Hängende Spitze:Fisch oder Nudeln

Am einst gemütlichen Sonntagmittag wird nun auch gekickt. Da stellen sich existenzielle Fragen.

Von Benedikt Warmbrunn

Zu den wenigen angenehmen Stunden des Lebens, die die Bundesliga lange in Ruhe gelassen hatte, gehörten die am Sonntagvormittag. Der Sonntagvormittag war reserviert für den Kirchgang, den veganen Brunch mit fruchtiger Avocado-Orangen-Bruschetta und Chia-Vanille-Pudding, vielleicht auch für einen ausgedehnten Frühschoppen. Besonders Mutige haben sich sogar selbst zum Fußballspielen getroffen, aber um die soll es hier nicht weiter gehen. Der Sonntagvormittag war schließlich die Zeit der Woche, in der auch Fußballfans es einmal gemütlich angehen konnten, dann hatten sie auch mal Zeit für ausgefallenere Hobbys, zum Beispiel konnten sie wie Ludwig van Beethoven die 60 Kaffeebohnen für den Morgenkaffee selbst abzählen.

Noch gibt es keine Studien darüber, wie sich Lebensgewohnheiten der Fußballspielenden und Fußballschauenden seit diesem Sommer geändert haben, unstrittig ist aber, dass nun am Sonntagvormittag existenzielle Fragen verhandelt werden müssen. Seit Bundesligaspiele auch um 13.30 Uhr beginnen, hat der Sonntag viel von seiner Gemütlichkeit verloren. Gibt es das Mittagessen zum Anpfiff oder erst in der Halbzeit? Darf man sich schon ein Bierchen öffnen? Und wer im Freundeskreis hat überhaupt den Eurosport Player, und will man ausgerechnet den schon so früh am Sonntag treffen? Es soll vorkommen, dass manche sich alleine in eine Kneipe setzen, in die sie sich bei Dunkelheit nicht einmal in Mannschaftsstärke wagen würden.

Wie in allen wesentlichen Fragen des Lebens hat sich die meisten und besten Gedanken dazu bereits Christian Streich, der Freiburger Trainer und Freizeitphilosoph, gemacht. Über das Dilemma des früheren Anpfiffs sagte er: "Kleines Frühstück vorher? Stehst du früher auf, was schade ist? Kleines Frühstück um sieben, halb acht? Und dann um zehn Spaghetti oder Fisch? Es können sich nicht alle um zehn drei Teller Nudeln reinhauen. Andere finden das super." Streich, und das verrät viel, hat keinen Weg gefunden, um den Sonntag zu retten, was bedeutet, dass der Sonntag unrettbar sein muss. Sein Team hatte es dennoch ganz gut gelöst, vor wenigen Wochen gewann Freiburg zu dieser ungemütlichen Zeit gegen Hoffenheim. Darauf drei Teller Nudeln.

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