Hamburg  - Hertha (17.30 Uhr):Angriffsflaute

FC Schalke 04 v Hamburger SV - Bundesliga

Ist die Luft raus? Pierre-Michel Lasogga steht nach schwachen Leistungen vor dem Spiel gegen seinen Ex-Klub in der Kritik.

(Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Der HSV nähert sich trotz guter Hinrunde im dritten Jahr in Serie dem Relegationsplatz. Die Hauptgründe sind ein Stimmungsabfall in der Mannschaft - und harmlose Stürmer.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die vergangenen zwei Jahre haben viele Fans des Hamburger SV so bescheiden gemacht, dass sie schon wieder das Schlimmste fürchten. Nur noch fünf Punkte war der HSV nach Abschluss des 24. Spieltages entfernt von jenem 16. Tabellenplatz, den er schon in den vergangenen beiden Spielzeiten belegte. Am Ende hielten die Hamburger erst mit Siegen in der Relegation gegen die SpVgg Greuther Fürth 2014 und den Karlsruher SC 2015 die Klasse. Der wichtigste Titel der Vereinsgeschichte, sagen Spötter, könnte das Triple als Relegationsmeister sein.

Antworten auf die Frage, weshalb sich das Team nach einer ordentlichen Hinrunde mit 22 Punkten schon wieder auf Abwärtskurs befindet, konnte man nach dem 2:3 am Mittwochabend bei Schalke 04 genügend sammeln. Nachdem der im April 2015 bestellte Rettungstrainer Bruno Labbadia zwischendurch die verstockten Profis erstmals seit langem wieder zu einem Team zusammengebunden hatte, stimmte Mittelfeldspieler Gojko Kacar nach der Schalke-Partie wieder die alte Klage an: "Wir müssen als Mannschaft wieder geschlossener arbeiten." Den zweiten dramatischen Minuspunkt erwähnte Torwart René Adler, der sich über die "fehlende Leidenschaft" beschwerte. Das alles kommt einem bekannt vor. Fehlende Leidenschaft, mangelnde mannschaftliche Geschlossenheit - regelmäßig geriet der mit viel fremdem Geld am Leben erhaltene Traditionsverein deshalb schon in die Bredouille.

Der HSV hat sechs 1:0-Führungen verspielt

Also alles wieder wie vor der Labbadia-Zeit? Der Coach hat die Spieler schon einbestellt - und machte genau das zum Thema der Unterredung: "Wir haben auf Schalke nicht als Mannschaft funktioniert." Die Wochen davor allerdings auch schon nicht. Nur Hannover 96 holte in den vergangenen zehn Partien weniger Punkte. Vor allem versiebte der HSV schon sechsmal in dieser Saison eine 1:0-Führung, wie auch auf Schalke. Hätte er alle Führungen verteidigt, hätte er genauso viele Punkte wie der Sonntags-Gegner Hertha BSC (17.30 Uhr), der momentan ein kaum erwartetes Hoch erlebt. Dabei waren die Berliner in der vergangenen Saison fast genauso nah am Abstieg wie der HSV.

Die Statistiker haben noch mehr unschöne Dinge über den HSV herausgefunden. Zwar läuft das Team seit dem 15. Spieltag fast drei Kilometer mehr pro Partie, aber alles andere wandelte sich nicht zum Guten: Man ließ mehr Schüsse aufs eigene Tor zu (17 statt zwölf, auf Schalke waren es sogar rekordverdächtige 26), die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe fiel von 50,7 auf 47,3 Prozent, die Fehlpassquote stieg dagegen von 25,4 auf 27,2 Prozent. Vor allem aber bereitet die Angriffsflaute Sorgen. Ganze neun von 28 Toren haben die fünf Stürmer im Kader beigesteuert, weniger trafen nur die Kollegen in Hannover und Augsburg. Hertha-Manager Michael Preetz wird sich noch heute heimlich auf die Schulter klopfen, dass er Pierre-Michel Lasogga 2014 für die unglaubliche Ablöse von 8,5 Millionen Euro nach Hamburg entließ.

Pierre-Michel Lasogga kämpft um seinen Stammplatz

Zwar ist Lasogga mit sechs Toren noch der erfolgreichste HSV-Angreifer. Der letzte Treffer liegt allerdings schon dreieinhalb Monate zurück, es war ein Elfmeter gegen Borussia Dortmund am 13. Spieltag. Der von Labbadia eigentlich geförderte Strafraumstürmer, einer der letzten seiner Art, kämpft derzeit um einen Stammplatz - ausgerechnet gegen Artjoms Rudnevs (zwei Tore), den der HSV längst abschieben wollte, aber keinen Abnehmer fand. Und die neue teure Aushilfs-Hoffnung Josip Drmic (1,2 Millionen Leihgebühr bis Mai) hat zwar immerhin beim 1:1 gegen den FC Ingolstadt getroffen. Alles in allem steckt er aber weiter in jenem Tief, das ihn schon in Leverkusen und zuletzt in Mönchengladbach eher als Auslaufmodell erscheinen ließ. Die weiteren nominellen HSV-Stürmer, Sven Schipplock und Ivica Olic, gingen vor dem Tor sogar noch komplett leer aus.

Während Kapitän und Abwehrchef Johan Djourou wegen einer gelb-roten Karte gesperrt ist, hofft man beim HSV nun auf den von Oberschenkel- und Rückenproblemen halbwegs kurierten Spielmacher Aaron Hunt. Ob das reicht? Hertha-Trainer Pal Dardai will die verunsicherten Hamburger jedenfalls "ein bisschen überraschen", wie er sagt. Man habe in der englischen Woche schon sechs Punkte geholt, "warum sollen es am Sonntag nicht neun sein?", fragte er. Dann wäre der HSV seinem alten Stammplatz Nummer 16 schon wieder ganz nah.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: