Hamburg:Jetzt bleiben nur noch Rechenspiele

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Erste Hoffenheimer Belohnung: Serge Gnabry überlistet Hamburgs Torwart Julian Pollersbeck zur 1:0-Führung der TSG.

(Foto: Werner Schmitt/imago)

Das 0:2 in Hoffenheim marginalisiert die Chancen der Hanseaten auf den Klassen-Verbleib.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Auch Fritz Fuchs, 74, schaute am Samstagmorgen vorbei im Mannschaftshotel des Hamburger SV, um Christian Titz Glück zu wünschen. Einst kickte Fuchs für den 1. FC Kaiserslautern in der Bundesliga, trainierte dann den FC Homburg und arbeitete als Funktionär und Berater für Spieler und Vereine im Südwesten. Man kennt sich. Titz ist in Mannheim geboren, die Rückkehr in die Kurpfalz zum Bundesligaspiel mit dem HSV bei der TSG Hoffenheim verfolgten viele Weggefährten und Freunde des 47-Jährigen im Stadion. Vor vier Wochen war Titz vom U 21-Trainer zum Coach des HSV befördert worden. Die Hoffnung, dass er den ersten Abstieg des sogenannten Dinos in die zweite Liga noch verhindern kann, erlebte in Nordbaden aber einen heftigen Rückschlag.

Das 0:2 gegen erneut spektakulär wirbelnde Hoffenheimer marginalisiert die Chancen auf den Klassenerhalt. Nur noch vier Spiele sind zu spielen, der HSV steht auf dem vorletzten Platz und hat aktuell fünf Punkte Rückstand auf Mainz auf Relegationsrang 16 - und acht auf den SC Freiburg. Gewinnt Mainz am Montag zum Abschluss des Spieltags gegen Freiburg, würde das die Chancen des HSV auf den Klassenerhalt weiter verschlechtern. Der Südwesten spielt also Schicksal für den HSV und Titz. Die Gefahr, nach Abschluss dieses Spieltages entscheidend abgehängt zu werden, sieht auch Titz, dennoch sagt er tapfer: "Solange es rechnerisch noch möglich ist, werden wir uns nicht aufgeben."

Vier Punkte in vier Spielen lautet die Ausbeute bisher für ihn, das 3:2 gegen Schalke am vergangenen Wochenende hatte den Glauben an eine erfolgreiche Mission genährt. Am Samstag aber stießen die Hamburger an ihre Grenzen. Und dennoch war ihre Leistung nicht so schlecht, auch wenn die Elf bei den Gegentoren von Serge Gnabry (18.) und Adam Szalai (27.) amateurhaft verteidigte und der Gegner viele Chancen vergab. Hoffnung darf den Hamburgern machen, nicht jede Woche auf eine Mannschaft zu treffen wie die überragenden Hoffenheimer. Die TSG befindet sich nach Rückschlägen wie dem Aus nach der Europa-League-Gruppenphase erneut auf dem Weg in den Europapokal. Gelänge dies, wäre das eine beeindruckende Leistung von Trainer Julian Nagelsmann.

Die Hamburger müssen in den verbleibenden Spielen gegen Freiburg, in Wolfsburg und Frankfurt sowie gegen Gladbach fast maximal punkten, um den Klassenerhalt noch zu schaffen. Aber womöglich ist es schon zu spät, auch wenn die Steigerung unter Titz in Hoffenheim zu sehen war. Der HSV spielte nicht wie ein Absteiger und ergab sich nicht dem übermächtigen Gegner wie jüngst der 1. FC Köln, der mit 0:6 gegen Hoffenheim untergegangen war. "Die Mannschaft hat sich nicht aufgegeben und versucht, im Spiel zu bleiben", stellte Titz positiv heraus. Seine Elf kombinierte sich phasenweise auch gut nach vorne, doch im Angriff fehlte ein Vollstrecker. Und ein Talent wie Tatsuya Ito, 20, kann nicht jede Woche glänzen wie zuletzt gegen Schalke, der kleine Außenstürmer war ab der 60. Minute mit seinen Kräften am Ende. Und der von Titz von der U 21 zu den Profis beförderte Ville Matti Steinmann, 23, war im defensiven Mittelfeld gegen die schnellen Hoffenheimer überfordert - und wurde durch seine frühe Auswechslung (33.) erlöst.

Titz' Ballbesitz-Fußball klappt besser als Gisdols Bolzplatz-Plan

Dennoch: Den Kampf gegen den Abstieg mit Ballbesitzfußball anzugehen, ist bei der Zusammensetzung der spielerisch veranlagten Typen im HSV-Kader kein verkehrter Ansatz. Wenn es überhaupt Hoffnung gibt beim HSV, hat Titz sie geweckt. Diesen Kader - nach dem Bolzplatz-Ansatz von Markus Gisdol - einem eindimensionalen Hauruck-Trainer wie Bernd Hollerbach anvertraut zu haben, war wohl der größte Fehler der alten Führung um Vorstand Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt. In sieben Spielen unter Hollerbach blieb der HSV sieglos.

In Hoffenheim bauten die 3000 HSV-Fans im Stadion nach dem Abpfiff die Spieler mit energischem Applaus auf. Und das nach einer Pleite, die den großen HSV dem ersten Abstieg seiner Geschichte näher gebracht hat. Die Stimmung war schon schlechter in Hamburg - die Lage aber noch nie so prekär. Und am Montag wäre ein Mainzer Sieg gegen Freiburg bereits der zweite Nackenschlag für den HSV an diesem Spieltag - und vielleicht schon der eine zu viel.

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