Hamburg schlägt den FCK:Abstiegskampf aus dem Lehrbuch

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Mit derlei Motivationstricks hat HSV-Trainer Thorsten Fink seine Mannschaft auf den Abstiegsgipfel in Kaiserslautern vorbereitet. Mit Erfolg: Ein Tor von Marcell Jansen genügt den Hamburgern, um sich etwas Luft zu verschaffen. Bei Gegner Kaiserslautern werden erste Vergleiche mit Tasmania Berlin angestellt.

Benjamin Romberg

Beim Edel-Italiener im vornehmen Hamburger Stadtteil Winterhude war der Hamburger SV unter der Woche zum Mannschaftsabend zusammengekommen. Es habe Spaß gemacht, "mit den Kollegen mal lecker zu essen", sagte der schwedische Stürmer Marcus Berg. Die Pizza war der angenehme Teil des Programms, das sich Trainer Thorsten Fink vor dem richtungsweisenden Spiel in Kaiserslautern überlegt hatte. Es wirkte: Der HSV sicherte sich durch ein Tor von Marcell Jansen (29.) wichtige drei Punkte im Abstiegskampf und verlässt den Relegationsplatz.

Marcell Jansen erzielte den entscheidenden Treffer für den Hamburger SV beim Abstiegsgipfel in Kaiserslautern. (Foto: REUTERS)

Andere Maßnahmen waren weniger schön für die Hamburger Profis. Fink bediente sich des gesamten Repertoires aus dem Trainer-Handbuch für die Tage vor einem Abstiegsendspiel: Die Intensität bei den Übungseinheiten wurde verdoppelt und einige Spieler fanden sich plötzlich in der Regionalligamannschaft wieder. Darunter Muhamed Besic, der sich mit Fink in der Kabine angelegt haben soll. Auch vor Tabellenschlusslicht Kaiserslautern dürfte der HSV-Coach seine Spieler mit den entsprechenden Floskeln gewarnt haben - das war vermutlich Finks schwierigste Übung.

Vor was sollte er seine Mannschaft nur warnen? Beim Gegner aus der Pfalz wurden bereits erste Vergleiche mit Tasmania Berlin angestellt, der Ritterschlag für echte Abstiegskandidaten. Der Grund: Nur der Rekordabsteiger aus der Saison 1965/66 hatte nach 27 Spielen weniger Tore erzielt als die Lauterer. Die hatten vor der Partie gegen den HSV erst 17 Treffer auf der Habenseite - und es wurden nicht mehr.

Trainer Krassimir Balakow stellte den schlechtesten Angriff der Liga erneut um. Das Experiment mit dem jungen Julian Derstroff war in der Vorwoche gründlich schief gegangen, beim Heim-Debüt von Balakow bildete nun Sandro Wagner nach überstandener Verletzung die einzige Spitze. Derstroff rückte zurück ins Mittelfeld, dafür blieb Fortounis zunächst draußen. Der HSV stellte nur auf einer Position um: Gojko Kacar begann für Tomás Rincon neben David Jarolim im defensiven Mittelfeld.

Wagner war früh bemüht, das zu erbringen, was Derstroff in Freiburg nicht geschafft hatte: einen Beleg für seine Arbeit. Sein erster kraftloser und beeindruckend unpräziser Versuch aus zwanzig Metern kullerte jedoch ins Toraus (4.). In einer nervösen Anfangsphase hatten die Gastgeber ihre Nerven etwas besser im Griff. Hamburgs Torwart Jaroslav Drobny bewahrte seine Elf vor einem frühen Rückstand, als er einen abgefälschten Distanzschuß von Pierre De Wit gerade noch über die Latte lenkte (11.).

Die Offensivbemühungen der Gäste endeten meist knapp hinter der Mittellinie - mit einem Fehlpass in die Beine des Gegners oder gar ins Seitenaus. Pizza-Fan Marcus Berg vergab die erste Möglichkeit für den HSV, sein Kopfball aus acht Metern landete in den Armen von Torwart Tobias Sippel (17.). Der sorgte wenig später für Aufregung: Sippel unterschätzte eine scharfe Hereingabe und musste mit einem gewagten Hechtsprung nach vorne vor dem einschußbereiten Mladen Petric klären (18.).

