenn das mal keine Ansage ist.

Zum direkten Kräftemessen auf der Strecke kam es beim Start ins Rennen dann aber erst einmal nicht. Rosberg kam problemlos von der Ampel weg. Hamilton blieb zunächst auf Distanz. Nach wenigen Augenblicken aber war die Aufregung der Startphase schon wieder vergessen. Sie wurde abgelöst von der Aufregung, die ein schwerer Unfall auslöste.

Mit dem 47-fachen des eigenen Körpergewichts

Kimi Räikkönen kam auf dem ersten Umlauf auf der Gegengeraden von der Strecke ab. Auf dem Weg zurück zur Ideallinie geriet sein Ferrari ins Schleudern. Räikkönen krachte in eine Leitplanke und kreiselte von dort wild zurück auf die Piste. 47 G - das 47-fache des eigenen Körpergewichts - musste der Finne bei dem Aufschlag aushalten. Felipe Massa im Williams konnte mit einem Reflex-Manöver eine Kollision gerade noch verhindern. Die Trümmerspur, die Räikkönen hinterließ, war aber auch so beachtlich.

Damit die Streckenposten alle Splitter vom Asphalt kehren konnten, wurde das Rennen unterbrochen. Räikkönen humpelte mit einem geprellten Rücken und einem noch stärker geprellten Sprunggelenk zum Krankenwagen; sein Einsatz beim nächsten Rennen soll allerdings nicht gefährdet sein.

Rund eine Stunde dauerte es, bis die von Räikkönen beschädigte Leitplanke repariert war und das Rennen hinter dem Safety Car ein zweites Mal begonnen wurde. Und dieses Mal dauerte es nicht lange, bis Hamilton sich in Kampfdistanz zu Rosberg geschoben hatte. Der Mercedes ist derzeit das dominante Auto. Selbst bei einem Start aus dem Mittelfeld bieten sich in ihm noch Siegchancen.

Um seine zu maximieren, setzte Hamilton auf einen Kniff: Er wählte eine andere Strategie als Rosberg. Während dieser auf weichen Reifen loszog und bei seinem ersten Boxenstopp in Runde 19 erneut weiche aufziehen ließ, fuhr Hamilton auf seinen - ebenfalls weichen - Pneus weiter. Erst zur Renn- mitte kam er zum Service und ließ bei diesem harte Reifen befestigen. Mit diesen hätte er bis ins Ziel eilen können, während für Rosberg ein weiterer Stopp programmiert war. Auf den finalen Umläufen, so die Prognose, hätte es damit erneut zu einem Kopf-an-Kopf-Duell zwischen den beiden kommen können. Der Schaden an Rosbergs Getriebe verhinderte dies.

"Ich muss das jetzt abhaken", kommentierte Rosberg die Enttäuschung. Ob ihn wegen des Getriebeschadens eine Sanktion für den Auftritt in Hockenheim erwartet, konnte er noch nicht absehen.

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