Hamburger SV:Jérôme Boateng will zu Manchester City

Lesezeit: 3 min

Ein üppiges Angebot soll den Jung-Nationalspieler zum Klub der Scheichs locken. In Hamburg befürchtet man hingegen ein Auseinanderbrechen der Elf.

Die ohnehin schon schwermütige Stimmung beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV erhält offenbar einen weiteren Tiefschlag: Das Hamburger Abendblatt meldet, dass Jérôme Boateng, 21, zum Saisonende den Verein verlässt und zum englischen Premier-League-Klub Manchester City wechselt.

Damit würde der HSV einen wichtigen Spieler für eine Mannschaft der Zukunft verlieren. Boateng geht offenbar in das Land, in dem sein Halbbruder Kevin-Prince bereits spielt, beim FC Portsmouth. Der Noch-Hamburger fährt immerhin als deutscher Nationalspieler zur WM nach Südafrika, während Kevin-Prince für Ghana antreten wird. Beide sind bei Hertha BSC Berlin ausgebildet worden.

Schon seit Wochen kursiert die Vermutung in der Hansestadt, dass Jérôme Boateng wohl nicht mehr zu halten sei. Am Dienstagmittag bestätigte der Hamburger SV die Wechselabsichten des 21-Jährigen: "Der Berater des Spielers, Jörg Neubauer, hat uns darüber informiert, dass Jérôme im Sommer wechseln möchte", sagte HSV-Sprecher Jörn Wolf der Deutschen Presse-Agentur.

Der Berliner hatte sich in Hamburg zu einer festen Größe in der Innenverteidigung entwickelt und gilt auch bei Bundestrainer Joachim Löw für Südafrika als Hoffnungsträger in der Abwehr. Sein Berater Jörg Neubauer und Manchester sollen sich nun nach Informationen des Abendblatts am 1. April einig geworden sein. Die Hamburger Morgenpost berichtet ebenfalls, dass der Transfer beschlossen ist. Die festgeschriebene Ablösesumme beträgt 12,5 Millionen Euro (wovon Boatengs Jugendklub Hertha BSC Berlin 20 Prozent erhält), der Spieler soll ein Jahresgehalt von fünf Millionen Euro kassieren. Kurz hieß es, auch der FC Bayern habe Interesse an dem jungen Verteidiger, Gespräche sollen aber nie zustande gekommen sein.

Noch gibt es weder von Berater Neubauer noch vom Spieler oder den Vereinen eine Bestätigung für den Transfer. Neubauer sagte dem SID. "Ich werde zu aktuellen Sachstände nichts sagen und äußere mich auch nicht zu irgendwelchen Vereinen", kündigte aber gleichzeitig eine "zeitnahe Entscheidung" an: "Die Gespräche dauern ja bereits eine gewisse Zeit an. Es war von Beginn an nicht unsere Intention, die WM für eine Entscheidung abzuwarten."

Der HSV hat bereits seine Scouting-Abteilung beauftragt, gezielt einen Nachfolger für den Abwehrspieler zu suchen. Benedikt Höwedes (Schalke) und Mats Hummels (Dortmund) sollen erste Kandidaten sein, die beiden anderen großen deutschen Verteidiger-Talente. Doch weil der Hamburger SV inzwischen sogar um die Qualifikation zur Europa League bangt, während Schalke und Dortmund um die Champions League spielen, dürften diese Personalien auch für den neuen HSV-Sportdirektor Urs Siegenthaler schwierig zu realisieren sein.

Die sportliche Misere (neben dem üppigen Gehalt in Manchester) dürfte auch zu Boatengs früher Entscheidung gegen den Hamburger SV geführt haben. Nachdem die Mannschaft in der Vorrunde noch zu den Meisterkandidaten gerechnet wurde, bot sie in der Rückrunde teils schaurig blutleere Leistungen.

Allein in der Europa League schwingt sich die Elf zu guten Auftritten auf und steht im Halbfinale gegen den FC Fulham. Manchester City dagegen liegt in der Premier League derzeit auf Rang vier und hofft, sich erstmals für die Champions League zu qualifizieren. Zudem gilt der Verein als Finanz-Großmacht der Zukunft, subventioniert von einem Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

In Hamburg befürchten nun viele ein Auseinanderbrechen der Mannschaft. Vor allem der Führungsstil von Trainer Bruno Labbadia hat die Hamburger Elf offenbar entzweit. Es soll Beschwerden von Spielern beim Vorstand über den Trainer gegeben haben - ähnliches ist Labbadia vor einem Jahr in Leverkusen passiert. Nationalspieler Piotr Trochowski etwa gilt als sicherer Wechselkandidat, sollte der Trainer auch im kommenden Jahr Labbadia heißen. Der Verbleib von Stürmer Paolo Guerrero ist nach Kreuzbandriss, Flugängsten und Flaschenwurf gegen einen Zuschauer ungewiss - und Red Bull New York lockt immer noch Zé Roberto mit einem Millionengehalt. Eljero Elia und Jonathan Pitroipa sind unzufrieden.

Urs Siegenthaler tritt zwar erst nach der WM offiziell seinen Posten als Sportdirektor an und gibt bislang keine öffentlichen Stellungnahmen. Doch ist der Schweizer nun schon häufiger in Hamburg gesichtet worden, er soll bereits voll eingebunden sein.

Siegenthaler wird einen weiteren Neuaufbau der Mannschaft moderieren müssen. Zwar scheint der Plan des Vereins neuerlich aufzugehen, Spieler billig zu kaufen und damit später beim Verkauf einen ordentlichen Gewinn zu verbuchen. Gerade Manchester City erweist sich hier als regelmäßiger Abnehmer mit dickem Geldbeutel: Für Vincent Kompany und Nigel de Jong haben die Engländer mit den reichen Scheichs im Hintergrund bereits 27 Millionen Euro überwiesen. Bei Boateng machen die Hamburger nun auch einen guten Schnitt: Im August 2007 hatten sie nur 1,1 Millionen Euro nach Berlin überwiesen.

Sportlich haben die Hamburger hingegen bislang den Durchbruch ganz an die Bundesliga-Spitze verpasst. Und ob der Verein diesen Durchbruch dem Trainer Labbadia noch zutraut, ist ebenfalls fraglich. Stürzt die Mannschaft aus den internationalen Plätzen in der Liga und gewinnt nicht das Finale der Europa League im eigenen Stadion, muss Siegenthaler wohl auch einen neuen Trainer suchen.

© sueddeutsche.de/hum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: