Deutschland gegen Ghana:Boateng vs. Boateng

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In Berlin geboren, für unterschiedliche Länder im Einsatz: Die Boateng-Halbbrüder treffen bei der WM aufeinander.

(Foto: AFP)

Der eine entschied sich für das Heimatland des Vaters, der andere fühlt sich als Deutscher: Wenn Ghana bei der Fußball-WM gegen die DFB-Elf spielt, begegnen sich auch Kevin-Prince Boateng und sein Halbbruder Jérôme. Die beiden sind keineswegs ein Herz und eine Seele.

Von Ulrich Hartmann

Auf seinem blauen Schalker Arbeitskittel prangt der Name "Prince". Normalerweise genehmigt die Bundesliga auf dem Trikotrücken nur förmliche Nachnamen, aber das Leben des dunkelhäutigen Fußballers Kevin-Prince Boateng, 27, verläuft ja auch nicht normal.

2010 zerstörte der gebürtige Berliner im englischen Pokalfinale mit einem üblen Foul den WM-Traum seines Gegenspielers Michael Ballack. Deutschland verlor seinen Spielmacher, und Boateng stieg zum Feindbild deutscher Fußballpatrioten auf. Ein Jahr zuvor hatte er sich entschieden, nicht im Nationaltrikot seiner deutschen Heimat, sondern für das Land seines ghanaischen Vaters spielen zu wollen.

2013, auf seiner Station beim AC Mailand, wurde er von gegnerischen Fans rassistisch beleidigt, warf demonstrativ sein Trikot auf den Platz und verließ das Feld. Seine Mannschaft folgte ihm. Die Bilder gingen um die Welt. Drei Monate später hielt er bei den Vereinten Nationen in Genf eine viel beachtete Rede gegen Rassismus. Seitdem ist der üble Kevin manchmal doch ein kleiner Prince.

An diesem Samstag spielt die deutsche Mannschaft bei der WM gegen Ghana und also auch gegen Kevin-Prince Boateng. In Fortaleza trifft er auf einen besonderen Gegenspieler: auf Jérôme Boateng, seinen Halbbruder. Die beiden gebürtigen Berliner haben denselben ghanaischen Vater, aber unterschiedliche deutsche Mütter.

Und beide sind keineswegs ein Herz und eine Seele. Kevin ist extrovertiert, Jérôme zurückhaltend. Kevin ist Angreifer, Jérôme Abwehrspieler. Kevin spielt derzeit für Schalke 04, Jérôme beim FC Bayern. Kevin ist bei der Mutter im Berliner Wedding aufgewachsen, Jérôme bei seinem Vater im beschaulichen Wilmersdorf. Dass sich später nicht Jérôme für die ghanaische Nationalmannschaft entschied, sondern Kevin, hat sportliche Gründe.

Anfang 2009 spielten die beiden genau ein Mal Seite an Seite für das deutsche Junioren-Nationalteam U21. Doch Kevin sah im deutschen Trikot keine Perspektive. Im Gegensatz zu Jérôme. Der hört jetzt vor jedem Länderspiel die deutsche Hymne - und am Samstagabend zudem die ghanaische seines Bruders. Er denkt dabei, sagt er, an die gemeinsame Kindheit.

Jérôme steht in der deutschen Startformation, Kevin vermutlich in der von Ghana, aber er hat keine Garantie, von Beginn an zum Einsatz zu kommen. Im ersten Spiel gegen die USA wurde Kevin erst nach einer Stunde eingewechselt. Ghana verlor 1:2.

Kevin-Prince Boateng ist ein wechselhafter Typ. Er spielte bereits für Hertha BSC Berlin, Tottenham, Dortmund, Portsmouth, AC Mailand und jetzt für Schalke. Er wirkt unergründlich, dabei ist seine Haut vom Hals abwärts mit optischen Parolen übersät. Jérôme Boateng steht seinem Bruder bei Tätowierungen in nichts nach, wirkt aber traditionsbewusster. Er trägt auf der linken Hälfte des Rückens eine Art Stammbaum, eine Liste mit 21 Namen. Und einer davon lautet natürlich: Kevin- Prince Boateng.

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