Gruppe C:Fußball mit Herz und Verstand

Während das Gefühl irgendwie noch zwischen Frankreich und Italien schwankt, darf rational gesehen eigentlich keine der beiden Mannschaften weiterkommen.

Dominik Prantl

Sind wir doch mal ehrlich: Journalisten sind auch nur Fans, selbst jene wie der slawophile Kollege A., der ständig seine hochheilige journalistische Objektivität beschwört und dabei schon fünf Stunden vor dem Spiel der Russen feuchte Hände bekommt. Fast jeder fiebert auch immer ein bisschen mit dem Gastgeber - das Spiel am kommenden Montag mal ausgenommen, - manche fühlen sich einfach nur der eigenen Nation gegenüber verpflichtet und andere wiederum der Schönheit dieses Sports. Hier stellt sich nach einem Spieltag wie am Freitagabend in der Gruppe C die Glaubensfrage: Was will man eigentlich wirklich? Für wen schlägt das Herz, was sagt der Fußballverstand?

Gruppe C: Fußball, der begeistert. Arjen Robben (links) und Giovanni van Bronckhorst .

Fußball, der begeistert. Arjen Robben (links) und Giovanni van Bronckhorst .

(Foto: Foto: AFP)

Denn bei der Wahl zwischen Frankreich und Italien schlagen bei vielen ja, ach, zwei Herzen in der Brust. Lieber einen etwas in die Jahre gekommenen Catenaccio oder das nicht mehr ganz so taufrisch daher kommende Angriffsspiel der Franzosen? Den immer noch eleganten Thierry Henry oder den - zumeist - effektiven Luca Toni? Und überhaupt: Chianti oder Bordeaux? Pasta oder Pasteten? Toskana oder ... Puh.

Der Fußballverstand hat ohnehin schon entschieden: Holland. Nach dem überraschend hohen 3:0-Auftaktsieg gegen Italien schob das Team um Marco van Basten gegen Frankreich mit einem 4:1-Triumph einen ebenso beeindruckenden zweiten Akt nach. Sie demontierten ihre Gegner mit einer perfekten Synthese jener Elemente, die sich in den vergangenen zehn Jahren auf dem Fußballfeld oftmals entweder auf italienischer oder französischer Seite fanden: begeisternder Offensivfußball, bei dem gleichzeitig ein kühler Kopf bewahrt wurde. Effizienz und Eleganz, kicken mit Herz und Verstand.

Selbst den Anschlusstreffer von Thierry Henry zum 1:2 (71.) konterten die Niederländer mit spielerischer Anmut durch Arjen Robben (72.). Die anderen Treffer markierten Dirk Kuyt (9.), Robin van Persie (59.) sowie Wesley Sneijder (90.+ 2)., und noch immer steht die Frage im Raum, ob die Gegner die Tore leichtfertig zuließen oder ob gegen diese geballte Offensivkunst auf kontinentaler Ebene derzeit einfach noch keine taktischen Gegenmaßnahmen gefunden wurden. Da die Niederländer bereits für das Viertelfinale qualifiziert sind, wird auch das abschließende Gruppenspiel gegen Rumänien darüber nicht wirklich Aufschluss geben. Schließlich könnte es Hollands Trainer Marco van Basten für Experimente nutzen. Rumänien würde ein Sieg auf jeden Fall eine Runde weiterbringen. Falls es zwischen Italien und Frankreich keinen Sieger gibt, würde dem Außenseiter in dem zur Todesgruppe hochstilisierten Vorrundenpool sogar ein Unentschieden reichen.

Am Dienstag, kurz bevor Italien in einer Neuauflage des WM-Finales von 2006 auf Frankreich trifft, ist vielleicht der richtige Zeitpunkt für ein Glas Bordeaux zur Pasta. Wer es neben Holland ins Viertelfinale schaffen soll, muss das Herz dann während des Spiels entscheiden. Der Verstand will neben Holland sowieso Rumänien.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: