Hamburger SV:Länderspielpause bitte verschieben!

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Wenn dieses Foul an Filip Kostic (r.) als Elfmeter gewertet worden wäre ... Auch wegen dieser Szene fanden die Hamburger, dass das Remis in Ordnung ging. (Foto: imago/Eibner)

Dem HSV kommt die zweiwöchige Unterbrechung gar nicht gelegen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Für einen klitzekleinen Moment sah es so aus, als nehme sich Markus Gisdol für die nachfolgenden Stunden noch ein ganz großes Projekt vor. Wenn es bei einer Mannschaft so gut laufe, seufzte Hamburgs Trainer am Samstagabend, "wäre es gut, wenn man die Länderspielpause verschieben könnte". Und für diesen klitzekleinen Moment klang das auch nach einem ebenso nachvollziehbaren wie praktikablen Ansatz: Denn wer es schafft, einen gebeutelten HSV wieder halbwegs zu stabilisieren, für den kann es vermutlich auch nur eine Kleinigkeit sein, kurzerhand den globalen Jahres-Spielkalender umzumodeln. Doch nur einen Atemzug später knickte Gisdol wieder ein und befand: "Aber das kriegen wir nicht organisiert."

Also macht der HSV nun wie tausend andere Profi-Vereine dieser Welt eine knapp zweiwöchige Pflichtspiel-Pause. Aber er beginnt sie recht wohlgestimmt. Am Samstag in Frankfurt gab's ein 0:0, über das sich beide Teams trotz tabellarischer Einbußen freuten. Die Eintracht, weil sie erstmals nach fünf Niederlagen in Serie wieder einen Zähler holte und Kapitän Marco Russ knapp zehn Monate nach seiner Hodenkrebs-Diagnose erstmals wieder in der Startelf stand; und die Hamburger, weil sie ihre Ertragsbilanz auf immerhin 14 Punkte aus den vergangenen sieben Spielen ausbauten und sich somit weiter auf einem guten Weg sehen können.

Die jüngsten Erfolge reichen zwar weiterhin nur für den Relegationsplatz, doch der Abstand auf die direkten Abstiegsränge ist schon stattlich und die Distanz nach oben minimal. Und das wiederum ist eine Konstellation, mit der in Hamburg kaum jemand rechnen durfte, als die Mannschaft nach zwölf Spieltagen gerade mal vier Zähler auf dem Konto hatte oder Anfang Februar noch auf einem Abstiegsplatz lag. Manager Jens Todt sah sich in Frankfurt zur eigenen Verblüffung schon mit der Frage konfrontiert, ob er vor der Länderspiel-Pause nicht eine gewisse Entspannung verspüre. Und der Vorstandschef Heribert Bruchhagen gab zwar bei der Rückkehr an seinen langjährigen Arbeitsort die wohl korrekte Prognose ab: "Wir müssen damit leben, bis zum 34. Spieltag eine große Anspannung zu haben." Aber es gibt glaubwürdige Augenzeugen, die ihn bereits in noch angespannteren Zuständen erlebt haben.

So können die Hamburger den Schlussspurt mit dem Hinweis angehen, dass sie neben der zuletzt dokumentierten Heimstärke nun auch auswärts das Punktesammeln beginnen. Und sie haben den ausstehenden Spielplan gut genug studiert, um daraus ein paar Brocken Optimismus abzuleiten: Sie treffen noch auf fünf der sechs Konkurrenten, die sich derzeit mit ihnen ganz unten im Klassement befinden.

Andererseits jedoch gab es für die HSV-Verantwortlichen am Wochenende auch diverse Elemente zu sehen, die ihnen missfallen mussten. "Zerfahren", lautete das noch recht gnädige Urteil Bruchhagens über diese beiderseits von zahlreichen Fouls und Fehlern geprägte Begegnung. Allein die Tatsache, dass der Schiedsrichter Benjamin Cortus nach einem klaren Foul von Frankfurts David Abraham an Filip Kostic (61.) keinen Elfmeter gab, konnten die Hamburger hinterher als Argument für einen gerechten Spielausgang benutzen.

Denn nach vorne gab es beim HSV nahezu keine kreativen Momente, die Statistiker ermittelten eine Passgenauigkeit von gerade mal 51 Prozent. Und die defensive Struktur pries Trainer Gisdol zwar als grundsätzlich stabil, aber zugleich gab es so viele Systemfehler, dass sich die Frankfurter drei sehr gute Gelegenheiten durch Branimir Hrgota (29.), Ante Rebic (51.) sowie Michael Hector (73.) erkämpften. Zu manch anderer Chance wiederum kam es nur deshalb nicht, weil Torwart Rene Adler mit wachem Stellungsspiel ebenso zu gefallen wusste wie der Winter-Zugang Kyriakos Papadopoulos in einem neuerlichen Bewerbungsauftritt für den Titel "Koloss von Katerini". Grätschend, köpfelnd und die Mitspieler intensiv anfeuernd, so durchlebte der Grieche diese 90 Minuten, und zur Not packte er sich auch mal seinen Nebenmann und schüttelte ihn mit seinen kräftigen Pranken durch. Seinen Ausfall zu ersetzen, wäre im Moment wahrscheinlich noch schwerer, als kurzfristig den weltweiten Jahres-Spielkalender umzuwerfen.

Langweilig dürfte die Pflichtspiel-freie Zeit in Hamburg aber nicht werden. Schon seit geraumer Zeit unterhalten sich Klubleitung und Trainer über eine Vertragsverlängerung, und seit ebenso geraumer Zeit ist die Frage, ob mögliche Forderungen Gisdols nach personellen Kaderkorrekturen und Bruchhagens geplante Sanierung der Klubfinanzen miteinander in Einklang zu bringen sind. Derzeit senden alle das Signal aus, dass das schon klappen werde, unabhängig von der künftigen Spielklasse - aber eben auch, dass es nicht unbedingt in den nächsten zwei Wochen zur Unterschrift kommt.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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