Hacker-Angriff:Harting wehrt sich: "Ich bin ein transparenter Athlet"

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"Ich bin ein transparenter Athlet und habe mit dieser Veröffentlichung keine Probleme": Robert Harting.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Die deutschen Opfer des Hacker-Angriffs der Gruppe "Fancy Bears" auf die Wada-Datenbank beteuern ihre Unschuld. Manche vermuten eine Retourkutsche aus Russland.

Von René Hofmann

Unter den Opfern des Hacker-Angriffs auf die Daten der Welt-Anti- Doping-Agentur Wada befinden sich fünf Deutsche. Die Schwimmer Franziska Hentke, Christian vom Lehn und Christian Reichert, die Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll sowie Diskuswerfer Robert Harting müssen seit Donnerstag damit leben, dass medizinische Unterlagen von ihnen öffentlich einsehbar sind. Eine Gruppe, die sich Fancy Bear nennt, veröffentlichte die Daten auf einer Homepage, auf der sie vorgibt, im Sinne eines sauberen Sports zu handeln. Aus diesem Grund würden Athleten angeprangert, "die gegen die Prinzipien des Fair Plays verstoßen haben, indem sie Dopingsubstanzen nahmen".

Die fünf Deutschen stehen in einer Reihe von 25 Sportlern, denen dies unterstellt wird. Die meisten stammen aus den USA: Bethanie Mattek-Sands (Tennis), Brittney Griner (Basketball), Kathleen Baker, Conger John (beide Schwimmen), Dagmara Wozniak (Fechten), Deanna Price (Hammerwerfen), Mcquin Baron (Wasserball), Michelle Carter (Kugelstoßen), Sam Dorman (Turmspringen), Tervel Ivaylov Dlagnev (Ringen).

Aus Großbritannien sind Bradley Wiggins, Christopher Froome (beide Radsport), Charley Hull (Golf), Heather Fisher (Rugby) und Sam Townsend (Rudern) aufgeführt. Außerdem genannt werden die dänische Schwimmerin Blume Pernille, die polnische Ruderin Madaj Natalia, die tschechische Tennis-Spielerin Petra Kvitova, die rumänische Ruderin Cogianu Roxana und der russische Boxer Michail Alojan.

Harting wehrt sich

Die Anklage folgt dem Muster, das zuvor bereits bei den US-Tennisspielerinnen Serena und Venus Williams und der überragenden US-Olympia-Turnerin Simone Biles verfolgt worden war: Die Dokumente legen die Einnahme von an sich verbotenen, weil möglicherweise leistungssteigernden Medikamenten nahe - für die die Athleten allerdings medizinisch begründete Ausnahmegenehmigungen vorlegten, sogenannte TUEs (Therapeutic Use Exemptions). Diese werden von den internationalen Sportfachverbänden gewährt, wenn die Athleten akute oder chronische Krankheiten nachweisen können.

Die TUEs sind nicht unumstritten - unter anderem, weil sie in einigen Sportarten offenbar recht großzügig gewährt werden. Aktuell sind sie allerdings unumstritten geltendes Recht. Entsprechend leicht taten sich die Betroffenen, die Anschuldigungen routiniert abzuwehren. "Aufgrund meines Hexenschusses wurde ich vom medizinischen Olympia-Team in Rio manualtherapeutisch und medikamentös mit Dexamethason und Triamcinolon behandelt", teilte Robert Harting, der Olympiasieger des Jahres 2012, mit. Alle Anträge dafür seien "termingerecht und regelgerecht eingereicht" und alle "Formalitäten eingehalten worden". Harting weiter: "Ich bin ein transparenter Athlet und habe mit dieser Veröffentlichung keine Probleme."

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Die Startseite von fancybear.net.

(Foto: Screeshot: SZ)

Christina Obergföll, die ihre Karriere Anfang des Monats beendet hatte, sagte der dpa: "Ich finde das Ganze natürlich nicht toll, weil das persönliche Unterlagen sind, die niemanden etwas angehen." Bei ihr geht die veröffentlichte Medikamenteneinnahme auf das Jahr 2008 zurück. "Das war ein schmerzlinderndes Mittel, kein leistungssteigerndes", sagt Obergföll und betont: "Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen."

Hacker-Aktion als Retourkutsche?

Für die 35-Jährige ist die Motivlage für die Veröffentlichung offenkundig: Sie wertet die Hacker-Aktion als "eine ganz klare Retourkutsche" für den Ausschluss russischer Leichtathleten von den Spielen in Rio, der auf die Enthüllung über das jahrelange Staatsdoping in Russland gefolgt war, welches in einem Wada-Bericht detailreich dokumentiert wurde.

Die Daten der Wada wurden eindeutig gestohlen. Russlands Sportminister Witali Mutko, der im Wada-Report über das Staatsdoping in seiner Heimat mehr als zehn Mal genannt wird, trat am Mittwoch Spekulationen entgegen, der Angriff sei womöglich vom Kreml orchestriert worden. "Daten müssen geschützt sein. An einer solchen Attacke ist nichts Gutes", sagte Mutko der Agentur Tass.

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Ein Ausriss eines der veröffentlichten Dokumente.

(Foto: SZ-Screenshot)

Mutko dürfte sich freuen

Wie die Fancy Bears ihre Beute deuten, dürfte Mutko trotzdem freuen. Für die Hacker-Gruppe zeigen die Daten, "dass Dutzende US-Athleten positiv getestet wurden"; die medizinischen Ausnahmegenehmigungen seien nichts anderes als "die Lizenz zum Dopen". Dies zeige, wie "korrupt und verlogen" die Wada und das Internationale Olympische Komitee seien.

Dieser Darstellung traten die beschuldigten Institutionen entgegen. Das IOC verurteilte die Attacke. Olivier Niggli, der Generalsekretär der Wada, sprach in einem Statement von einem "kriminellen Akt", der den weltweiten Bemühungen, wieder Vertrauen in Russlands Anti-Doping-Kampf zu fassen, "schwer schade". Mit anderen Worten: Ein Akt, der dazu beitragen könnte, den Ausschluss des Landes von wichtigen Wettkämpfen sogar noch auszudehnen. Was für ein Lagerkampf aktuell tobt, zeigt auch die Äußerung von Travis Tygart, dem Leiter der US-Anti-Doping-Behörde. Er spricht von "Cyber-Mobbing".

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