Hängende Spitze:Madonnenlilien mit Hörgeräten

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Warum geht ein Bundesligist ins Kloster? Gute Frage. Der eingeschleuste SZ-Kundschafter kennt die Antwort.

Von Claudio Catuogno

Dieses Strahlen, das am Samstag mehr aus dem Innern der Hannoveraner Arena herausdrang, als dass es sich von außen über das Stadion legte, dieses Strahlen konnten die Agnostiker auf der Pressetribüne noch als Zeichen eines goldenen Herbstes erklären. Doch spätestens, als Jünger von Hannover 96 berichteten, Salif Sané, der Siegtorschütze gegen Bremen, habe einen Vers aus dem Ave Maria gemurmelt ("Gebenedeit sei die Frucht meines Kopfballs nach Ecke Kiyotake"), sah sich die metaphysischen Phänomenen zugeneigte SZ-Sportredaktion angehalten, einen Kundschafter nach Ostwestfalen zu entsenden, um herauszufinden, was sich vorige Woche in der Abgeschiedenheit von Harsewinkel-Marienfeld zugetragen hat, wo Hannover 96 in einem Zisterzienserkloster um Zuflucht gebeten hatte. War es lediglich ein alter Trick aus dem Trainer-Lehrbuch ("Wenn im Abstiegskampf gar nichts mehr hilft: Kloster!"), den 96-Coach Michael Frontzeck diesmal bereits im ersten Saisondrittel hervorgeholt hatte? Oder verbirgt sich mehr hinter den Zeichen der Erleuchtung?

Bisher sind nur Fragmente durch die Mauern gedrungen. Zeugen berichten, wenn auch nur vom Hörensagen, Frontzeck sei im Chorgestühl dabei beobachtet worden, wie er Schriften des Thomas von Aquin studiert haben soll (u.a. "De ente et essentia im Tabellenkeller"). Ron-Robert Zieler und Christian Schulz wurden im Kreuzgang gesehen, offenbar haben sie die lateinische Inschrift der alten Turmglocke übersetzt ("Glocke, aus furchtbaren, niedergelegten Waffen gegossen / singe das ewige Lob der unbefleckten Gegentorstatistik"). Das ist aber nur Überlieferung.

Als gesichert erscheint, dass Klubchef Martin Kind im Klostergarten einige Exemplare Akelei, Liebstöckel, Weinraute und Ysop gezogen hat, außerdem Johanniskraut, Beifuß und Disteln, deren apotropäische Wirkung offenbar dabei helfen soll, Dämonen zu exorzieren. Zwar wurde Kind nicht persönlich erkannt, allerdings spricht für seine Anwesenheit, dass einige Madonnenlilien neuerdings mit Hörgeräten ausgestattet sind. Über den Verbleib der restlichen Spieler konnte der SZ-Kundschafter nichts in Erfahrung bringen, vermutlich waren sie beim Meditieren in dem zur Anlage gehörenden Hotel-Spa "Klosteroase".

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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