Hamburger SV:Westermann gewinnt den Pöbel-Contest

Hamburger SV - Borussia Dortmund

Heiko Westermann (re.): Erst punkten, dann schimpfen

(Foto: dpa)
  • Hartes Spiel, harte Reaktionen: Beim 0:0 der Dortmunder gegen den HSV geraten beide Trainer mehrmals aneinander, haben sich später aber wieder lieb.
  • Nur der Hamburger Westermann wird nicht mehr fröhlich.
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Von Stefan Rommel, Hamburg

Später war wieder alles gut, etwa eine Stunde nach Spielschluss. Josef Zinnbauer und Jürgen Klopp schritten Arm in Arm zur Pressekonferenz, wie ein verliebtes Pärchen tuschelten sie sich nette Worte ins Ohr. So viel Einigkeit hätte man den beiden gar nicht zugetraut nach einer schwer umkämpften Partie in der Hamburger Arena, in deren Verlauf die beiden Trainer einige Male verbal aneinandergeraten waren.

Zwei große Namen hatte der Spielplan an diesem 24. Spieltag zusammengeführt, wer aber ein entsprechend attraktives Treiben auf dem Feld erwartet hatte, sah sich bereits vor dem Anpfiff enttäuscht. Der Hamburger SV hatte seine Offensivkräfte Rafael van der Vaart, Artjom Rudnevs, Pierre-Michel Lasogga und Maximilian Beister auf der Bank platziert und seine Fokus stattdessen auf die Verteidigung des eigenen Tores gelegt.

Zwei eng miteinander verknüpfte Viererketten empfingen den BVB in der Hamburger Spielhälfte, und welche Gangart an diesem Nachmittag angesagt war, wurde bereits nach wenigen Momenten klar. Erst rammte Valon Behrami Dortmunds Henrikh Mkhitaryan gezielt den Ellenbogen ins Gesicht, dann trat Cleber Reis - allerdings wohl unabsichtlich - dem gestürzten Marco Reus an den Hinterkopf.

Erster Trainer-Disput nach 120 Sekunden

Behramis Vergehen an Mkhitaryan führte Klopp und Zinnbauer bereits nach 120 Sekunden erstmals zusammen, Dortmunds Trainer legte sich bei aller Heimeligkeit nach der Partie trotzdem fest und verfasste nach den Debatten um seine Aussagen gegen TV-Kommentator Marcel Reif gleich noch eine letzte Replik. "Ich habe diese Woche etwas gegen einen Journalisten gesagt, daraus ist eine Riesengeschichte entstanden. Jetzt sitzt ihr alle da und habt die Szene gesehen und wollt von mir hören, was ich dazu denke. Dabei denkt jeder das gleiche - außer Joe (Zinnbauer, d.Red.), weil es sein Job ist. Das war eine rote Karte, fertig! Ob Behrami acht Monate nicht gespielt hat oder zwei Wochen, ob ihm die Koordination fehlt oder sonst etwas: Es hat gereicht, um den Arm nach oben zu nehmen und Mkhitaryan ins Gesicht zu hauen."

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Die Stoßrichtung der Partie war mit dieser Szene vorgegeben. Der HSV verteidigte sehr aggressiv, die Gäste hatten den Ball, konnten damit aber nur in wenigen Sequenzen auch etwas anfangen. "Wir haben in den falschen Momenten in die falschen Räume gespielt und drucklos den Ball zu früh in die Tiefe gespielt", sagte Klopp. Beim BVB war auch deshalb von der Grandezza der Vorwoche nicht mehr viel mehr zu sehen. Dortmund verhedderte sich im Zentrum immer wieder im Hamburger Dickicht, und wenn Innenverteidiger Mats Hummels mit langen Bälle direkt in die Tiefe durchstechen wollte, verloren sich die schlecht getimten Zuspiele im Nirgendwo.

Adressat unbekannt

Nach 26 Minuten gab der BVB seinen ersten Torschuss ab, gegen Schalke waren es vor Wochenfrist zu diesem Zeitpunkt bereits neun gewesen. Überhaupt bekamen die 57.000 Zuschauer in der ersten Halbzeit von beiden Teams nur fünf Torschüsse zu sehen, der HSV durfte sich zwei Chancen durch Mohamed Gouaida (19./25.) notieren, der BVB hatte durch Pierre-Emerick Aubameyang (27.) seine einzige gefährliche Annäherung.

Der HSV verfolgte seine destruktive Strategie auch nach dem Wechsel konsequent weiter und kam bis zum Abpfiff nur noch zu einer halbwegs nennenswerten Chance, als Zoltan Stieber mit einem Freistoß an BVB-Keeper Roman Weidenfeller scheiterte (64.). Hamburgs Offensivspiel war geprägt von zahllosen Missverständnissen und Abspielfehlern, am Ende notierten die Statistiker bezeichnenderweise mehr Fehlpässe (108) als angekommene Zuspiele (106). Immerhin stimmten die Abläufe in der Defensive weiterhin ganz gut, was dem BVB nur drei, vier passable Gelegenheiten gewährte - keine davon aber von höchster Qualität.

"Die ganzen Idioten, die denken, sie hätten den Fußball erfunden!"

"Momentan ist es nicht gefragt, dass wir hübsch nach vorne spielen und früh attackieren", verteidigte Heiko Westermann die Spielweise seiner Mannschaft. Und wo er schon mal in Fahrt war, überraschte der dauerkritisierte Defensivspieler noch mit ein paar markigen Worten. "Die ganzen Idioten, die denken, sie hätten den Fußball erfunden, die können mich alle mal! Ich bin jetzt seit fünf Jahren hier und hab' auf dem Platz meinen Arsch hingehalten. Wenn jemand etwas anderes behauptet, kann er das gerne tun und zu mir kommen. Aber ich lasse mir von solchen Idioten hier meinen Namen nicht kaputt machen." Wem der verbale Schwinger gegolten hat, erläuterte Westermann nicht. Und auch sein Trainer konnte den Ausbruch Westermanns nicht zuordnen.

Also hielt sich Zinnbauer an das Protokoll des Spiels. "Wir sind nicht angetreten, um mit dem BVB über den Ballbesitz zu streiten. Und wir brauchen auch nicht darüber reden, dass Dortmund überlegen war", gab er offen zu. "Wenn der Raum eng wird, dann wird es eben auch mal aggressiver. Da haben sich beide Mannschaften nichts geschenkt." Die Partie endete standesgemäß so, wie sie begonnen hatte: mit einer diskutablen Zweikampfszene, die diesmal aber alberne Züge trug. Der kurz vor dem Ende eingewechselte Van der Vaart schubste Neven Subotic erst in Torhüter Weidenfeller und sank dann nach einem harmlosen Rempler von Subotic zu Boden. Beide Protagonisten sahen die gelbe Karte, danach war endgültig Ruhe.

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