Hamburger SV nach dem Pokal-Aus:Von einer Peinlichkeit in die nächste

Der Hamburger SV ist vor der 50. Bundesliga-Saison das einzige Gründungsmitglied, das nie abstieg. Doch nicht erst das Pokal-Aus beim Drittligisten Karlsruher SC weist auf große Probleme in der Mannschaft hin. Sogar Trainer Thorsten Fink, der sein Team stets verteidigte, reagiert entsetzt. Ist der HSV ein Abstiegskandidat?

Carsten Eberts, Hamburg

Nach dem Schlusspfiff verlor beim Hamburger SV manch einer die Orientierung. "Ein 2:3 in Karlsruhe ist nicht gut", klagte Mittelfeldspieler Per Skjelbred. Dieser Analyse, zumal eine Viertelstunde nach Spielschluss, ist nicht viel hinzuzufügen. Wenn ein Drittligist im DFB-Pokal einen Erstligisten besiegt, ist das für den Erstligisten überhaupt nicht gut. Wenn der große Gegner den kleinen Gegner jubeln sieht und erklären muss, wie um alles in der Welt so ein Ergebnis zustande kommen kann.

Karlsruher SC - Hamburger SV

Schlimme Erfahrung an alter Wirkungsstätte: Hamburgs Trainer Thorsten Fink am Sonntag in Karlsruhe.

(Foto: dpa)

Soweit lag Skjelbred also richtig. Einziger Schönheitsfehler in seiner Analyse: Der HSV hatte am Sonntagnachmittag in Karlsruhe nicht 2:3, sondern gar 2:4 verloren. Der Norweger hatte nicht mal das richtige Endergebnis mitbekommen, obwohl er über 85 Minuten auf dem Platz stand.

Es mag tröstend sein, dass der HSV nicht alleine ist mit seiner misslichen Lage. Nicht nur für die Hamburger wurde die erste Runde des DFB-Pokals zu einer blamablen Erfahrung. Gleich sechs Bundesligisten erwischte es bei unterklassigen Gegnern: Der 1. FC Nürnberg unterlag dem TSV Havelse (2:3), Werder Bremen verlor bei Preußen Münster (2:4), Aufsteiger Fürth patzte in Offenbach (0:2), Mitaufsteiger Frankfurt hatte in Aue keine Chance (0:3). Hoffenheim verlor beim Berliner AK gar noch höher (0:4).

Jede Niederlage hat ihre eigene Geschichte, für den HSV ist sie jedoch besonders bezeichnend. Untermalt sie doch eine Entwicklung, die spätestens seit Beginn der Sommerpause in nur eine Richtung führt: Der HSV tut sich enorm schwer, eine funktionierende Mannschaft zu formen, die auf erstklassigem Niveau bestehen kann. Am kommenden Wochenende startet die Bundesliga in ihre 50. Saison. Dass der HSV, das einzige bislang nie abgestiegene Gründungsmitglied, auch dieses Spieljahr fern der Abstiegsplätze beendet, scheint keineswegs gesichert.

Was Spieler und Mannschaft bis zum Ligastart gegen Nürnberg erwartet, ahnt Trainer Thorsten Fink. "Wir werden jetzt eine Woche lang Feuer bekommen", sagte er in Karlsruhe, "und diesmal völlig zu Recht." Selbst die natürliche Erwartungshaltung in Hamburg, dass man als Traditionsklub, bei dem einst Uwe Seeler groß wurde, per se mindestens um die Europapokalplätze mitspielen muss, bröckelt. "Der HSV blamiert sich mal wieder", heißt es beim Hamburger Abendblatt. Die Morgenpost schreibt: "Ein Klassenunterschied zwischen erster und dritter Liga war nicht zu erkennen."

Auch Fink sagte, es falle ihm schwer, nach dem Pokal-Aus "irgendetwas Positives zu finden". Bislang hatte der Hamburger Trainer seine Mannschaft stets energisch verteidigt und betont, der Abstieg sei für diese Truppe überhaupt kein Thema. Am Sonntagabend klang Fink anders. Am Montagmorgen schickte er seine Spieler erstmal zum Waldlauf in den Hamburger Volkspark.

