Hamburger SV:"Dukaten-Didi" zögert schon wieder

Dietmar Beiersdorfer

Dietmar Beiersdorfer: Zähe Verhandlungen um einen neuen Manager

(Foto: dpa)

Der Hamburger SV braucht einen neuen Manager, doch Vorstandschef Beiersdorfer hat einen teuren Hang zum Abwarten. Das steht sinnbildlich für die Krise beim Letzten der Bundesliga.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die Geschichte lässt sich leicht zusammenreimen, da beide Widersacher nicht im Verdacht stehen, Lügen zu verbreiten: Nico-Jan Hoogma, der frühere Kapitän des Hamburger SV, der einer der Anwärter auf den Sportchef-Posten beim Bundesliga-Letzten war, hatte nach eigener Darstellung nach Gesprächen mit HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer abgesagt, weil er mit dem "Findungsprozess nicht einverstanden war". Beiersdorfer beharrte hingegen darauf, er habe dem Niederländer abgesagt. Viel spricht für ein Kommunikations-Problem. Heraus kam nämlich, dass Beiersdorfer Hoogma, dem amtierenden Manager von Heracles Almelo, bei der Unterredung mitgeteilt hatte, es gäbe im Ranking jemanden, der vor ihm stehe. Das hat er wohl selbst als Absage gedeutet. Eine klare Aussage aber war es nicht.

Der Vorfall sagt eine Menge über Beiersdorfer, der im Prinzip ein harmoniesüchtiger Mensch ist und ungern jemanden enttäuscht. Zudem kann er sich schwer entscheiden, was nicht die beste Eigenschaft für eine Führungsposition ist. Das warf ihm schon der ehemalige HSV-Chef Bernd Hoffmann vor - zu einer Zeit (2002 bis 2009), als Beiersdorfer noch den Ehren-Namen "Dukaten-Didi" trug, weil er diverse Kicker-Koryphäen (van der Vaart, de Jong, Boulahrouz) für relativ wenig Geld zum HSV lockte und sie später für ein Mehrfaches verkaufte. Doch seitdem Beiersdorfer 2014 zum Vorsitzenden der HSV AG aufstieg, hat er keinen Boss wie Hoffmann mehr, der dem unschlüssigen Sportchef (der er seit der Entlassung von Peter Knäbel im Mai in Personalunion ist) Dampf macht. Irgendwie steht er seit seinem HSV-Comeback auf verlorenem Posten.

Erst der Aufsichtsrat hat Beiersdorfer bedeutet, dass er wieder einen Manager einstellen muss. Angeblich hat man ihm klargemacht, dass vom Erfolg des neuen Mannes auch sein Schicksal als Vorstandsboss abhänge. Sein Zögern bei der Suche nach Verstärkung abseits des Rasens kostet den HSV vermutlich auch diesmal wieder viel Geld. Sein neuer Favorit, Christian Hochstätter, hat erst im September seinen Vertrag beim VfL Bochum bis 2020 verlängert. Da war Knäbel schon vier Monate nicht mehr beim HSV, Beiersdorfer wollte den Job selbst mit ausfüllen. Jetzt wird mit dem Zweitligisten Bochum zäh verhandelt. Dessen Forderungen sind angeblich so astronomisch, dass eine Einigung über eine Ablöse von 1,5 Millionen wie ein Schnäppchen erscheinen würde. "An die Größenordnung, die Bochum sich vorstellt, ist nicht zu denken", sagt Beiersdorfer.

Sagt er aber auch diesen Deal ab, verschärft sich sein Problem. Seit 2009 hat der marode HSV etwa fünf Millionen Euro in Abfindungen und Ablösen für vier Sportchefs gesteckt: Bastian Reinhardt, Frank Arnesen, Oliver Kreuzer und Knäbel. Nachdem auch der Kandidat Horst Heldt absagte, soll nun Hochstätter kommen, mit dem man sich auf einen Kontrakt bis 2019 verständigt hat. Doch ein Aufschwung kann auch Hochstätter nicht garantieren. In dessen Manager-Vita steht nur der Bundesliga-Aufstieg 2001 mit Mönchengladbach. Danach pendelte das Team unter dem früheren Mittelfeldspieler zwischen Rang elf und 15. Bei Hannover 96 trat Hochstätter 2009 zurück, weil Präsident Martin Kind eine Vertragsverlängerung verweigerte. Hochstätter hatte 2008 die damalige 96-Rekordsumme von 15 Millionen Euro für Personal ausgeben dürfen, trotzdem kam das Team in Abstiegsgefahr.

Fehler im Umgang mit Labbadia

Beiersdorfer sagt: "Natürlich wurden an der einen oder anderen Stelle Fehler gemacht", sonst wären zwei HSV-Punkte in zehn Spielen "schwer erklärbar". Ein Fehler war sein Umgang mit dem im September beurlaubten Trainer Bruno Labbadia. Schon im Sommer war er nicht überzeugt, mit Labbadia den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen. Der Klubboss hatte wie Sportdirektor Bernhard Peters die Idee, einen schnellen Umschaltfußball, wie ihn Leipzig oder Hoffenheim spielen, zum HSV-Markenzeichen zu machen. Labbadia steht für einen anderen Stil.

Die Debatten über neue Spieler führte Beiersdorfer mit Investor Klaus-Michael Kühne und dessen Ratgeber Volker Struth auf Kühnes Anwesen in Mallorca. Labbadia machte zu diesem Zeitpunkt Urlaub auf der Insel, wurde aber nicht dazugebeten. Seine Forderungen nach einem Innenverteidiger und Sechser wurden nicht erfüllt. Den Mut, den HSV-Retter von 2015 zu entlassen, hatte Beiersdorfer aber zunächst nicht. Stattdessen ließ er Labbadia, dem er nach dem Klassenverbleib 2015 ein Denkmal bauen wollte, ziemlich allein.

Auch der entlassene Knäbel hat sich nun zur Hamburger Misere geäußert und die Dringlichkeit der Sportchef-Personalie betont: "Für den HSV ist es jetzt entscheidend, dass er die Baustelle schließt", sagte er dem Abendblatt. Gerade in der Krise brauche der neue Trainer Markus Gisdol einen starken Ansprechpartner: "Der Sportchef ist dafür verantwortlich, den Trainer in Topform zu bringen und zu halten", sagt Knäbel. Nimmt man das zum Maßstab, dann hat Beiersdorfer wohl nicht nur ein Kommunikations-Problem.

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