Hamburger SV:Alle gegen Beiersdorfer

HSV feiert Richtfest für Campus

Mächtiger und gleichzeitig auch nicht mächtiger Gestalter: der HSV-Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Rund um den HSV glauben viele, den Schuldigen gefunden zu haben. Besonders Reiner Calmund lässt den Vorstandschef des Tabellenletzten blöd dastehen.

Von Carsten Scheele

Positiv redet dieser Tage kaum einer über den Hamburger SV und seinen Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer. Eher stellt sich die Frage, wer den starken Mann des Tabellenletzten am heftigsten abgekanzelt hat: Der frühere HSV-Kapitän Nico-Jan Hoogma? Oder doch Reiner Calmund?

Hoogma, 48, der als Kandidat für den Posten des Sportchefs galt, hat sich mit Beiersdorfer komplett überworfen. Beide Seiten verhandelten miteinander, ehe der HSV die Gespräche abbrach. So stellte es zumindest der Klub da. Dagegen wehrte sich Hoogma am Montag massiv. "Nicht Beiersdorfer hat mir abgesagt, sondern ich dem HSV", sagte Hoogma bei Sport1: "Wenn ich lese, dass Beiersdorfer alles umdreht, dann ist das nicht gut." Es steht Aussage gegen Aussage.

Calmund verteidigt seinen Freund Struth

Nicht viel besser kommt Beiersdorfer in der Darstellung von Calmund weg, dem früheren Leverkusen-Manager und Berater von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne. Calmund hatte einst eingefädelt, dass der bekannte Spielerberater Volker Struth Kühne und damit dem HSV in strategischen Fragen Tipps erteilt. Das kam im Umfeld des Vereins, insbesondere bei den Fans, nicht gut an.

Via Bild erklärte Calmund diese Liaison nun für beendet. "Es tut mir leid, dass ich das Struth an den Hals gehängt habe", erklärte Calmund vielsagend. Es sei ja klar, dass der Verein immer die Entscheidungsmacht behalten müsse, was Transfers und strategische Entscheidungen angehe. Aber: "Wenn aber kein Tipp umgesetzt wird, dann muss man akzeptieren, wenn Struth nicht weitermacht."

Beratungsresistenz, dazu die fehlende Bereitschaft, Kompetenzen abzugeben: Das sind Vorwürfe, die sich Beiersdorfer häufiger anhören muss. In der Tat hat er aktuell wenige Pluspunkte auf seinem Beliebtheitskonto. Seit der Demission von Peter Knäbel, von dem sich der Klub im Mai 2016 trennte, füllt Beiersdorfer die Position des Vereinschefs und Kaderplaners in Personalunion aus. So wurde unter seiner Anleitung eine neue Mannschaft entworfen, die den Anforderungen in der Bundesliga aktuell nicht genügt.

Laut Calmund habe Struth bereits im Sommer auf Schwachstellen im HSV-Kader hingewiesen. Dieser habe angemahnt, dass ein Innenverteidiger fehle, zudem ein Abräumer im Mittelfeld. Außerdem sollte der Klub dringend einen Manager engagieren. Stattdessen holte Beiersdorfer in Markus Gisdol einen neuen Trainer, anstelle von Bruno Labbadia, der den Klub in der Vorsaison immerhin auf Tabellenplatz zehn geführt hatte. Unter Gisdol ist der HSV in der Bundesliga seit Ende September ohne Sieg.

Kommt Hochstätter als neuer Manager?

Stimmen Calmunds Aussagen, hätte die HSV-Spitze drei Vorschläge abgelehnt, die mittlerweile als Kernprobleme der Mannschaft gelten. So musste der HSV schon diverse Spiele ohne gelernten Innenverteidiger bestreiten, weil der Kader an dieser Stelle zu dünn besetzt ist. Auch fehlt der Mannschaft fraglos eine angsteinflößende Spezialkraft im Mittelfeld, die feindliche Konter schnell und effektiv unterbindet. Wenn dazu die Stürmer nicht treffen und Gisdol im Spiel gegen den BVB plötzlich in der Abwehr mit einer Dreierkette experimentiert, wirkt der HSV wenig bundesligatauglich. 2:5 ging das Spiel gegen den BVB verloren.

Erst zwei Punkte hat der HSV in zehn Bundesliga-Spielen erwirtschaftet, der Verein ist Tabellenletzter. Die Stimmung wendet sich immer deutlicher gegen Beiersdorfer, wie die Mopo berichtet, muss er nun zum Rapport beim Aufsichtsrat erscheinen. Bislang hatte der Chef des Gremiums, Karl Gernandt, stets die Hand über Beiersdorfer gehalten. Beide hatten 2014 gemeinsam die Macht beim HSV ergriffen, so etwas verbindet. Beiersdorfer betonte kürzlich, er werde in dieser Situation gewiss nicht zurücktreten ("stelle mich der Verantwortung"). Er kämpft.

Auch Horst Heldt sagte ab

Als Zeichen der Einsicht sucht Beiersdorfer mittlerweile einen neuen Sportlichen Leiter. Doch alle Namen, die in der Hansestadt fallen, werden schnell wieder dementiert oder sagen ab. Hoogma wird den Job nicht übernehmen. Auch mit dem früheren Schalker Horst Heldt konnte sich der Klub nicht einigen. So gilt aktuell der Bochumer Manager Christian Hochstätter als aussichtsreichster Kandidat. Mit ihm sprach der Klub bereits, Hochstätter sagte auch nicht sofort ab.

Ob Hochstätter den HSV noch vor dem erstmaligen Gang in die zweite Liga bewahren könnte? Der Glaube in der Stadt schwindet. "Einem Wunder" würde die Rettung gleichkommen, sagte Vereinslegende Uwe Seeler. "Ein Klub zerstört sich selbst", titelte das Hamburger Abendblatt.

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