Dabei begann das Pokalspiel für den HSV gut. Der Erstligist führte durch ein Tor von Marcus Berg (23. Minute), ging mit dem Halbzeitpfiff durch Maximilian Beister erneut in Führung - und verlor trotzdem. Am Ende waren es vor allem einfache Standardsituationen, mit denen der Drittligist die Hamburger übertölpelte. Wohlklingende Namen wie Koen van der Biezen (32.), Selcuk Alibaz (58.), Martin Stoll (79.) und Elia Soriano (86.) schossen den Karlsruher Sieg heraus. "Wenn man die kompletten 90 Minuten sieht, dann war es katastrophal", klagte Kapitän Heiko Westermann.

Gerade stark genug für Altona 93

Vereinsintern wird längst thematisiert, dass der HSV mit diesem Personal in der Liga Probleme bekommen könnte. Wochenlang sprachen Fink und Sportdirektor Arnesen davon, sie seien mit der Komposition des Kaders und den bisherigen Zugängen (wie den Stürmern Rudnevs und Beister sowie Torwart René Adler) grundsätzlich zufrieden - wenn noch zwei starke Spieler für die Sechser- und Zehnerpositionen kommen. Als Fink schließlich mit Abwehrspieler Slobodan Rajkovic brach und ihn aus dem Kader verbannte, musste auch noch ein Innenverteidiger gefunden werden. Drei Spieler, die den HSV auf ein anderes Niveau hieven sollten. Einzig diese zu finden, gestaltete sich als schwierig.

Denn finanzielle Mittel hat der HSV kaum. Mit dem Verkauf des Peruaners Paolo Guerrero wurde kein frisches Geld verfügbar, sondern im Nachhinein der Transfer des neuen lettischen Stürmers Artjoms Rudnevs finanziert. Ganz große Summen, etwa für den Niederländer Rafael van der Vaart, der besonders von den Fans herbeigesehnt wurde, weil sie mit ihm bessere Zeiten verbinden, waren schon mal gar nicht da.

Arnesen musste erfinderisch werden. Aus Zagreb kommt der junge kroatische Spielmacher Milan Badelj, jedoch nicht sofort, sondern erst Anfang September, wenn er mit seinem bisherigen Klub die Champions-League-Playoffs absolviert hat. Als neuer Innenverteidiger wurde der Österreicher Paul Scharner verpflichtet, der sich gleich gut einführte, indem er sich mit seinem Nationalcoach Marcel Koller überwarf und unter großem Mediengetöse aus dem Nationalteam flog. Ob sie auf Anhieb Stammkräfte werden, ist eher fraglich.

Ein echter Sechser fehlt in Arnesens Rechnung noch, obwohl dem HSV ein weiteres strukturierendes Element im Mittelfeld augenscheinlich guttun würde.

Es war nicht nur das Pokalspiel in Karlsruhe, dass der HSV unbefriedigend abschloss. Im Juli verloren die Hanseaten gegen ein Nachwuchsteam voller 17- und 18-Jähriger des FC Barcelona verdient 1:2, beim großen Testspielturnier in der eigenen Arena mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund und Werder Bremen wurde der HSV Letzter. Vor einer Woche dann beinahe das Fiasko im stadtinternen Duell: Gegen Altona 93, einen kleinen Hamburger Oberligisten, lag der HSV bereits 0:2 zurück, ehe der Bundesligist das Spiel unter größter Anstrengung doch noch 5:3 gewann. Zumindest diese Peinlichkeit konnte der Klub abwenden.

Am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg soll alles anders werden. "Wir haben gesehen, woran es lag und werden das besprechen", kündigte Fink an. Dass die Nürnberger den HSV unterschätzen und entsprechend locker in die Partie gehen, ist kaum zu erwarten. Denn was der HSV am Sonntag in Karlsruhe erlebte, widerfuhr den Nürnbergern beim 2:3 in Havelse. Es wird das Duell zweier Teams, die nach dem DFB-Pokal einiges gutzumachen haben.

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