Hamburger SV:Raus aus dem Bett

Fussball 1. Bundesliga/  Hamburger SV - SC Freiburg

Er bestand darauf, selbst zu schießen - und schoss schlecht: Aaron Hunt scheitert mit seinem Elfmeter am Freiburger Alexander Schwolow.

(Foto: Elmar Kremser/SvenSimon)

Nach mehreren Hiobsbotschaften besteht der HSV den Stresstest gegen Freiburg. Nur die Diskussionen um einen Elfmeter trüben den Gesamteindruck.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der Spieltag hatte nicht gut begonnen für den Hamburger SV. Am Vormittag meldete sich Nicolai Müller für das Spiel gegen den SC Freiburg ab, den besten HSV-Vorlagengeber plagte Fieber. Der Nachmittag wurde nicht besser - vor allem psychologisch. Da gewannen die Konkurrenten im Abstiegskampf, Werder Bremen und der FC Ingolstadt, auswärts. Auch der frühe Abend brachte keinen Segen. Ein paar Minuten vor dem Anstoß sagte Bobby Wood, der beste Stürmer, mit Oberschenkelproblemen ab. Und als nach 30 Minuten Kyriakos Papadopoulos, der beste Antreiber und Abräumer, mit Schulterschmerzen vom Feld musste, war klar: Wäre der HSV eine Person, hätte man ihm empfohlen, an diesem Tag im Bett zu bleiben.

Doch die neuerdings tatsächlich funktionierende HSV-Elf hat diesen Stresstest gegen einen spielerisch besseren Gegner am Ende bestanden. Mit Abstrichen zwar, weil doch einiges durcheinander gekommen war, aber immerhin. Dazu trug einer wesentlich bei, der eigentlich längst bei Trabzonspor in der Türkei die Stiefel schnüren sollte, um den aufgeblähten Hamburger Etat zu entlasten: Aaron Hunt, 30, zuletzt bei Trainer Markus Gisdol ohne große Wertschätzung, spielte anstelle von Wood und den noch nicht wieder komplett fitten Alternativen Pierre-Michel Lasogga und Michael Gregoritsch eine Art Sturmspitze - erstmals seit seinem 18. Lebensjahr, wie er sich erinnerte. Schon nach 15 Minuten bewies Hunt seine Fähigkeiten, als er ein Zuspiel von Holtby durch die Beine von Söyüncü zum 1:0 ins Freiburger Tor beförderte.

Hunt und Gregoritsch stehen beide am Elfmeterpunkt, beide wollen schießen

Es war der Beginn eines "eigenartigen Spiels", wie Freiburgs Trainer Christian Streich befand. Eines, in dem die Breisgauer dem ersatzgeschwächten HSV zuweilen überlegen waren und trotz des vorübergehenden 1:1 durch Maximilian Philipp (23.) plötzlich wieder im Rückstand lagen. Der eingewechselte Gregoritsch hatte einen geschickten Pass von Gotoku Sakai zum 2:1 im Freiburger Kasten untergebracht (57.). Doch nachdem die Freiburger mit einem erneut schön herausgespielten Treffer durch Vincenzo Grifo (wie beim ersten Tor gab Torjäger Nils Petersen die Vorlage) erneut ausgeglichen hatten, hätte der aufgedrehte Hunt noch zum richtigen Helden des Abends werden können. Doch auch das passte zu diesem Tag: dass Hunt eben nicht zum Triumphator wurde.

Die Geschichte des Elfmeter in der 88. Minute hat ihn später unruhig an seinem Bart herumzupfen lassen. Dass Schiedsrichter Christian Dingert nach Intervention seines Assistenten auf den Strafstoßpunkt zeigte, schien zunächst schon fragwürdig zu sein. Hunt war ins Stolpern gekommen, es war aber unklar, ob das am kurzen Kontakt mit Abwehrspieler Marc Torrejon ("Ich habe gar nichts gespürt") lag. Es war jedenfalls eine "sehr, sehr, sehr harte" Entscheidung, wie Freiburgs Coach Streich überraschend nachsichtig meinte. Wohl auch deshalb, weil Hunt den Strafstoß, den Torwart Alexander Schwolow mühelos abwehrte, als "den schlechtesten Elfmeter, den ich je in der Bundesliga geschossen habe" bezeichnete, er also keinen Schaden angerichtet hatte.

Vielleicht spukte Hunt noch die Auseinandersetzung mit dem Kollegen Gregoritsch im Kopf herum. Beide standen schussbereit am Elfmeterpunkt, jeder hatte kurz den Ball in der Hand. Bis Kapitän Sakai entschied, Hunt solle schießen. Während Abwehrchef Mergin Mavraj die Diskussionen später wohlwollend beurteilte ("Ist doch ein gutes Zeichen, wenn zwei Leute schießen wollen"), überlegte Trainer Gisdol, ob es nicht künftig vielleicht besser sei, nicht nur den ersten Schützen festzulegen (das war der ausgefallene Wood), sondern eine klare Reihenfolge. Die Debatte vor dem Elfmeter habe "sicher nicht geholfen", sagte der Trainer später.

Doch während die Verantwortlichen beim Aufsteiger aus Freiburg, der nun schon 30 Zähler erspielt hat, noch überlegten, ob sie mit diesem Unentschieden wohl zufrieden sein sollten, hat sich in Hamburg vorerst das positive Denken des Trainers Gisdol durchgesetzt. Nicht nur er und Sportchef Jens Todt zeigten sich demonstrativ froh mit dem einem Punkt gegen einen starken Gegner. Auch der Abwehrspieler Mavraj wertete das Resultat als "wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt". Ob das wirklich so ist, wird auch von der Konkurrenz abhängen. Werder oder Ingolstadt sollten jedenfalls nicht immer so gute Tage haben wie am Wochenende.

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