Großsponsoren bei Olympia:Für jedes Problem hat der DOSB eine Schablone

Rally against Russia's anti-gay stance

Weltweit machten Demonstranten zuletzt Druck auf die Olympia-Sponsoren, sich klar zu Menschenrechts-Themen zu positionieren. Bisher vergeblich.

(Foto: Andy Rain/dpa)

Wie denken deutsche Sport-Sponsoren über die kritischen Aspekte der Spiele? Immerhin: Ein Reiseveranstalter nennt Russlands Homosexuellen-Gesetze "erschreckend". Ansonsten sind die Antworten auf eine SZ-Anfrage teilweise identisch bis ins Detail. Zufall? Nein, der DOSB beriet seine Großsponsoren.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Der organisierte deutsche Sport feiert sich gerne als größte Bürgerbewegung des Landes. Doch auch in der Welt der Wirtschaft ist er bestens vernetzt. Und zwar so gut, dass sich sogar Schwergewichte der deutschen Wirtschaft eng am Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) orientieren, wenn es um die Beantwortung von Anfragen zu heiklen Themen der Spiele in Sotschi geht.

Als in der vergangenen Woche Wladimir Putins Prestige-Projekt am Schwarzen Meer begann, bezogen verschiedene amerikanische Unternehmen direkt oder indirekt Stellung zu Russlands umstrittener Homosexuellen-Gesetzgebung. Google präsentierte das Logo auf der Startseite seiner Suchmaschine in Regenbogenfarben. Der Telekommunikationskonzern AT&T prangerte das Gesetz als "verletzend" an - das war auch deswegen bemerkenswert, weil der Konzern Sponsor des amerikanischen Olympischen Komitees ist.

Die SZ fragte daraufhin die wichtigsten Partner der deutschen Olympia-Mannschaft, wie sie diese Einschätzung kommentieren, wie sie insgesamt zu den problematisierten Themen stehen - und welche Schritte sie sich diesbezüglich vom DOSB und vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wünschen.

Die Antworten fielen durchaus unterschiedlich aus: Der Reiseveranstalter Dertour etwa erklärte auf die Anfrage, das Gesetz und die damit einhergehende Situation für Homosexuelle in Russland seien "erschreckend und mehr als heikel"; die Lufthansa teilte mit, sie kommentiere keine "politischen Fragen dieser Art".

Auf andere Art bemerkenswert waren die Antworten, die von den deutschen Groß-Unternehmen Adidas und Audi sowie von der Messe Düsseldorf kamen. Sie enthielten allesamt Passagen, in denen die Unternehmen erklärten, dass "Sport ein Menschenrecht ist und alle Menschen Zugang zum Sport haben müssen - unabhängig von ihrer Rasse, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion".

Außerdem wurde jeweils auf einen Präsidiumsbeschluss des DOSB sowie auf Gespräche des IOC mit der russischen Regierung verwiesen. Verblüffend dabei: Die Stellungnahmen waren über zahlreiche Sätze hinweg absolut identisch. Und das bis hin zu kleinen Details wie der Verschriftlichung des Organisationskomitees in der englischen Variante und in Großbuchstaben ("SOCHI 2014") und der Verwendung der Abkürzung "u.a." für das Wortpaar "unter anderem".

Eine Gedanken- und Formulierungs-Parallelität in drei Pressestellen? Natürlich nicht. Vielmehr war es so, dass es offenkundig eine Art Vorlage gab, quasi eine Schablone zum Umgang mit olympischen Herausforderungen. Der DOSB teilte mit, dass er auf die Anfrage angesprochen worden sei und er daraufhin die Partner der deutschen Olympiamannschaft angeschrieben habe. Das sei so üblich.

Bei Audi, dessen Mutter VW auch offizieller Partner der Sotschi-Spiele ist, hieß es, man habe sich mit dem DOSB abgestimmt, dies sei "eine ganz normale Vorgehensweise". Adidas und die Messe Düsseldorf beantworteten Nachfragen zu den identischen Formulierungen nicht.

Zurückhaltung hat Tradition

Wenn es um heikle Themen geht, hat vor allem bei Adidas die Zurückhaltung im Umgang mit großen Sportverbänden Tradition. Das zeigte sich etwa, als die Vergabe der WM-Turniere nach Russland (2018) und Katar (2022) mit Korruptionsaffären und globalen Protesten einhergingen. Damals reagierte sogar die Konzernspitze der Dubai-Airline Emirates, als Kunden in sozialen Medien die Verbindung der Luftlinie mit obskuren Fifa-Granden attackierten, und stellte öffentlich die Zukunft der Partnerschaft in Frage.

Adidas hingegen gehörte zu denen, die lieber beim Mantra des umsatzorientierten Sponsortums blieben: "Wir arbeiten mit unseren Partnern und reden hinter den Kulissen." In der Regel haben Hinter-den-Kulissen-Dialoge zweier am selben Geschäft orientierter Partner wenig substanzielle Folgen.

Dass Firmen international auch anders mit solchen Themen umgehen, zeigten zuletzt etwa pointierte Werbeauftritte. Wie der des Autobauers Chevrolet. Die US-Firma präsentierte erstmals und gleich in zwei Spots während der olympischen Eröffnungszeremonie homosexuelle Paare; authentische Familien mit Kindern, wie sie mitteilte. "Die Bedeutung von Familie hat sich nicht verändert, das Aussehen schon", heißt es im Clip, der mit der Aufforderung endet: "Finde neue Straßen."

Das kanadische Institut für Vielfalt und Integration schaltete einen Spot mit zwei Rodlern beim Schwungholen am Start und der Botschaft: "Die Spiele waren immer ein wenig schwul." Und ein schottischer Bierbrauer brachte die Marke "Hallo, mein Name ist Wladimir" auf den Markt. Das Werbefoto stellt das berühmt-berüchtigte Bild Putins nach, wie er in Sibirien mit nacktem Oberkörper auf dem Pferd sitzt.

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