Halbfinale:Die Maschine gestoppt

Canada v Russia - 2017 IIHF Ice Hockey World Championship - Semi Final

Wichtiger Treffer: Der Kanadier Nate Mackinnon bejubelt sein 2:2 gegen Russland - ein Wendepunkt im Spiel.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

In einem Hochgeschwindigkeits-Spiel schlägt Kanada Russland - und kann nun einen Rekord einstellen.

Von Johannes Schnitzler, Köln

Eines werde er auf jeden Fall mitnehmen aus diesen Tagen in Köln, sagte Jon Cooper: die Erinnerung an diese fantastischen Fans. Der 49-Jährige ist in seinem Leben als Sportler ordentlich herumgekommen. In seiner Vita stehen so illustre Stationen wie Lansing Catholic Central, die Texarkana Bandits und die Green Bay Gamblers. Mit den Norfolk Admirals gewann er 2012 den Titel in der American Hockey League, sein Ticket in die NHL. Seit 2013 ist Cooper Chefcoach der Tampa Bay Lightning in der besten Eishockey-Liga der Welt. 2015 erreichte er mit den Lightning das Stanley-Cup-Finale, unterlag den Chicago Blackhawks in der Best-of-seven-Serie jedoch 2:4. Nach dem 2:1-Sieg seines Team Canada gegen Gastgeber Deutschland am Donnerstagabend sprach der gebürtige Kanadier, der auch einen US-amerikanischen Pass besitzt, aber geradezu ehrfürchtig von der Kulisse in der Kölner WM-Arena. "Amazing", sagte Cooper, ganz erstaunlich, wie die Fans hier mitgehen. "Das wird immer in Teil von mir bleiben", sagte Cooper.

Am Samstag hätte sich Cooper, dieser freundliche Mann, der so jungenhaft begeistert über das Spiel sprechen kann, vermutlich eine etwas weniger beeindruckende Kulisse gewünscht. Denn zum Halbfinale Kanadas gegen Rekordweltmeister Russland war die Arena fest in russischer Hand. Die russische Gemeinde in Köln ist groß und sie war laut. Sie wurde noch lauter, als die Mannschaft von Oleg Znarok nach 40 Minuten 2:0 führte. Doch nach 60 Minuten verstummte sie. Denn Kanada gewann das vorweggenommene Finale dank vier Toren in den letzten 20 Minuten noch 4:2 (0:0, 0:2, 4:0) und steht am Sonntag (20.45 Uhr) im Endspiel dieser 81. Eishockey-Weltmeisterschaft. Dort trifft Kanada auf die Schweden, die sich gegen Finnland mit mit 4:1 (1:1, 2:0, 1:0) durchsetzten.

Russland? "Sie haben eine Offensive mit hoher Oktanzahl"

Russland gegen Kanada, 27 Weltmeistertitel gegen 26: Mehr geht nicht. "Wenn wir zurückschauen in die fünfziger, sechziger, siebziger Jahre: Es ist immer Russland gegen Kanada", sagte Jon Cooper. Im ersten Drittel versuchten sich beide Teams mit Härte zu beeindrucken und eigene Fehler zu vermeiden. "Ich habe so oft gegen Russland gespielt", sagte Kanadas Matt Duchene, Olympiasieger und zweimaliger Weltmeister. "Sie haben eine Offensive mit hoher Oktanzahl. Und sie lieben es, zu spielen. Wir müssen sehen, dass wir in ihrem Drittel spielen und von der Strafbank wegbleiben."

Eine gute halbe Stunde ging dieses Vorhaben gut. Dann begannen die Russen zu spielen, wie es ihre Vorgänger getan haben: schnell, direkt, technisch perfekt. Nikita Kutscherow passte auf Artemi Panarin, Panarin zu Jewgeni Kusnetsow - das 1:0 (33.). Turnier-Topscorer Panarin initiierte auch den nächsten Hochgeschwindigkeits-Spielzug: Pass zu Vadim Schipatschjow, weiter zu Nikita Gusew, 2:0 (35.), Kanadas Wayne Simmonds saß gerade auf der Strafbank. Die russische Maschine lief jetzt auf hohen Touren.

Der Titel für Kanada wäre der dritte in Serie

Kanada, mit 22 NHL-Profis angetreten, versuchte im dritten Drittel geradezubiegen, was es in den ersten beiden Abschnitten verbogen hatte. Gerade einmal 17 Sekunden dauerte es, bis Mark Scheifele mit einem abgefälschten Schuss auf 2:1 verkürzte. Andrej Wasilewski im Tor der Russen hatte keine Chance. Auf einmal produzierten die Russen Strafzeiten, drei nacheinander, der Druck der Kanadier nahm immer weiter zu. Die Russen kamen kaum noch aus ihrem Drittel. So hatten die Kanadier sich das vorgestellt. Dann spielte Travis Konecny vor dem Tor MacKinnon frei, und Kanadas Topscorer traf mit seinem sechsten Turniertor zum 2:2 (56.). Als sich die Russen gedanklich schon mit einer Verlängerung abgefunden hatten, arbeitete Ryan O'Reilly den Puck zum 3:2 für Kanada über die Linie. 3:02 Minuten waren noch zu spielen. Wasilewski ging vom Eis, Znarok brachten einen sechsten Feldspieler. Doch 67 Sekunden vor der Schlusssirene schoss Sean Couturier den Puck zum 4:2 ins leere Tor.

Außer bleibenden Eindrücken von der beeindruckenden Atmosphäre in der Kölner Arena wird Jon Cooper auf den Fall eine WM-Medaille mit nach Hause nehmen. Sollten die Kanadier das Endspiel gewinnen, wäre es ihr dritter WM-Titel in Serie. Sie würden damit mit den Russen gleichziehen, die am Sonntag um Bronze spielen.

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