Hamburger SV in der Bundesliga:Ovationen für die Chancenlosen

Hamburger SV FC Bayern München

Tief durchatmen: Ivo Ilicevic (rechts) und Milan Badelj nach einer vergebenen Torchance.

(Foto: dpa)

Die Hamburger Anhänger besingen ihre Spieler, die Bayern-Fans verhöhnen sie: Der HSV kassiert gegen die Bayern eine heftige Niederlage und muss weiter um den Relegationsplatz zittern. Eines macht allerdings Hoffnung: Die Konkurrenz ist noch schlechter.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Der Schlusspfiff ertönte, und es wurde richtig laut. Die Nordkurve brüllte und sang, wie zuvor über 90 Minuten nicht. "Niemals zweite Liga", hallte es auf die Spieler herunter, die sich erst selbst abklatschten, dann auf den Weg zu ihren Treuesten in die Kurve machten.

Die Fußballer des Hamburger SV genossen die Ovationen, dann kehrten sie mit frischem Optimismus versorgt in ihre Kabine zurück. Auf dem Weg machte René Adler kurz Halt. Er sei "erleichtert", sagte der Nationaltorhüter, die Mannschaft könne "erst mal durchatmen".

Der HSV hatte gerade 1:4 gegen Bayern München verloren.

Am vorletzten Spieltag, mitten im Abstiegskampf, kommt solch ein Ergebnis normalerweise einer Katastrophe gleich. Nicht so im Fall des HSV. Die Spieler hatten eine heftige wie verdiente Niederlage kassiert. Sie hatten jedoch auch den unheilverkündenden Spieltag, der sie dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte sehr nahe hätte bringen können, zu ihrer eigenen Überraschung unbeschadet überstanden.

Das 1:4 gegen die Bayern war eine Niederlage von einkalkulierter Größenordnung, doch auch die direkten Konkurrenten verloren ihre Spiele: Nürnberg 0:2 gegen Hannover und Braunschweig 0:1 gegen Augsburg. Der HSV verbesserte seine eigene Lage damit ohne eigenes Zutun. "Für uns gilt, dass wir die Relegation weiterhin aus eigener Kraft erreichen können", stellte Trainer Mirko Slomka zufrieden fest.

"Wir haben es in Mainz selbst in der Hand. Wir müssen nur gewinnen", erklärte auch Ivo Ilicevic. Hakan Calhanoglu sagte: "Dieses Spiel wird für uns nicht nur ein Finale sein, es ist für mich wie Champions League." Ein Sieg bei Mainz 05 am letzten Spieltag und der HSV hätte den Relegationsplatz sicher. Auch eine Niederlage würde nicht automatisch den Abstieg bedeuten, denn wenn auch Nürnberg und Braunschweig erneut verlieren, kann der HSV so hoch verlieren, wie er will.

So ist das derzeit beim Hamburger SV. Ein Auge auf die eigene Leistung, das andere aber schnell auf die Leistungen der Konkurrenz. Seit vier Spieltagen hat der HSV keinen Punkt mehr geholt, was auch für Slomka, der als Retter installiert wurde, eine deprimierende Bilanz ist. Und trotzdem könnte der HSV am Ende mit gerade 27 Punkten die Relegation erreichen. Weil die Konkurrenz noch schlechter ist.

Eine der positiveren Saisonleistungen

Die Leistung des HSV gegen die Bayern gehörte indes zu den positiveren dieser Spielzeit, auch wenn der Nordklub nicht ansatzweise dran war, den Favoriten zu besiegen. Eine halbe Stunde war die Partie offen, mit hohem Pressing brachte der HSV die Münchner aus deren Komfortzone. Selbst Bayern-Trainer Pep Guardiola lobte die engagierte Hamburger Versuchsanordnung der ersten 30 Minuten. Seine Mannschaft habe gebraucht, sich auf den Gegner einzustellen. "Leider haben wir uns in dieser Phase nicht belohnen können", bemängelte Slomka. Rafael van der Vaart und Ilicevic verpassten es, den HSV in Führung zu bugsieren.

Danach rollten die Bayern über den Abstiegskandidaten hinweg. Mario Götze (31.), Thomas Müller (55.) und abermals Götze (69.) nutzten große Löcher in der Hamburger Defensive zur komfortablen Führung. Der Treffer von Calhanoglu war zwar ein sehenswerter Flachschuss aus 20 Metern Entfernung (72.), brachte aber kaum etwas ein, weil Claudio Pizarro (75.) den alten Abstand per Fallrückzieher gleich wieder herstellte.

Trotzdem war die Stimmung beim HSV trefflich. "Das Resultat schiebe ich diesmal beiseite", erklärte Sportchef Oliver Kreuzer kurzum. Eine gute halbe Stunde und die Erkenntnis, dass sich die Niederlage in Grenzen hielt (es ging auch schon mal 0:5, 0:6 oder 2:9 aus), genügen derzeit aus Hamburger Sicht, um neue Hoffnung zu schöpfen. "Dieses Spiel hat gezeigt, dass es nur so geht", sagte auch Torwart Adler. Vorausgesetzt natürlich, die Konkurrenz liefert die passenden Ergebnisse.

Die Fans des FC Bayern haben sich indes schon auf den Abstieg des HSV am letzten Spieltag festgelegt. Vor dem Anpfiff hielten sie aufwändig gefertigte Transparente in die Luft: eine Replik der Hamburger Bundesliga-Uhr, die normalerweise auf die Sekunde genau angibt, seit wie vielen Jahren, Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden der HSV der Eliteklasse ununterbrochen angehört.

In der Bayern-Version stand nun geschrieben: "Noch in der Bundesliga - 7 Tage, 1 Stunde, 30 Minuten, 0 Sekunden." Dazu muss die Konkurrenz aus Nürnberg und Braunschweig aber endlich beginnen, nicht mehr nur für den HSV zu spielen.

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