Hamilton-Sieg in der Formel 1:Nur Augen für die Ideallinie

Spanish F1 Grand Prix - Race

Spaßvogel: Lewis Hamilton lässt die Grid-Girls am Sieg teilhaben.

(Foto: Getty Images)

Vierter Formel-1-Sieg in Serie: Lewis Hamilton gewinnt auch in Spanien vor seinem Mercedes-Kollegen Nico Rosberg und übernimmt die Führung in der WM-Wertung. Das Duell zwischen dem Briten und dem Deutschen spitzt sich auch abseits der Rennstrecke zu.

Von René Hofmann, Barcelona

Nach offizieller Zählung waren an diesem Sonntag 91 480 Zuschauer beim Großen Preis von Spanien am Circuit de Catalunya. Sie sahen ein Formel-1-Rennen, das 66 Runden bot. Aber nur sechs davon voller Spannung. Am Ende gewann Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton den Grand Prix knapp. Das Ziel nach 307,104 Kilometern erreichte er 0,6 Sekunden vor seinem Markenkollegen Nico Rosberg.

Für Hamilton war es der erste Erfolg in Barcelona. Und es war der vierte in diesem Jahr in Serie. Dritter wurde Daniel Ricciardo mit fast 50 Sekunden Rückstand, Vierter dessen Red-Bull-Kollege Sebastian Vettel. Wie überlegen die Formel-1-Autos von Mercedes auch im fünften Rennen waren, ließ sich auch daran ablesen, dass bereits der Siebte, Kimi Räikkönen im Ferrari, überrundet wurde.

Rosberg: "Ich bin definitiv nah dran"

Hamilton hatte das Rennen vom Start weg angeführt. Rosberg, der auf dem zweiten Startplatz hatte parken dürfen, war ihm auf den ersten Metern nicht gefährlich geworden. Weil die beiden mit unterschiedlichen Reifenstrategien unterwegs waren, kam er Hamilton erst ganz am Ende gefährlich nahe. Rosberg griff auf den weicheren und schnelleren Pneus an, Hamilton verteidigte auf den härteren clever.

Wäre es noch ein paar Kilometer weitergegangen, hätte sich die Reihenfolge vielleicht noch umgedreht. So aber hieß es zum vierten Mal nacheinander: 1. Hamilton, 2. Rosberg. Mit dem Erfolg übernimmt der 29 Jahre alte Brite die WM-Führung von dem ein halbes Jahr jüngeren Deutschen, womit er zum Titel-Favoriten aufsteigt: Noch nie hat ein Fahrer, dem vier Siege nacheinander glückten, den WM-Titel nicht gewonnen.

"Ich muss mich bei meinem Team bedanken. Eigentlich war Nico das ganze Wochenende über schneller", flötete Hamilton auf dem Siegerpodium. Rosberg gestand ein: "Eine Runde mehr, dann hätte ich es vielleicht versuchen können." Eine Runde: Am Ende können es wirklich Winzigkeiten sein, die große Duelle entscheiden. Mit dem Erfolg setzt sich Hamiltons Höhenflug fort. Und Rosberg weiß: Er hat den Rivalen nicht einmal wirklich bezwungen - bei seinem Sieg zum Saisonauftakt Mitte März in Melbourne war Hamilton ausgefallen.

"Ich bin definitiv extrem nah dran. Ich muss nur das Quäntchen finden, dann übernehme ich wieder", sprach Rosberg sich selbst Mut zu. Das nächste Rennen ist sein Heimrennen in Monte Carlo, das er im vergangenen Jahr gewann. Im Fürstentum dürfte sich das Duell fortsetzen, von dem das Rennwochenende in Barcelona geprägt war. In den Trainingssitzungen am Freitag hatte Hamilton Rosberg abgehängt. Bei der ersten Ausfahrt war er 1,1 Sekunden schneller gewesen, bei der zweiten vier Zehntelsekunden. Am Samstag aber hatte das Pendel umgeschlagen. Im dritten Training war Rosberg acht Zehntel voraus. Auch in die Qualifikation startete er besser. Bestzeit im ersten, Bestzeit im zweiten Zeitfahren. Es sah nach der zweiten Pole Position für Rosberg aus, vor allem als Hamilton am Funk schimpfte: "Irgendwie haben wir es hinbekommen, das Auto von gestern auf heute schlechter zu machen."

Dann aber kam der entscheidende Durchgang. Und es kam Hamiltons letzte Runde. Und nach der sagte Rosberg: "Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich dachte wirklich, dass ich ihn knacken kann." Dafür aber fehlten ihm acht Zehntelsekunden. Zum vierten Mal in diesem Jahr durfte Hamilton der Startampel am nächsten kommen. Im entscheidenden Moment da zu sein - das zeichnet Hamilton aus.

"Da könnten Spannungen sein"

Eine flächendeckende Tätowierung am Arm, ein Brillant in jedem Ohr, große Sonnenbrille, noch größere Baseball-Kappe: Äußerlich trägt er noch immer alle Insignien eines vermeintlich verwegenen Lebenswandels. Sein Berufsleben aber hat er offenbar in geordnete Bahnen gelenkt. Mit seinen Hunden hat ihn schon länger keiner mehr an der Rennstrecke gesehen. Auch der lange omnipräsente Manager ist in den Hintergrund gerückt. Und über die Dauer-On-Off-Beziehung zu Pussycat-Dolls-Sängerin Nicole Scherzinger redet Hamilton inzwischen zwar offen, die Auftritte der Pop-Größe im Fahrerlager aber sind auch seltener geworden.

Es ist deutlich zu spüren: Die Jagd auf seinen zweiten WM-Titel geht Hamilton ernsthaft an. Beim obligatorischen Foto mit dem Zweit- und Drittplatzierten der Qualifikation würdigte er Rosberg, der mit Hand-auf-die-Schulter-Legen demonstrativ die Nähe suchte, keines Blickes. Auch bei der Siegerehrung nach dem Rennen war die gleiche Körpersprache zu beobachten. Augen geradeaus, nur die Ideallinie im Blick: Alles Gesten, die auch als Ansagen gedeutet werden können. Die Psychologie ist wichtig im Spitzensport. Und sie gewinnt noch an Bedeutung, wenn dieser sich auf ein Duell verdichtet.

Selbst die Negation professioneller Hilfe kann dann zur Ansage geraten. Wie bei Hamilton. Um das ganze Team zu durchleuchten, hatte Teamchef Toto Wolff beim Rennen in Shanghai einen international renommierten Sportpsychologen eingeladen. In den britischen Zeitungen schlug das Wellen, doch in Barcelona stellte Hamilton klar: Der Seelendoktor sei nicht für ihn da gewesen. Er habe derlei "noch nie gebraucht" und werde derlei nie brauchen. "Also lasst mich damit in Ruhe, so lange ich gesund bin!"

Bis vor kurzem traten Hamilton und Rosberg bei Teamveranstaltungen häufig gemeinsam auf. Inzwischen absolvieren sie ihre Gespräche mit der Presse einzeln, was kein Zufall ist. "Wir haben das intern besprochen", bestätigt Teamchef Toto Wolff, "wenn wir sie nebeneinander setzen, könnten da Spannungen sein." Rosberg spricht von "schwierigen Momenten", zu denen es ab und an komme.

Die beiden kennen sich schon lange. Sie duellierten sich schon häufiger. Vor allem Rosberg aber realisiert offenbar erst jetzt, welchen Unterschied es macht, dass es bei ihrem aktuellen Gegeneinander am Ende um den prestigeträchtigsten Titel geht, den der Motorsport offeriert.

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