Hamburger Stimmungswandel:Hach, Emotionen überall

Hamburger SV - Bayern München

Neuer HSV-Antreiber: Josef Zinnbauer

(Foto: dpa)

Ekstase nach einem torlosen Unentschieden: In Hamburg feiern sie nach dem 0:0 gegen die Bayern den neuen Trainer Joe Zinnbauer wie einen Erlöser. Der gibt das Kompliment weiter.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Um 17.22 Uhr wurde es laut, und zwar so richtig. Wer sich am Samstagnachmittag im Umkreis der Hamburger Arena aufhielt, musste den Eindruck gewinnen, es sei gerade etwas Großes passiert, etwas von sporthistorischem Ausmaß, das noch lange in Erinnerung bleiben wird. Die HSV-Anhänger lärmten und tobten, klatschten unermüdlich Beifall, auf dem Rasen gönnte sich das Team sogar eine Ehrenrunde. Kantersieg? Dramatisch das Spiel gedreht? Nö. Stattdessen ein 0:0 gegen den FC Bayern.

In Hamburg hatte man die vergangenen Monate sehr gelitten, so sehr, dass selbst ein torloses Unentschieden Ekstase auslösen kann. "Das war das erste Spiel seit langer langer Zeit, wo das Stadion gebrannt hat", resümierte Heiko Westermann erleichtert. Ein Unentschieden gegen den 1. FC Köln war bisher das größte Erfolgserlebnis in der neuen Saison gewesen - und nun also der Sprung von Tabellenplatz 18 auf 17. Neu-Trainer Joe Zinnbauer wurde gefeiert wie der Erlöser persönlich.

"Der Trainer hat uns brennend heiß gemacht", sagte etwa Lewis Holtby, die Kabinenansprache von Zinnbauer, der das Team erst am Mittwoch von Mirko Slomka übernommen hatte, war das bestimmende Thema an diesem Nachmittag. "Das war eine Gänsehautatmosphäre", berichtete Tolgay Arslan. So viel Anerkennung bescherte wiederum Zinnbauer selbst Gänsehaut. Hach, Emotionen überall.

Er habe sich ein Video von Jürgen Klinsmann und seiner Ansprache bei der WM 2006 angeschaut, scherzte Zinnbauer dann auf seiner ersten Pressekonferenz nach einer Bundesliga-Partie. Ansonsten hielt er sich bescheiden zurück wie einer, der vor einer Woche noch U23-Trainer war. "Neben mir sitzt ein Trainer, der mein Vorbild ist", sagte er mit Blick auf Pep Guardiola, der sein Kinn auf seiner aufgestützten Hand vergrub. Und überhaupt, führte Zinnbauer fort, müsse man heute vor allem Mirko Slomka danken: Er habe das Team in tollem Fitness-Zustand überlassen.

Etliche Komplimente an die Mannschaft

Leicht gemacht hatten es sich die Hamburger nicht gegen den FC Bayern, 90 Minuten lang ließ Zinnbauer aufwendig verteidigen. Egal, welcher Münchner gerade am Ball war - ein Hamburger grätschte meistens dazwischen. In den meisten Fällen war das Heiko Westermann, der wieder in die Innenverteidigung gerutscht war und 89 Prozent der Zweikämpfe für sich entschied. Seine Quote war besser als die von Jérôme Boateng. Ob er die Leistung eines Spielers besonders hervorheben möchte, wurde Zinnbauer im Anschluss gefragt. "Wenn ich jetzt Westermann sage, schreibt ihr, dass ich das nur sage, weil er mein Kumpel ist", antwortete Zinnbauer, "da muss ich aufpassen."

Er nannte dann Valon Behrami. "Er hat brutal angeschoben und die Mannschaft immer wieder motiviert, gegen den Ball zu laufen", meinte Zinnbauer, "sowas habe ich überhaupt noch nicht gesehen". Vor zwei Tagen hatte er ihn im Training noch ausgeschlossen, zu lustlos war der Schweizer da aufgetreten. Am Samstag verteilte der Trainer etliche Komplimente an die Mannschaft. Seine Methoden scheinen zu wirken.

"Man hat gesehen, dass wir heute einen absoluten Willen auf dem Platz hatten. Das hat schon in der Kabine angefangen", resümierte Holtby. Für die Leihgabe von Tottenham Hotspur war es das erste Heimspiel in Hamburg, er vermag nach der kurzen Zeit schon "eine neue Handschrift" beim HSV erkannt zu haben. Tatsächlich erinnerte der engagierte Auftritt gegen den FC Bayern schon mehr an ein Konzept als die letzten Vorstellungen unter Slomka. Holtby selbst versuchte sich zwar an Torgefährlichkeit, prallte an der Abwehr um Boateng aber meist folgenlos wieder ab.

Das war ja ohnehin das Manko dieses Spiels gewesen: Der HSV verteidigte zwar konzentriert, hatte aber offensiv wenig zu bieten und mit gerade mal 33 Prozent Ballbesitz nicht gerade große Anteile am Spiel. Doch in Hamburg nimmt man die Hürden gemächlich: Am Mittwoch wartet mit Borussia Mönchengladbach der nächste Gegner. Zeit, endlich mal ein Tor zu schießen in dieser Saison - kaum vorstellbar, was nach der Gänsehaut noch kommen könnte. Auf die vorbereitende Kabinenansprache von Zinnbauer freut sich das Team sicherlich schon heute.

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