Hamburger SV:Riskante Transfer-Strategie des HSV

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  • Der HSV legt seine Sparpläne ad acta und bleibt dem alten Personalkurs treu.
  • Einkäufe wie Papadopoulos und Pollersbeck sollen in bessere Zeiten führen.
  • Darüber hinaus möchte der HSV künftig wirklich auf Talente aus der eigenen Jugend setzen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

An seine Zeit als Sparminister bei Eintracht Frankfurt erinnert sich Heribert Bruchhagen gern. Immer, wenn in diesem einst wirtschaftlich arg gebeutelten Verein von Ausgaben die Rede war, die nach Bruchhagens Ansicht den finanziellen Rahmen sprengen würden, erwiderte der Vorstandsvorsitzende: "Das geht mit mir nicht. Punkt. Aus." Die Eintracht etablierte sich auf diese Weise trotz zweier Abstiege wieder in der ersten Liga.

Inzwischen hat der 68-jährige Bruchhagen die gleiche Position beim Hamburger SV inne. Der Unterschied ist, dass dort Klaus-Michael Kühne die Politik mitbestimmt. Jener Investor, der einerseits den jahrelang schlecht geführten Traditionsklub mit seinem Geld am Leben hielt; der aber anderseits verhindert, dass sich der HSV mal ohne hoch trabende Europacup-Ambitionen bescheiden neu sortieren kann.

Mitte Juni meldete sich Kühne zuletzt zu Wort: Er mahnte öffentlich, die Klubführung müsse sich in der Personalpolitik "sehr am Riemen reißen", weil bis dahin noch kein einziger Transfer eingetütet war. Das stand nicht nur im Widerspruch zu Bruchhagens Vorgehensweise. Auch der Aufsichtsrat wollte wegen sich abzeichnender Verbindlichkeiten von mehr als 100 Millionen Euro vorgeben, erst Spieler mit hohen Gehältern (wie Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby oder Aaron Hunt) zu verkaufen, bevor der HSV neue Profis verpflichtet.

Der HSV bleibt am alten Anspruchsdenken hängen

Zudem forderten die Prüfer eine Reduzierung des Gehaltsetats von 56 auf 48 Millionen Euro. Doch Bruchhagen weiß, wie "eminent wichtig" der Gönner Kühne für den HSV ist, man könnte auch sagen: wie abhängig der Klub vom Geldgeber ist. Also lenkte er ein. Es sei doch "kein Dogma", sagte er, ob man erst Profis verkaufe und dann neue verpflichte - oder umgekehrt.

Inzwischen ist es wie immer in den vergangenen Jahren: Vor dem offiziellen Ende der Sommerpause an diesem Donnerstag - zunächst mit internen Laktat- und Leistungstests - gilt erneut: Der HSV bleibt am alten Anspruchsdenken hängen. Der Klub erhielt die Lizenz nur, weil Kühne einmal mehr den Geldspeicher öffnete und mittlerweile 17 Prozent an der HSV Fußball AG hält. Und Bruchhagen und Sportchef Jens Todt schlossen mit dem Plazet des Milliardärs etliche teure Verträge ab.

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Der Gladbacher Stürmer soll rund sechs Millionen Euro Ablöse kosten. Darf Nicolai Müller nun zum VfL Wolfsburg wechseln? Schalke 04 tätigt seinen ersten Transfer.

Kyriakos Papadopoulos, der zuletzt als Leihspieler von Bayer Leverkusen im Abstiegskampf mit seinem zupackenden Wesen eine Art Retter des HSV war, wurde für mindestens sechs Millionen Euro Ablöse fest verpflichtet. Es könnten sogar bis zu zehn Millionen werden, wenn der verletzungsanfällige Profi (in sieben Bundesliga-Jahren verpasste er 115 Spiele) eine bestimmte Zahl von Einsätzen erreicht.

