Hamburger SV:Das Schattenkabinett

HSV feiert Richtfest für Campus

Mächtiger und gleichzeitig auch nicht mächtiger Gestalter: der HSV-Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Dietmar Beiersdorfer ist nur eingeschränkt mächtig - andere bestimmen sogar bei Transfers mit.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Für Dietmar Beiersdorfer, der bei der HSV Fußball AG Vorstandschef und Sportdirektor in Personalunion ist, ist ein gutes Verhältnis zu Geldgebern besonders wichtig. Schließlich steht der Traditionsklub weiter mit rund 100 Millionen Euro in der Kreide. Am vergangenen Mittwoch, beim Richtfest des HSV Campus, hat Beiersdorfer dem Spender Alexander Otto verbale Girlanden geflochten. Mit seiner Spende von zehn Millionen Euro habe der Unternehmer das Nachwuchs-Leistungszentrum erst möglich gemacht und "mit tiefer Liebe und Verbundenheit" dem Hamburger SV "ein weiteres Stück Identität" gestiftet. Das Bauwerk, in das im nächsten Jahr jugendliche Talente einziehen werden, sei "das Herzstück unserer Zukunft".

Beiersdorfer fährt schon mal nach Mallorca in Kühnes Domizil

Doch auch für die Gestaltung der Gegenwart kann Beiersdorfer auf einen Finanzier nicht verzichten. Gäbe es nicht Klaus-Michael Kühne, den 79 Jahre alten HSV-Fan und Milliardär, hätte der sechsmalige deutsche Meister längst "keine Bundesliga- Lizenz mehr". Das sagt so nicht nur der frühere Leverkusener Manager Reiner Calmund, der sich auf etlichen Kreuzfahrten mit dem Passagier Kühne anfreundete. Mindestens 25 Millionen Euro hat der Logistik-Unternehmer für neue Spieler versprochen, fixiert wurde das im Juni in einer "Rahmenvereinbarung zur Qualitätsverbesserung" zwischen ihm und dem Klub. Vor wenigen Tagen fragte Bild provokativ: "Herr Beiersdorfer, wann kommen die Kühne-Stars?" Am Donnerstag gab es die erste Antwort: Vom FC Barcelona kommt für etwa 5,5 Millionen Euro der 20 Jahre alte Alen Halilovic, von dem manche sagen, er sei eine Art Mini-Messi, was sicher stark übertrieben ist.

Dennoch: Um solche Transfers realisieren zu können, muss Beiersdorfer eine Menge schlucken. Erst wurden die einstigen HSV-Profis Holger Hieronymus, Ditmar Jakobs und Thomas von Heesen, die für die 2014 vollzogene Ausgliederung der Profi-Abteilung getrommelt hatten, in Kühnes Sinne ausgebootet. Und jetzt hat der Geldgeber eine Art Triumvirat installiert, in dem neben ihm noch Calmund und der Spielerberater Volker Struth sitzen; Struth betreut unter anderem Toni Kroos, Benedikt Höwedes und Marco Reus. Kühne kann, so die Vereinbarung, ein Veto bei Transfers einlegen, wenn ihm und seinem Expertenteam die Vorschläge nicht gefallen. Dann müsste der HSV sie, wenn Beiersdorfer den Profi trotzdem holen will, aus seiner Kasse zahlen. Der NDR sprach in Bezug auf Kühne von einem "Parallel-Vorstandschef, der direkt oder mittelbar in das operative Geschäft eingreift".

Beiersdorfer hat zwar heftig widersprochen. Aber er musste einräumen, dass er seine Vorstellungen mit dem Mann, der über Darlehen und Beteiligungen schon 70 Millionen Euro in das lecke HSV-Schiff gesteckt hat, abspreche. Dafür fährt er schon mal nach Mallorca in Kühnes Domizil, oder es finden Sitzungen nicht im Volksparkstadion in der HSV-Geschäftsstelle statt, sondern in Kühnes Firmensitz in der Hafen-City. Immerhin ist ein Fehlgriff wie die vom Fußball-Laien Kühne 2013 betriebene Rückkehr des alternden Rafael van der Vaart bei dessen neuen Beratern wohl eher ausgeschlossen.

Beim HSV hoffen sie jetzt, dass Beiersdorfer die Erfolge seiner ersten Phase als Sportdirektor (2002 bis 2009) wiederholen kann. Damals hat er den am Anfang ebenfalls klammen HSV mit talentierten Profis vorwärtsgebracht, die anschließend für ein Vielfaches weiterverkauft wurden. Zum Beispiel den jungen van der Vaart an Real Madrid, Daniel Van Buyten an den FC Bayern, Khalid Boulahrouz an den FC Chelsea oder Nigel de Jong an Manchester City.

Aber auf dem erhitzen Transfermarkt fällt es Beiersdorfer derzeit schwer, Kühnes Geld auszugeben. Mancher Wechsel platzte, weil der HSV nach zwei Beinahe-Abstiegen und einem zehnten Platz in der Bundesliga gerade trotz aller Millionen nicht besonders sexy ist. Und die Verpflichtung des französischen Nationalspielers Moussa Sissoko von Newcastle United scheiterte vor der EM offenbar auch, weil man sich nicht entscheiden konnte - auch das ist manchmal ein Problem Beiersdorfers. Inzwischen ist Sissoko viel zu teuer. Auch der seit Monaten umworbene Stuttgarter Filip Kostic könnte noch abspringen, weil der HSV sich bisher weigerte, die in seinem Vertrag festgeschriebene Ablöse von 15 Millionen Euro zu zahlen.

"Wir denken langfristig und wollen nichts übers Knie brechen", sagt Beiersdorfer generell. Dazu gehört auch, dass es mit Halilovic (Barcelona hat ein Rückkaufrecht) oder dem von Eintracht Frankfurt für 1,3 Millionen Euro geholten Stürmer Luca Waldschmidt ähnlich laufen könnte wie einst mit van der Vaart und Co. Sie sollen irgendwann die leere HSV-Kasse füllen.

Ärger über Beiersdorfers HSV-Politik gibt es intern noch immer. Seit Gründung der AG habe sich der Klub noch mehr von Kühne abhängig gemacht und mit dessen Geld die Personalkosten um 20 Prozent gesteigert, monierte ein Mitglied auf der Vereinsversammlung Ende Juni; das sei "Geldverbrennung". Doch so richtig interessiert das anscheinend kaum noch jemanden unter den mehr als 75 000 Mitgliedern. Der Beschwerdeführer redete vor gerade mal 204 Stimmberechtigten, der Rest war zu Hause geblieben.

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