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Was folgte, war die etwas überraschende Hamburger Führung. Nach Flanke von Dennis Aogo legte Berg den Ball in die Mitte. In den ersten Versuch von Illicevic warf sich Innenverteidiger Yahia noch in Torwartmanier - im Nachschuß hatte Marcell Jansen dann aber keine Mühe mehr, den Ball aus sechs Metern einzuschieben. So musste Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer auch nicht darüber nachdenken, ob Yahia den Ball zuvor mit der Hand abgewehrt hatte. "Die ersten 20 Minuten haben wir ein richtig gutes Spiel gezeigt. Leider haben wir wieder kein Tor gemacht, aber aus dem Nichts einen Gegentreffer kassiert", ärgerte sich Balakow nach dem Spiel.

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Die Lauterer antworteten mit körperbetontem Spiel, verzichteten bis zur Pause aber auf weitere Offensivbemühungen. Im zweiten Durchgang ließ Sippel einen strammen Schuß von Petric nach vorne abprallen, wo der Ball Jansen vor die Füße fiel - der war aber zu überrascht, um seinen zweiten Treffer zu erzielen (47.). Anschließend stand Kacar nach einem Eckball von Aogo am höchsten in der Luft, dieses Mal rettete Sippel mit einer starken Parade (49.).

Auf der anderen Seite zeigte Drobny erneut, dass die Torwartposition beim HSV eigentlich gar nicht vakant ist, obwohl dieser Eindruck nach der Verpflichtung von Rene Adler bei einigen entstanden war. Sahan prüfte Drobny aus spitzem Winkel, der 32-Jährige fischte den Ball souverän aus dem rechten Toreck (54.).

Die Lauterer hatten dann Glück, dass Illicevic nur die Latte traf (63.) und Berg aus sieben Metern an Sippel scheiterte (69.). Die Perspektive, gleich zwei Treffer aufholen zu müssen, hätte die Lauterer Offensive endgültig überfordert - auch wenn ein fulminanter Distanzschuß des eingewechselten Fortounis (70.) und wenig später Wagner für Lebenszeichen sorgten. Ja, tatsächlich, Wagner, die einzige Spitze der Lauterer lupfte den Ball von der Strafraumgrenze über den herausstürmenden Drobny, aber auch über das Tor (72.). Zuletzt hinderte Drobny mit einer überragenden Fußabwehr noch den eingewechselten Sukuta-Pasu am Ausgleich (87.).

Einmal mehr wurde das entscheidende Problem der Lauterer offenbar, der Grund dafür, dass Krassimir Balakow nun endgültig die Planungen für die 2. Bundesliga vorantreiben kann: Sie schießen einfach keine Tore - egal, wer diese Aufgabe bei den Pfälzern übernimmt. Wie sehr sich die Resignation in Lautern schon breit gemacht hat, zeigten auch die spärlichen Proteste über eine fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidung kurz vor Schluss. Kacar traf bei einer Grätsche im Strafraum Lauterns Sahan am Fuß, Thorsten Kinhöfer verweigerte allerdings den fälligen Elfmeterpfiff. Nach dem Spiel machte der Gefoulte seinem Ärger dann Luft: "Es war hundertprozentig ein Foulspiel, ich werde ja wohl aus zwei Metern den Ball treffen können", ärgerte sich Sahin.

Und so darf sich ein anderer Thorsten freuen: HSV-Coach Fink weiß nun also auch das Glück auf seiner Seite. "Wir waren im richtigen Moment da und standen in der Defensive sicher. Darauf kommt es im Abstiegskampf an", analysierte der Hamburger Trainer. Seine Elf verschafft sich in der Tat etwas Luft im Abstiegskampf - der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt aber gerade einmal zwei Punkte. Fink muss das nächste Kapitel in seinem Trainer-Lehrbuch aufschlagen: "Wie überzeuge ich meine Mannschaft davon, dass der Abstiegskampf noch lange nicht vorbei ist?"

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