Dem umworbenen US-Stürmer Bobby Wood wurde der Vertrag mit einer Verdopplung des Gehaltes auf geschätzte drei Millionen Euro bis 2021 verlängert; immerhin: Sollte Wood den HSV vorher verlassen, kassiert der Klub jetzt fixierte 22 statt zwölf Millionen Euro. Aus Mönchengladbach kommt zudem für sechs Millionen Euro Flügelangreifer André Hahn. Und das Torwarttalent Julian Pollerbeck aus Kaiserslautern, der gerade mit der U21 in Polen Europameister wurde, ist mit rund 3,5 Millionen Euro Ablöse auch kein Schnäppchen.

Die Hamburger Sparpläne sind also ad acta gelegt. Nur noch 48 Millionen Euro Etat sei zwar in den Gremien weiter in der Diskussion, räumt Bruchhagen ein, "aber sie werden Bewegung nach oben erfahren - dank Herrn Kühne". Angeblich hat der Unternehmer zugestimmt, sich künftig nicht nur maßgeblich an Ablösesummen zu beteiligen, sondern auch an Gehältern.

Ein anderes Problem bleibt aber vorerst ungelöst: Derzeit stehen 33 Profis beim HSV unter Vertrag - am Ende sollen es nur 26 sein. Für die Großverdiener Lasogga und Holtby (beide kassieren dem Vernehmen nach fast 3,5 Millionen Euro pro Jahr), gibt es derzeit keine Angebote - begehrt ist nur Nicolai Müller (Wolfsburg, Schalke), der gar nicht weggehen soll. Immerhin wurde am Dienstag der österreichische Stürmer Michael Gregoritsch, 23, nach Augsburg verkauft - die Rede ist von fünf Millionen Euro Einnahme für den HSV.

Die These, dass es egal sei, ob man erst verkaufe und dann verpflichte oder umgekehrt, lässt sich anhand der HSV-Historie aber kaum halten. Schon 2013 und 2014 blieb der HSV auf zahlreichen Profis sitzen, weil jeder wusste, dass sie auf der internen "schwarzen Liste" standen und Gagen bezogen, die mit den Leistungen nicht übereinstimmten. Einige dieser Spieler konnten wenigstens ausgeliehen werden - sofern der HSV weiter einen Teil des Gehaltes trug. Die missglückte Personalplanung wurde am Ende sehr teuer. Nur bei Gojko Kacar und Ivo Ilicevic war der unplanmäßige Verbleib letztlich sogar hilfreich, weil sie mit einigen guten Spielen noch zum Klassenerhalt 2015 beitrugen.

Das Problem des HSV hat Bruchhagen erkannt: "Der Lizenzspieler-Etat steht mit dem Tabellenbild nicht in Einklang. Es ist meine Aufgabe, dieses Gleichgewicht herzustellen." Das wird nach der Rolle rückwärts nur gelingen, wenn der seit Herbst 2016 agierende Trainer Markus Gisdol länger bleiben darf als seine Vorgänger, von denen nur Thorsten Fink fast zwei Jahre im Amt verbrachte. Gisdol bevorzugt, anders als die Vorgänger, für sein Umschaltspiel schnelle, willensstarke Profis - und weniger launenhafte. Deshalb hat er sich sehr für die Dauerverpflichtung von Papadopoulos stark gemacht. Eine Idee, die der frühere Nationalspieler und Aufsichtsrat Willi Schulz unterstützt: "Mit seinem Naturell bringt er alles mit, was unser Verein braucht. Papa reißt die gesamte Truppe mit. Wie der Junge die Richtung vorgibt, ist sensationell", sagte Schulz der Bild.

Auch Hahn ist laut Sportchef Todt ein "Mentalitätsspieler". Darüber hinaus möchte der HSV künftig wirklich auf Talente aus der eigenen Jugend setzen, nachdem der Klub in den Jahren zuvor Begabungen wie Eric Maxim Choupo-Moting, Levin Öztunali oder Jonathan Tah vergrault hatte. Die neueste Hoffnung ist Torjäger Jann-Fiete Arp. Der 17-Jährige erzielte gerade bei der U17-EM in fünf Spielen sieben Tore, angeblich waren der FC Chelsea, RB Leipzig und Borussia Dortmund an ihm interessiert. Vorerst wehrte der HSV die Bewerber ab - er verlängerte Arps Vertrag bis 2019.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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