Hängende Spitze:#Willkommenskultur welcome

Integration braucht Zeit. Das hat auch die Bild-Zeitung gemerkt. Etliche Klubs haben sich gegen deren Flüchtlings-Initiative gesträubt.

Von Claudio Catuogno

Als Manuel vor vier Jahren in München ankam, ein unbegleiteter Wirtschaftsflüchtling auf der Suche nach einem besseren Auskommen, war die Willkommenskultur in der Stadt, die ihm zur neuen Heimat werden sollte, noch nicht so eingeübt wie heute. Obwohl man ihm ansah, dass er von weit her kam (er stammt aus der Krisenregion Gelsenkirchen), schenkte niemand Manuel am Hauptbahnhof einen Apfel und wies ihm den Weg in die Erstaufnahmeeinrichtung. Und als Manuel, der in seiner Jugend eine gute Ausbildung genossen hatte, am neuen Arbeitsplatz eintraf, rottete sich eine Gruppe von Extremisten zusammen und hielt Schilder mit dem Slogan "Koan Neuer" in die Höhe. Das wäre heute anders. Heute haben Slogans grundsätzlich einen Hashtag. Die Begrüßung des neuen Torhüters würde im Bayernfanblock "#NEUERnotwelcome" lauten.

Aber die Geschichte zeigt auch, dass Integration gelingen kann. Manuel trägt inzwischen seine Lederhosen sogar beim Rasenmähen und hat bei Meisterfeiern immer als erster sieben Weißbier intus. Seine Anwesenheit wird als Bereicherung empfunden. Insofern besteht durchaus Hoffnung für die Bild-Zeitung, die am Wochenende in vielen Fanblocks mit dem Slogan "#BILDnotwelcome" begrüßt wurde.

Die Bild kommt ja ebenfalls von weit her. Sie kommt aus einer Zeit, als auf ihrer Titelseite "die bittere Wahrheit über Ausländer" noch diese war: "90% der Libanesen und 26% der Türken bekommen bei uns Stütze vom Staat!" Und die "Wahrheit über kriminelle Ausländer" ging so: "Sie schreckt nur eines - die Haft." Inzwischen hat sich die Bild aber der neuen Leit- respektive Willkommenskultur angepasst und die Flüchtlings-Initiative "Wir helfen" gegründet, deren Logo am Wochenende die Trikotärmel sämtlicher Erstligaprofis zierte. Zehn Zweitligaklubs wollten allerdings nicht mitmachen, auch viele Fans hatten die Befürchtung, dass es in diesem Fall die Falschen sind, die das Richtige tun.

Integration braucht eben Zeit. Spätestens bei der nächsten Fotostrecke über "die heißen Spielerfrauen unserer Bayern-Stars" werden auch die Berührungsängste jener Fans überwunden sein, die jetzt noch "#BILDnotwelcome" auf ihre Plakate geschrieben haben.

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