Hamburger SV: Arnesen wird Sportdirektor:Vom Hofe des Russen

Das Ergebnis einer quälend langen Suche: Der Däne Frank Arnesen wird neuer Sportdirektor beim HSV. Er kommt aus Chelsea, wo er eine durchwachsene Bilanz vorzuweisen hat. Das muss aber nichts heißen - denn der Trainer dort hieß José Mourinho.

Raphael Honigstein

Wer am 1. Juni dieses Jahres Trainer des Hamburger SV sein wird, weiß derzeit wohl niemand. Sicher ist dagegen, dass der künftige HSV-Sportchef Frank Arnesen einen schöneren Amtseinstand als im Sommer 2005 beim FC Chelsea haben wird. Denn José Mourinho hatte den von Klub-Eigentümer Roman Abramowitsch als Jugendkoordinator und Transfer-Berater verpflichteten Dänen an dessen ersten Arbeitstag vor versammelter Mannschaft bildlich einen Kopf kürzer gemacht.

Hamburger SV stellt neuen Sportdirektor vor

Mission abgeschlossen: Der Aufsichtsratsvorsitzende des Hamburger SV, Ernst-Otto Rieckhoff, verkündet die Berufung Frank Arnesens zum neuen Sportdirektor.

(Foto: dapd)

Arnesen sei nur für die Nachwuchsabteilung zuständig, erklärte Trainer Mourinho seinen Profis im Beisein des ehemaligen Ajax-Amsterdam- und PSV-Eindhoven-Profis. Zudem verfügte er, dass sich Arnesen lediglich zwei Stunden am Nachmittag im Leistungszentrum der ersten Mannschaft aufhalten dürfe.

Szenekenner beschreiben Arnesen, 54, dessen Bestallung der HSV-Aufsichtsrat nach quälend langer Sportchef-Suche mit 12:0-Stimmen absegnete, als sympathischen, umgänglichen Mann, doch beim eifersüchtig über sein Hoheitsgebiet wachenden Mourinho hatte er keine Chance.

Arnesens Bilanz als Nachwuchskoordinator und Sportdirektor in London ist durchwachsen, aber man muss berücksichtigten, dass angesichts der ständig wechselnden Machtkonstellationen am Hofe Abramowitsch kontinuierliche Arbeit unmöglich war. Status und Einfluss des europaweit erstklassig vernetzten Funktionärs waren stets den Launen des Russen unterworfen.

Dabei scheute der Rohstoffmilliardär weder Kosten noch Mühen, um Arnesen zu Chelsea zu holen. Vor sechs Jahren wurde er für die absurde Rekordsumme von acht Millionen Pfund (zehn Millionen Euro) aus seinem Arbeitsverhältnis bei Tottenham Hotspur freigekauft. Er sollte der Mann sein, der Chelseas Transfer- und Ausbildungsstragie Nachhaltigkeit verschafft. Und Arnesen versprach viel: "Wer gut ist, kann pro Jahr einen Nachwuchsspieler in die erste Mannschaft bringen", sagte er 2005, "in zwei Jahren muss der erste es schaffen."

Doch niemand schaffte es. Mourinho wurde nicht müde, die mangelnde Qualität der Chelsea-Talente zu beklagen. Verpflichtungen für die erste Elf wurden meist über den israelischen Agenten Pini Zahavi und Mourinhos Intimus Jorge Mendes vorgenommen. Arnesen wurde oft übergangen, arrangierte sich aber, um den Betriebsfrieden nicht zu stören. Alex (Eindhoven), Khalid Boulahrouz (heute Stuttgart), Salomon Kalou (Stürmer von der Elfenbeinküste) und der Nigerianer John Obi Mikel waren die einzigen namhaften Spieler, die Arnesen in der Mourinho-Ära kaufte.

Nach der Demission des Egomanen Mourinho 2008 wuchs Arnesens Verantwortung, er wurde Sportdirektor. Doch die chronischen Probleme mit dem Nachwuchs untergruben weiterhin seine Autorität. Arnesen gab jüngst in einem BBC-Interview indirekt zu, seit 2005 rund 70 Millionen Euro in Chelseas Jugendakademie investiert zu haben, doch bis auf den gelobten Mittelfeldmann Josh McEachran, 17, der sechs Teilzeiteinsätze in der Liga vorzuweisen hat, steht niemand auf dem Sprung in die Stammelf.

Der Rückverkauf von Claudio Pizarro an Werder Bremen im Sommer 2009 war eine von Arnesens letzten Amtshandlungen. In den folgenden Transferperioden war der Sportchef kaum noch in die Planungen involviert, mit einem Posten ohne Entscheidungsgewalt aber wollte er sich nicht länger abfinden. Bereits im November erklärte er, dass er im Sommer 2011 aufhören werde. "Nach sechs wundervollen Jahren bin ich bereit für eine neue Herausforderung", sagt er. "Die Zeit in London war ein kolossaler Trip."

Mindestens zehn Kandidaten (inklusive der Posse um Matthias Sammer) hat der HSV diskutiert, bevor er Arnesen fand. Bastian Reinhardt, der den Job derzeit erledigt, soll bleiben, seinen Vorstandsposten aber niederlegen. Gestaltungsraum wird Reinhardt kaum noch haben. Mit Arnesen kommt Chelseas Scout Lee Congerton, 37, und erhält den Posten des Technischen Direktors.

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