Hängende Spitze:Werft Rosen und Kuchen!

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Für Leverkusens Aktivisten wäre es schlauer gewesen, RB Leipzig freundlich willkommen zu heißen. Die Erfahrung zeigt: So verwirrt man den Gegner viel mehr.

Von Philipp Selldorf

Ultras und andere wertkonservative Fans, die für den ursprünglichen Fußball eintreten, sind jetzt besorgt, weil RB Leipzig die Tabelle anführt. Daran sind sie jedoch selbst schuld. Sie haben mit ihren Tiraden und Kampagnen gegen das sächsische Dosen-Projekt den ideologischen Gegner geeint und gestärkt. In Leverkusen bewarfen Vermummte mit Farbbeuteln den Leipziger Teambus und mussten nicht nur eine Niederlage ihrer Elf, sondern auch den Spott von RB-Trainer Hasenhüttl ertragen, weil sie aus zwei Metern Entfernung das Ziel verfehlt hatten. Zwar hat Hasenhüttl nicht gesagt, dass ihm der Überfall die Motivationsarbeit erleichtert hatte, dies liegt aber mehr als nahe. Sporthistorisch gibt es genügend Beispiele. Oliver Kahn etwa wuchs immer dann zum unbezwingbaren Riesen, wenn er im Stadion staudenweise mit Bananen beworfen wurde. Und dass Manuel Neuer mit den Bayern noch nie in der Schalke-Arena ein Spiel geschweige denn die Nerven verloren hat, das sollte den orthodoxen Schalkern zu denken geben, die ihren ehemaligen Torhüter stets mit Feindseligkeiten eindecken, wenn er nach Gelsenkirchen kommt.

Bestimmt aber würde der Zerberus Neuer vor Rührung schwach werden, wenn ihm die Fans vor dem Spiel ein hübsch gerahmtes Bild aus seinen Schalker Kindertagen überreichten. Subversion muss mit Verstand betrieben werden. Der Torjäger Toni Polster hat einst seine Gegenspieler irritiert, indem er eben nicht die üblichen Beleidigungen gegen deren Ehefrauen und Mütter vorbrachte - sondern sich freundlich nach dem Wohlergehen der Familie erkundigte. Sobald sie zu erzählen begannen, entwischte er und schoss ein Tor.

Schlauer wäre es daher gewesen, wenn die Leverkusener Aktivisten die Leipziger statt mit martialischem Theater mit einem warmen Willkommen überrascht hätten. Ein Regen von Rosenblüten zur Ankunft, ein Begrüßungschor und ein selbstgebackener Kuchen für Professor Rangnick wären viel eher geeignet gewesen, die Sinne der Feinde zu verwirren. "Jeder Witz ist eine Revolution", sagte George Orwell. So könnten Demonstranten den humorvoll naiven Slogan der Friedensbewegung - "Hopp, hopp, hopp/ Atomraketen stopp" - zum lustigen Protest gegen die TSG Hoffenheim und deren Mäzen umwandeln. Kleiner Tipp: Auf Dietmar Hopp reimt sich Jürgen Klopp.

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